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Bedingungsloses Grundeinkommen
#51
Sehr interessant! Ich habe mich auch schon mal am Rande mit dem Thema Grundeinkommen beschäftigt und tatsächlich klingt es fast zu schön, um wahr zu sein. Und deswegen will ich jetzt auch hier mal für diese Idee Partei ergreifen und auf - meiner Ansicht nach - unzutreffende Kritik an einem System mit Grundeinkommen antworten.

(29.11.2008, 11:52)Begorn von Harden schrieb: Ich finde das mit dem Grundeinkommen gut. Es ist auch locker zu bezahlten, denn der Staat kann das Geld ja selber drucken. Führt zwar über kurz oder lang zu einer Inflation aber wen stört das schon. Ist auch super das wir keinen zwingen wollen die "Drecksarbeit" wie Toilettenputzen zu machen. Kann ja jeder selber tun. Es ist sicherlich klasse eine öffentliche Toilette zu besuchen. Mein Vorbesucher hat ja sicherlich alle seine Spuren beseitigt und den Boden gewischt. Und wenn ich feierabend mache und meinen Nachbarn sehe, wie er den ganzen Tag mit seinen Kinder spielt, weil die Leher in der Schule kurzerhand beschlossen haben die Arbeit niederzulegen, weil alles zu stressig ist, denke ich, ab morgen bleibe ich auch zu hause und kümmere mich nicht darum ob die Grundversorgung ausgezahlt wird. Kann ja mal ein anderer machen und in 3 Monaten suche ich mir vielleicht einen neune Job um meinen Urlaub zu finanzieren. Ich rufe gleich mal meinen Kumpel im Krankenhaus an, der mir am Telefon erzählt hat, dass er keine Lust hat den Blinddarmdurchbruch zu operieren. Der Hausmeister ist ja noch da. Der wollte das auch mal probieren.

Man darf nicht den Fehler machen, zu glauben, durch Einführung eines BGE gäbe es keine Arbeitsverträge mehr bzw keine Kündigungsfristen. Ein Arzt, der in einem Krankenhaus beschäftigt ist, darf also kaum kurz vor einer Operation nach Hause gehen, weil es ihm gerade zu stressig geworden ist. Die Frage ist jetzt, ob er es vielleicht trotzdem tun würde, weil ihn ja die Konsequenzen (gehen wir der Einfachheit halber mal davon aus, er würde nur seinen Job verlieren) nicht so hart treffen, wenn er durch ein BGE "versorgt" ist. Auch heute schon sind Fälle denkbar, in denen unser Beispielarzt den Verlust des Arbeitsplatzes nicht fürchtet, dann z.B. wenn er ohnehin schon gekündigt hat und er eine neue Stelle antritt oder wenn ihm gekündigt wurde. Trotzdem hört man selten, dass Ärzte an ihren letzten Arbeitstagen noch richtig die Sau rauslassen und bei Operationen lieber den Hausmeister vorschicken. Ähnlich wird es sich auch in anderen Berufen verhalten und das Prinzip, dass Verträge eingehalten werden müssen, würde auch in einem System mit BGE gelten.
Es ist eher zu vermuten, dass der Gesetzgeber einer Verschiebung der Kräfteverhältnisse am Arbeitsmarkt Rechnung tragen würde und so z.B. den allgemeinen Kündigungsschutz beschränken oder abschaffen würde. Nachdem uns jahrelang von der Arbeitgeber-Lobby eingetrichtert wurde, dass Deutschland wegen genau diesem Kündigungsschutz und einem allgemein zu unflexiblen Arbeitsmarkt international nicht konkurrenzfähig wäre, müsste eine solche Entwicklung für die Wirtschaft ja wie Weihnachten und Ostern an einem Tag (oder sagt man Weihnachten und Geburtstag?) in Euphorie versetzen. Deswegen kann ich auch nicht nachvollziehen, warum in einem System mit BGE alle Arbeitgeber abwandern sollten und unsere Wirtschaft zugrunde gehen sollte.
Einzig das Szenario, in dem keiner mehr arbeiten will, wäre wirklich ein Problem. Aber hier sollte man mal Vertrauen in die gute, alte und zuletzt wieder viel zitierte Gier und den Egoismus in unserer Gesellschaft haben. Allein die aktuelle Finanzkrise und die Tatsache, dass wir alle bei diesem schönen Spiel um immer höhere Renditen und immer mehr Gewinn und Wachstum mitgespielt und uns Luftschlösser haben bauen lassen und jetzt auf die bösen Investmentbanker und Bankmanager schimpfen, weil wir wegen ihnen Geld verloren haben, zeigt doch, dass wir nie zufrieden sind mit dem, was wir haben und immer mehr wollen. Wer Handwerker in seinem Bekanntenkreis hat (ideal sind vermutlich Schreiner/Dachdecker, Maurer, etc), kann die ja mal fragen, ob sie schonmal was "schwarz" gemacht haben. Vorausgesetzt sie sind nicht arbeitslos, haben ja auch die ein festes Einkommen, das zur Existenzsicherung reichen sollte und sind damit lebende Beispiele für Menschen, die mehr arbeiten, um mehr Geld zu haben.
Ich denke, auch mit einem Grundeinkommen (prinzipiell fast egal in welcher Höhe) wird der weitaus größte Teil der heute in Lohn und Brot stehenden Menschen weiterhin arbeiten. Zumindest die Hochqualifizierten, die gut bezahlte Jobs haben. Und für den Niedriglohnsektor haben wir ja ohnehin ein Überangebot an Arbeitskräften, da kann es nicht schaden, wenn sich ein paar dazu entschließen, sich vom Arbeitsmarkt zurückzuziehen. Sind das Alleinerziehende oder Eltern, die heute beide berufstätig sein müssen, um über die Runden zu kommen, ist das auch aus familienpolitischer Sicht zu begrüßen.


(29.11.2008, 21:40)Praiodan schrieb: Die Menschen sind nicht mehr arbeitsmarkttauglich, wollen auch nicht mehr arbeiten - aber natürlich so viel wie möglich für ihr BGE kaufen können (nennt sich ökonomisches Prinzip, 1. Semester VWL). Also werden sie den Discountern die Bude einrennen und qualitativ höherwertige und entsprechend dann teurere Güter (aus dem Biomarkt bspw.) links liegenlassen. Dies würde natürlich mittelfristig zu einer qualitativen Angebotsverarmung und zu einer quantitativen Anbieterkonzentration (Oligopole und evtl. sogar Monopole, die aber nur noch Schund zu Wucherpreisen anbieten) führen. Und hier dürfte die wahre Motivation des Herrn Prof. G. W. liegen - das BGE würde für einen relativ konstanten Umsatz in seinen Filialen (und in denen anderer Billigheimer) sorgen! Aber wenn man uns dann bspw. Gentechnik unbedingt aufdrängen will und kein Produzent und kein Anbieter von gentechnikfreien Bio-Lebensmitteln mehr am Markt sein wird, was machen wir dann?????

Ich sehe hier den konkreten Bezug zwischen dem von Dir beschriebenen Ausleben des ökonomischen Prinzips und dem BGE nicht. Auch heute kann man doch schon beobachten, dass den Discountern die Buden eingerannt werden und qualitativ Höherwertiges nicht gekauft wird. Glaubst Du, jemand der heute 1000 € netto hat, ändert seine Konsumgewohnheiten, wenn er dann 1000 € Grundeinkommen erhalten würde? Nur dann, wenn wegen des BGE viele Menschen (die vorher deutlich mehr als die Höhe des Grundeinkommens verdient haben) nicht mehr arbeiten gehen würden und dadurch weniger Geld zur Verfügung hätten, wäre diese Sorge berechtigt. Andererseits könnte man hoffen, dass diejenigen, die durch ein Grundeinkommen mehr Geld zur Verfügung hätten als vorher, auch mehr qualitativ höherwertige Produkte kaufen.
Das Ablehnen eines BGE ist nicht die Lösung für das Problem, dass immer mehr bei Discountern eingekauft wird, und andersherum: In einem System mit BGE wird dieses Problem nicht größer als in einem System ohne.
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