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Naturschutz in Selbstjustiz - ethisch gerechtfertigt?
Erstmal vielen Dank für eure Antworten :)

Wie ihr selber gemerkt habt besteht generell das Problem dass die breite Öffentlichkeit in aller Regel wenig bis keine Kenntnisse über zur Entscheidungsfindung wichtige Sachverhalte hat. Das ist auch völlig verständlich da jeder seinen persönlichen Fokus in anderen Themengebieten hat und jeder kann mir da im Hinblick auf seine Spezialisierung sicher recht geben. Ein Beispiel: Bevor ich mit dem Studium angefangen habe konnte ich kaum drei Baumarten auseinanderhalten :D

Im Hinblick darauf fällt es bei solchen Konflikten immer darauf zurück die für solche Entscheidungsprozesse nötige Unterstützung der Öffentlichkeit auf die Eine oder die Andere Art zu "erhaschen" und wie auch geschrieben wurde geschieht das auf beiden Seiten natürlich durch einseitige Argumente. Im Endeffekt finde ich es erfrischend zu lesen dass anhand der gegebenen Informationen und der Vergangenheit sich niemand zu einem abschließenden Urteil hinreißen lässt aufgrund der Informationen die hier präsentiert werden. Das tue ich im übrigen auch nicht, ich finde das Thema aber sehr spannend. Ich möchte nur klären dass ich keinesfalls den Landesforsten blind folgsam bin, nur weil sich das Wörtchen "Forst" in diesen Wissenschaftszweig einschleicht. Erst recht nicht den Bayerischen, ohne den Bayern zu nahe treten zu wollen, denn es ist leider ein Fakt dass der "Freistaat" in so vielen Belangen seine eigene Suppe kocht dass man selbst als einigermaßen Sachkundlicher "Außenstehender" vor einer Wand steht. Tatsächlich bin ich eher daran interessiert in solchen Naturschutzkonflikten zu vermitteln.

Argumentativ sehe ich einige Punkte bei denen man auf beiden Seiten nachhaken muss:

Ersteinmal, wie Rabenaas schon geschrieben hat, warum zum Geier machen die BaySF aus ihren Forsteinrichtungsdaten ein Geheimnis? Wald ist ein öffentliches Gut (auch privater) und die Landesforsten sind Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die Förster immernoch Beamte des deutschen Staates. Kein anderes Bundesland würde auf die Idee kommen diese Daten nicht öffentlich zu machen und dazu besteht ja auch überhaupt kein Grund. Die BaySF treiben hier einen Sachverhalt auf die Spitze, der mich zum Thema Forst, Naturschutz und Öffentlichkeitsarbeit stark beschäftigt: Es findet nämlich von Seiten der Forstleute viel zu wenig Öffentlichkeitsarbeit statt, dieser Fall hier führt das Ganze ad absurdum. Und wenn dort tatsächlich streng nach geltenem Recht verfahren wurde, wo ist das Problem die notwendigen Zahlen darzulegen? Forstleute und auch Jäger (letztere als 'Werkzeuge' der Förster) sind Dienstleister die letztenendes im öffentlichen Interesse handeln. Ein immernoch stark verbreiterter in der Historie bedingte Irrglaube sich in diesen Positionen irgendwie vom Rest des Bürgertums abzuheben führt hier eher zur Entfremdung und schürt damit Un- und Missverständnisse (die Amateurjägerschaft betrachte ich hierbei persönlich am kritischsten, aber das ist ein anderes Thema).

Warum wir Douglasien im Spessart brauchen erschließt sich mir persönlich auch nicht, das Thema ist aber tatsächlich ein heißes Eisen. Pragmatisch betrachtet ist der Baum tatsächlich ein Segen, allerdings sind Langzeitfolgen logischerweise nicht abzusehen. Mit praktischen Argumenten könnte man aber beide Entscheidungen rechtfertigen: Die Douglasie ist prinzipiell an vielen Stellen in Deutschland standortgeeignet obwohl nicht Teil der potentiellen natürlichen Vegetation. Die ausgezeichnete Wuchsleistung mit kurzer Umtriebszeit (wobei ich hier erinnern möchte dass wir von einem Zeitraum von mindestens 40 Jahren sprechen, in der Regel 60-80, hängt von Standort, Nutzung und Funktion ab) begünstigt die Fixierung von Co2, die schnelle Schaffung von ökologischen Pufferzonen (ein Mischwald ist einfach stabiler), bietet Boden- und Erosionsschutz und ist im Hinblick auf die zu erwartende Klimaveränderung eine nachhaltige Baumart.
Allerdings "gehört sie hier nicht her" und das birgt nicht zu unterschätze Risiken. Im ungünstigsten Fall gelingt spezialisierten Schädlingen irgendwann die Einreise mit katastrophalen Folgen, je nachdem in welchem Unfang die Douglasie jetzt gefördert wird. Außerdem weicht man von unseren heimischen Waldgesellschaften ab mit entsprechenden kulturellen und ökologischen Folgen.

Ist jetzt das Vorgehen der Aktivisten, ich meine die Setzlingaktion, hier 'sinnvoll'? Ich denke zu allererst sind Landfriedensbruch (das Betreten von Forstkulturen ist trotz freiem Betretungsrechtes der Wälder verboten) und Sachbeschädigung/Diebstahl generell eine ganz schwache Basis für Verhandlungen, erst Recht in einem Land wie Bayern. Dann ist die Frage ist es sinnvoll die Setzlinge auszureißen und gegen Buchen zu ersetzen? Aus rein ökologischer Sicht ist diese Frage schoneinmal nicht so einfach zu beantworten, die Situation kann besser beurteilt werden wenn die Versuchsanstalten mit ihren genetischen Untersuchungen der "Greenpeace-Bäume" fertig sind. Denn hierbei ist relevant zu wissen dass es in Deutschland ein Gesetz gibt welches sich eigens mit forstlichem Saat/Pflanzgut und deren Ausbringung/Pflanzung in deutschen Wäldern befasst mit dem Hintergrund dass eine "Rotbuche" genetisch nicht gleich eine "Rotbuche" ist sondern es natürlich eine Vielzahl von Provinienzen, also Herkünften/Abstammungen, gibt. Ob die Aktivisten hier "auf die Schnelle" an geeignetes Pflanzenmaterial gekommen sind oder ob die gesetzten Bäume ohnehin nicht für diesen Standort geeignet sind muss geklärt werden. Ich sage nicht dass die Staatsforsten hier für sich erheben können ebenfalls immer mit größter Sorgfalt gehandelt zu haben und bedenkt man die Informationspolitik die sie an den Tag legen will ich das mal stark anzweifeln, aber das ist ein Schnitzer den Greenpeace sich bei einer solchen Aktion nicht leisten dürfte.

Ebenfalls kritisch betrachte ich die Darstellung der Aktivisten die Staatsforsten hier auch emotional als das "Böse" darzustellen und Begriffe wie "Skandal" und "Profitgier" auf den Tisch zu legen. Wir reden hier von einem Wirtschaftszweig, der Forstwirtschaft, der mit Hängen und Würgen gerade einmal 1% (Ein Prozent) des Umsatzes des entsprechenden Wirtschaftsclusters generiert (die entsprechenden Daten entstammen der zweiten Bundeswaldinventur aus dem Jahre 2002, diese ist natürlich öffentlich Einsehbar u.A. auf www.bundeswaldinventur.de). Ebenso sind Wälder für den schnellen Profit nicht unbedingt geeignet, wenn man bedenkt dass Bäume im Schnitt zwei Generationen ausgedehnter Pflege bedürfen um einen nennenswerten Individualwert zu generieren. Stattdessen werden die Leute, finde ich, hier mit "Buzzwords" und spektakulären Bildern "geködert", denn diese spülen letzten Endes, auch das wurde gesagt, wieder Geld in die Kassen der Organisation.

Dabei wird von der Zerstörung 400 Jahre alter Buchenwälder gesprochen. Ein Buchenwald in diesem Alter befindet sich in der Zerfallsphase und ich kenne nieamnden der es in Betracht ziehen würde diese alten Bäume nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwerten, da speziell die Rotbuche über einem Alter von 160-180 Jahren als Wertholz nichtmehr interessant ist (Man beobachtet hier einfach langfristige, ökologische Prozesse die sich im Hinblick auf das Holz als Rohstoff wertmindernd auswirken und der Ernteeinsatz würde sich nicht mehr rentieren). Aber hier sei gesagt, ich weiß nicht wie man das in den BaySF handhabt, ich bin Niedersachse :D Das Auflichten von ohnehin wirtschaftlich genutzten Buchenflächen wurde von den BaySF aber fachlich korrekt mit dem Einstreuen von Eichen begründet. Die Eiche ist eine Lichtbaumart und würde von der Buche ansonsten ausgedunkelt. Hier besteht kein Anlass zu Kritik da generell Maßnahmen die die Diversität eines Waldes fördern, meiner Meinung nach, begrüßenswert sind solange auf ökologische und standörtliche Rahmenbedingungen geachtet wird (Douglasie hier ein Konfliktfall). Denn tatsächlich bedeutet höhere Diversität höhere Artenvielfalt und ein in Deutschland natürlich vorkommender Buchenwald (der daraus entsteht dass ohne menschlichen Einfluss die Buche einfach alles andere schlucken würde) hat tatsächlich eine geringere Artenvielfalt als ein naturnah bewirtschafteter Mischwald. Das ist Fakt, wobei zerfallende Wälder tatsächlich momentan betrachtet in etwa mit Mischwäldern gleichziehen. Wenn man nun mit dem Artenschutz argumentiert wirft man hier eine weitere Frage auf: Ist dem Artenschutz mit höherer oder mit spezialisierterer Artenvielfalt genüge getan?

Puh, viel geschrieben :) Aber ich denke es wird deutlich worauf ich hinauswollte. Ist es falsch die öffentliche Aufmarksamkeit auf so einen Konfliktfall zu lenken? Natürlich nicht. Aber sind die gewählten Methoden hier das beste Mittel? Mitnichten. Holzhammeraktionismus ist denke ich niemals angebracht.
"Ich bin ein Schwein, ich bin die Krone der Schöpfung... Willst du mich?" - Rainald Grebe
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RE: Naturschutz in Selbstjustiz - ethisch gerechtfertigt? - von Vangar Vega - 30.04.2012, 07:39
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