Nochmal zu Steerpike.
Es fiel ein oder zwei Mal kurz der Satz, dass man in dieser Welt wohl geboren wird und seine Aufgabe im Schlossbetrieb zugewiesen bekommt, mit der man dann bis zum Ende leben muss.
Er ist also in diese Küche reingeboren worden. Gut, da würde ich auch so schnell wie möglich rauswollen. Davon ab, dass ich als König nie etwas von DIESEM MANN DA essen würde. Egal - anfangs dachte ich also, dass Steerpike nur aus der Küche raus wollte. Hat er ja relativ schnell geschafft, indem er dann Diener bei dem Arzt wurde. Aber da fing er ja erst richtig an mit seinen Intrigen. Ich habe im ganzen Film nicht ein Mal einen Lichtblick gehabt, wo mir klar wurde, was er überhaupt will. Die Königsfamilie auslöschen? Das Schloss zerstören? Ruhm und Ehre für sich selbst? Das sind alles nur Vermutungen von mir selbst, die jedoch im Film niemals erhärtet oder ausgeschlossen wurden. Ich weiß es einfach nicht - weswegen ich diesen Charakter auch nicht mögen konnte. Allzu oft dachte ich mir einfach "WTF? Wieso denn das nun?"
Genauso, wie mir nie ganz klar wurde, ob er wirklich für die Prinzessin Gefühle entwickelt hat oder ob das nur ein weiterer Teil seines Planes war. Ich glaube ja beinahe, dass er sich tatsächlich verliebt hat und die Zurückweisungen dann alles noch schlimmer gemacht haben. Aber wieder nur Vermutungen.

Apropo Prinzessin - sie war tief enttäuscht, dass niemand ihr Beachtung geschenkt hat. Warum? Weil sie keine Thronfolgerin hätte werden können? Die Mutter hat ja eh niemanden außer ihren Tieren Zuneigung gezeigt. Aber da war doch auch noch die Amme? Die hat Prinzesschen allerdings nur geärgert. Dann kam Steerpike, der aus welchen Gründen auch immer ihr ja auch Aufmerksamkeit geschenkt hat - den hat sie aber auch nur zurückgewiesen. Der Arzt war auch immer sehr freundlich zu ihr. Ihr Bruder hat sie geliebt.
Was ist also mit dem Mädchen los? Möchte sie Zuneigung, kann dann aber doch nicht damit umgehen, wenn sie welche bekommt? Sie hatte doch genug! Oder wollte sie das Unmögliche und Beachtung von ihrer Mutter?
Genauso, wie ich mich oft gefragt habe, ob sie wirklich so naiv ist, wie sie tut; oder ob sie sich hinter ihrer Naivität versteckt hat, weil sie nicht wollte, dass sie jemand so sah, wie sie wirklich ist.

Der Prinz ... ja, der Prinz ... hm ... okay, was war das nun mit seinen verdammten Augen? Wieso hat der König nicht gewusst, dass seine Frau ein Kind bekommt?
Der Typ wird einerseits so gezeichnet, dass er gegen alle Regeln verstösst und mit den Traditionen brechen möchte - andererseits aber ist er ein uuunglaublicher Feigling! Irgendwie ist der immer von rechts nach links gesprungen. Hat einerseits den Mut, als einziger zu schauen, was außerhalb des Schlosses existiert, anderseits steht er erstarrt da, als Steerpike ihm ans Leder will.

Dann noch die beiden Schwestern des Königs (die Tussen haben mich öfter zum lachen gebracht). Zwei von Machtwillen und Enttäuschung gezeichnete Figuren, die zu feige sind, für ihre Träume selber auch nur einen Finger krumm zu machen.
Nur, wieso sind sie Steerpike gegenüber so unterwürfig? Er schreit sie an, sie sollen unter den Teppich kriechen - und sie tun es? Wtf? Er ist in ihren Augen doch nur ein einfacher Diener? Einer zwar, der ihnen helfen will, aber nur allein deswegen sollte er doch nicht solch Macht über sie haben?

Wichtig ist die Szene ganz am Schluss, wo er der Gräfin zuruft: "Von einem, der Euer Sohn hätte sein sollen." Steerpike ist äußerst begabt (kommt im Film vllt nicht so rüber.) Mit seiner Geschicklichkeit (die Überwachungsanlage aus Spiegeln im Kamin), Entschlossenheit, Intriganz (in Gg eine durchaus positive Eigenschaft) hätte er alles, was einen Thronfolger ausmacht, außer seiner Herkunft. Das Ideal ist in Gg ist ein machiavellischer Fürst, kein "netter". Steerpike hat alles, außer Herkunft. Titus hat keine dieser Eigenschaften, will eigentlich gar nicht, muss aber.

Überhaupt sind die Bewohner von Gg größtenteils degeneriert und schwachsinnig: Lord, Lady, die beiden Tanten, der Protokollmeister, die Schwester des Arztes, Flay, die Nanny. Steerpike fühlt sich ihnen überlegen, ist aber eigentlich zu einer Existenz in der Küche verdammt. Der Schmerz über seine Ablehnung von Fuchsia ist echt, auch wenn er sie in seine Pläne mit einbaut. Überhaupt ist Gg ein Ort der Intrigen, und die meisten Opfer von Steerpike haben ihr Schicksal verdient.

Die Sache mit den Schwestern ist so eine perverse Psychogeschichte. Wieso wollen sie ihn umbringen, wenn sie denken, dass ihr Leben von ihm abhängt?

Halbwegs richtig ticken nur der Arzt, der Lehrer, Titus und Fuchsia. Die letzten beiden leiden darunter, dass ihre Existenz an einen verfallenen, gespenstischen Ort gefesselt ist, der von sinnentleerten Ritualen und Intrigen beherrscht wird. Fuchsias und Titus' Hauptproblem ist die Gefühlskälte, die ihre Position mit sich bringt. Das wird im Film vielleicht nicht so klar.