Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Unterwegs mit Zwergen
#21
Unterwegs mit Zwergen #19 – Der Name des Schiffs

Zwei Stunden war der Kutter bereits der Küstenlinie gefolgt – träge, schwankend, zäh. Ein schwimmender Husten. Furka stand an der Reling, kaute auf einem zu trockenen Stück Brot und spuckte über Bord, als ihm etwas auffiel: ein rundlicher, verfärbter Fleck auf dem Wasser, nicht größer als ein Teller, aber seltsam... leblos.

Der Kapitän – ein Mann mit schlechten Zähnen und einer noch schlechteren Meinung über das Meer – sah kurz hin, zuckte die Schultern und tätschelte mit einem halben Lächeln den Kopf seiner Enteraxt.
„Das kommt schon mal vor.“

Furka und Keldi tauschten Blicke.
Nicht zustimmend.
Nicht beruhigt.


---

Der Angriff kam in der Nacht.
Halbzeit der Reise.
Die Küste im Dämmerlicht, die Klippen der Hjaldorberge warfen lange Schatten auf das Meer.

Niemand schlief richtig. Der Laderaum war zu modrig, zu muffig, zu... lebendig. Also lag die Gruppe an Deck, in Decken gewickelt, halb dösend.

Dann – dieses Geräusch. Kein Knarzen. Kein Brechen.
Etwas... Zähes.
Und dann das Rucken. Das Schiff lief sacht in etwas hinein.

Furka war der Erste, der die Augen öffnete. Ein Reflex, vielleicht. Er richtete sich auf – und sah, wie sich die Tentakel über die Bordwand schoben.
Dann ging alles schnell.

Die tastenden Glieder griffen zu.
Packten.
Rissen.

Althea, noch halb in ihrer Decke, wurde von einem Fangarm erfasst, Archon gleich mit ihr. Tondar und Hurdin, eben noch dösend, sprangen auf – und wurden ihrerseits gepackt. Nur Furka, der sich gerade hatte aufrichten wollen, duckte sich rechtzeitig unter einem Tentakel hinweg und warf sich zwischen Althea und das schleimige Gliedmaß.

Keldi hatte seine Axt noch nicht ganz in der Hand, da riss der Krakenmolch Archon hoch, schleuderte ihn wie ein Spielzeug zurück aufs Deck – wo er hart aufschlug und liegen blieb.
Dann – eine Welle.
Zwei.
Ein Aufbäumen – und ein zischendes Knacken.
Mit einem einzigen Schlag fegte der Molch Hurdin und Tondar über Bord.

Hurdin schrie nicht. Tondar versuchte zu greifen, verfehlte – und klammerte sich dann doch an die Bordwand.
Ein Zwerg kann nicht schwimmen.
Aber kämpfen? Kämpfen kann er.

Furka und Althea rangen im Zentrum des Chaos mit dem Tentakel, das sie zu verschlingen schien. Ihre Dolche blitzten im schwachen Licht. Es war kein koordinierter Kampf – es war ein Überlebensinstinkt.

Keldi, der zuvor systematisch Tentakel abtrennte, warf schließlich die Axt von sich und griff nach Hurdins Arm.
Althea, die kaum mehr Luft bekam, murmelte verzweifelt ein Wort –
„Ignifaxius.“
Und plötzlich –
Feuer.
Schrei.
Der Tentakel zuckte zurück.

Furka taumelte.
Althea sackte zusammen.
Archon lag noch immer reglos auf den Planken.
Tondar keuchte. Hurdin hustete Meerwasser.
Keldi stand mit gespannter Armbrust am Bug – schweigend, wachsam.

„Der war kleiner als der andere“, murmelte jemand.

„Der Kahn ist aber auch kleiner“, kam es zurück.

„Vielleicht... ein Küstenkrakenmolch?“, fragte Archon, als er mit einem Rest vom Hjallander-Wein in den Kreislauf zurückgeholt wurde.

Niemand lachte.


---

Als die Küste von Skjal in Sicht kam, wurde kein Wort mehr gewechselt.
Die Gruppe verließ das Schiff, ohne sich umzusehen.

Nur Althea drehte sich ganz kurz.
Ein Gedanke formte sich, klar, bitter, wahr:

„Reist doch per Schiff“, hatte Garsvik gesagt.
„Das ist viel bequemer.“

Und dann gingen sie weiter.
Landwärts.
Lebendig.
Zitieren
#22
Unterwegs mit Zwergen #20 – Skjal, wenn nicht hier

Die Sonne war kaum über die Dachfirste gestiegen, als die Gruppe in Skjal an Land trat. Die salzige Gischt vom nächtlichen Überfall klebte noch in den Falten ihrer Kleidung, das Blut an Archons Stirn war nur notdürftig ausgewaschen. Doch ihre Schritte waren fest. Die Planken unter ihren Füßen hatten sich verändert – nicht mehr das weiche, feuchte Holz von Ottarje, sondern solides Dockwerk, Thorwaler Bauweise, gemacht für echte Stürme.

Skjal war nicht groß, aber es trug sich anders. Nicht besser als andere Orte – nur mit mehr Brust. Selbst die Möwen wirkten hier entschlossener.

Althea warf den Umhang über die Schulter, die Harfe an der Seite, den Stab in der Hand, und schritt voraus. Hinter ihr die Zwerge – nicht als Gefolge, sondern als Wand. Tondar und Keldi gingen breitbeinig, Hurdin und Archon etwas zurückhaltender, Furka wie immer zwischen Spiel und Ernst.

Sie fanden die Taverne schnell:
Der Alte Pirat – wettergegerbt, mit einem echten Walrossschädel über der Tür.
Drinnen war es dunkel, warm, mit dem Duft von Fischsuppe, Rauch und Salz. Der Wirt war stämmig, jovial – aber nicht aufdringlich. Er maß Althea mit einem kurzen Blick und schmunzelte. Vielleicht war es ihr Lächeln. Vielleicht ihr Auftreten. Vielleicht auch die Tatsache, dass nur wenige Gruppen so gemischt und doch so selbstverständlich wirkten wie diese.

„Zweites Haus an der Brücke“, sagte er, als Althea nach Jurge Thorfinsson fragte. „Hat euch der alte Isleif geschickt? Dann solltet ihr ihn nicht warten lassen.“

---

Das Haus war schlicht, aber gepflegt. Althea hob den Stab und klopfte zweimal – hart, aber nicht fordernd. Ein Moment Stille. Dann öffnete sich die Tür.

Jurge war jünger, als sie erwartet hatte – kaum älter als sie selbst. Groß gewachsen, mit klaren Augen und einem Blick, der sich nicht senken ließ. Seine Kleidung war schlicht, aber sein Auftreten hatte etwas von einem Mann, der nicht gehorcht, sondern überzeugt. Althea spürte es sofort – kein Gegner, aber auch kein Untergebener.

Sie nannte den Namen des Hetmanns. Zeigte das Empfehlungsschreiben. Ein kurzer Moment des Zögerns – dann ein Nicken, und ein Lächeln, das sich langsam in sein Gesicht schlich.

„Dann kommt herein.“

---

Der Raum war einfach, aber in den Regalen stapelten sich Karten, Schriftrollen, kleine geschnitzte Holzmodelle. Jurge sprach klar, mit der Sicherheit eines Mannes, der weiß, was er weiß.

Er kannte die Namen, die sie suchten:

– Yasma Thinmarsdotter, in Thoss
– Ragna Firunjasdotter, in Vidsand
– Swafnild Egilsdotter, auf See
– Algrid Trondesdotter, in Hjalsingor

Und dann – das Unerwartete:
Ein weiteres Fragment der Karte.
Althea nahm es mit beiden Händen, ehrfürchtig, als wäre es mehr als Pergament. Jurge beobachtete sie dabei.

„Grüßt den Hetmann von mir“, sagte er am Ende. Dieselben Worte wie der Kapitän der Skjaldbrud.

Althea lächelte.
Skjal. Wenn nicht hier – wo dann?

---

Als sie wieder auf die Straße traten, legte sich für einen Moment die Stille über die Gruppe.

Sie hatten nicht nur Informationen erhalten –
sie hatten Haltung gefunden.
Einen Ort, der sie ernst nahm.
Eine Stimme, die nicht fragte, ob sie Helden waren.
Sondern ihnen einfach zuhörte.

Skjal war kein Zufall.
Skjal war ein Schritt in Richtung Geschichte.
Zitieren
#23
Unterwegs mit Zwergen #21 – Hafen der Begegnungen

Es war später Vormittag, als die Gruppe Prem erreichte. Der Küstensegler hatte mit straffer Segelstellung das Meer durchpflügt und bog nun um die schroffen Klippen der Trebaner Halbinsel, die wie ein Wellenbrecher in den Golf von Prem ragten. Hoch über ihnen thronte die Trutzburg, das Wahrzeichen der Stadt – mit ihren Zinnen, dem Tempel der Rondra in der Bastion und einem vorgelagerten Swafnirdom, der über die See wachte. Von dessen Kuppel schoss zu jeder vollen Stunde eine Fontäne in den Himmel – ein Gruß an den Gottwal und ein Zeichen für alle Seefahrer, dass sie unter seinem Schutz standen.

Prem war kleiner als Thorwal, aber geschäftiger, weltoffener. Während Thorwal den Eindruck einer stolzen, ruhenden Hauptstadt vermittelte, vibrierte Prem wie eine Drehscheibe – für Handel, für Geschichten, für Zufälle. Schon beim Anlegen fiel Althea auf, dass man sich in Prem mehr beobachtete, einander einschätzte. Nicht mit Misstrauen, sondern mit Neugier.

Sie schlenderten durch das untere Hafenviertel, über den breiten Markt, der zwischen Kai und Klippen lag. Es roch nach frischem Fisch, Gewürzen und kaltem Metall. Keldi und Hurdin ließen sich von einem Händler neuartiger Ballestras beraten, Furka streifte durch die Gassen auf der Suche nach etwas Essbarem, das weder gesalzen noch getrocknet war. Archon hatte nur ein Ziel – „Der Einbeinige“, ein berüchtigter Kräuterladen, versteckt in einem Nebengässchen. Dort erstand er mehrere Phiolen, und seine Augen funkelten wie bei einem Kind vor der Bescherung.

Althea aber blieb am Stand eines Händlers aus Khunchom stehen, ihre Finger strichen über einen Ballen purpurner Seide, und für einen Moment verlor sie sich in Erinnerungen an goldene Dächer, Marmorbögen und die warme Brise der Küstenstadt ihrer Jugend.

---

Die geteilte Nacht

Am späten Nachmittag trennte sich die Gruppe. Althea, Archon und Hurdin wandten sich der Taverne „Bei Hjalskes“ zu – ein ruhiges Haus, etwas erhöht gelegen am Fuße der Klippen, wo sich die Straße nach Skjal in Serpentinen emporwand. Hier kehrten Kaufleute ein, hier wurde leise gesprochen, getrunken, diskutiert. Hurdin schien sich wohler zu fühlen als erwartet, nippte an einem Glas „Premer Feuer“, und als Althea die Harfe zückte, spürte selbst das Personal einen Hauch von Fernweh. Sie spielte eine Weise aus Tobrien, und das Publikum schwieg – andächtig, fast gerührt.

Zur gleichen Zeit tauchten Furka, Keldi und Tondar in den Lärm der „Alle Winde“ ein – eine Hafenkneipe, rau, voll, lebendig. Matrosen, Glücksritter, Händler – alle vereint im Klang von Krügen, Flüchen und Geschichten. Furka fand rasch Anschluss an ein Boltan-Spiel und gewann Runde um Runde, während Keldi und Tondar versuchten, zwischen dem Lärm Gespräche zu führen. Als der Abend kippte, kam es, wie es kommen musste: Streit am Spieltisch. Handgemenge. Tumult. Keldi packte Furka im richtigen Moment, Tondar hielt die Tür auf, und mit einem letzten Faustschlag gegen die Schulter eines übereifrigen Matrosen standen sie wieder draußen – zerzaust, aber stolz.

Die beiden Gruppen trafen sich vor der Herberge „Zur Trutz“, einem Gasthof innerhalb der Vorburg der Trutzburg, direkt neben dem Rondra-Tempel. Ein kurzer Blick, ein Nicken – keine Worte nötig. Nur Altheas leichtes Lallen verriet, dass auch „Bei Hjalskes“ nicht gänzlich alkoholfrei war.

---

Reisepläne

Sie blieben zwei Tage in Prem. Die Stadt hatte sie eingefangen – mit ihrer Offenheit, ihren Gegensätzen. Doch dann, mit frischen Vorräten und wieder gefüllten Beuteln, suchten sie einen Fischer, der sie weiter entlang der Küste bringen konnte. Die nächste Etappe sollte sie zur Insel Runin bringen.

Furka Frage war „Was?“
und
„Was sollen wir denn da?“

Furka ließ sich zurück plumpsen, seufzte und murmelte: „Nächste Mal kaufe ich mir ein eigenes Schiff.“
Zitieren
#24
Unterwegs mit Zwergen #22 – Die Stille vor dem Sturm

Der Wind stand günstig, und das Wasser war glatt wie poliertes Glas, als der alte Fischer sein Boot ein weiteres Mal in die See stieß – diesmal mit der Trebaner Halbinsel im Rücken, die Gruppe fest an Bord. Aryn verblasste rasch, wie der Nachhall eines Gedankens, der sich beim Aufwachen verliert. Althea saß vorn an der Reeling, ihr Blick zum Horizont gerichtet, wo die dunkle Linie Runins schon zu erahnen war. Neben ihr ruhte Archon mit geschlossenen Augen – der salzige Wind schien ihm mehr zu geben als jede Tinktur.

Furka schnaufte. „Das war Aryn“, sagte er, als müsse er das Kapitel selbst beschließen. Und dann, eine Weile später, als das Meer sanft gluckerte: „Es kann nur besser werden.“ Niemand widersprach.

---

Runinshaven – Der tiefste Punkt

Runinshaven lag wie eine funktionale Geste am nördlichen Zipfel der Insel. Kein Dorf, keine Straßen – nur Kai, Lagerhäuser, ein paar Karren. Und die Taverne. Furka, der sich beim Einlaufen des Bootes bereits misstrauisch vorbeugte, zuckte zusammen, als der Fischer erwähnte, dass es hier keine Herberge gäbe.

„Was?!“, kam es fassungslos. „Was ist das für ein Ort?!“

„Ein Ort, an dem man bleibt, solange das Schiff lädt“, entgegnete der Fischer trocken. Doch bevor Furka seinen Unmut in Worte fassen konnte, hatte Althea bereits den Golddukaten gewechselt – unauffällig, elegant – und der Fischer lächelte. „Ich warte. Aber nicht zu lange.“

Mit diesem Versprechen hellte sich Furkas Stimmung merklich auf. Und tatsächlich – der Hafen war in Bewegung. Ein Schiff hatte soeben entladen, ein anderes lag bereit zum Ablegen. Seeleute zogen fluchend und lachend in die Taverne, und ehe jemand reagieren konnte, war Furka Teil dieses Stroms – ein Tropfen in der Flut.

Die „Taverne zum Golf von Prem“ war laut, warm, überfüllt – aber lebendig. Furka saß bald mit einem halben Dutzend Seeleuten am Tisch, Würfel flogen, ein Becher nach dem anderen wurde geleert, und Keldi und Tondar mussten mehrfach ansetzen, um ihn aus einem sich anbahnenden Streit zu ziehen. Archon versuchte, dem Wirt Informationen über die Insel zu entlocken – doch es blieb bei losen Gerüchten und einem Achselzucken: „Runin? Da gibt’s nur den Leuchtturm. Und das, was dahinter liegt… geht euch nichts an.“

Als die Hafenwachen das letzte Schiff für die Nacht ausriefen und der Wirt die Taverne räumte, fanden sich alle wieder auf dem dunklen Kai ein. Der Fischer wartete unter einem Steg, die Laterne seines Bootes war das einzige Licht weit und breit.

---

Leuchtturm Runin – Der Außenposten

Als sie aufwachten, hatten sie die halbe Insel umrundet. Der Fischer nickte ihnen zu, als sie aus den Decken krochen, und deutete stumm auf das Land voraus. Der Leuchtturm stand einsam auf einem windumtosten Felsen, das Meer der Sieben Winde rauschte dahinter, endlos, formlos. Es war der Rand der bekannten Welt – zumindest für Thorwaler Verhältnisse.

„Hier ist Endstation“, sagte der Fischer. „Ich fahr jetzt fischen.“

„Hütet euch vor dem Krakenmolch!“, rief Keldi ihm hinterher, halb im Spaß, halb in Erinnerung.

Die Gruppe stand da. Nur Wind. Nur Wellen. Nur Stein.

Althea war es, die als Erste die Stille brach. Sie kam aus einem kleinen Versorgungsschuppen zurück, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und ein Schimmer lag in ihren Augen.

„Der Händler dort… er hat es bestätigt. Garsviks Geschichte. Das alte Versteck. Die Piratenhöhle.“

Ein Innehalten. Die Luft knisterte.

„Irgendwo hier auf Runin“, sagte sie leise, „liegt etwas begraben, das nie hätte vergessen werden dürfen.“

Furka fuhr herum, der Wind zerzauste sein Haar. In seinen Augen: Licht. Kein Lachen. Kein Spott. Nur dieser eine Ausdruck: Jagdfieber.

„Na endlich.“

Und mit einem Mal war die Leere verflogen.

Vor ihnen lag die Insel.
Und irgendwo darin:
Die Dunkelheit der Vergangenheit.
Und das Versprechen von Gold.
Zitieren
#25
Unterwegs mit Zwergen #23 – Asche, Flammen, Finsternis

Runin war still. Der Wind strich kaum hörbar durch das spärliche Geäst, das den felsigen Höhenzug der Insel säumte. Als die Gruppe jenen dunklen Felsspalt erreichte, aus dem der Pfad nach unten führte, war da nicht das Gefühl von Entdeckung. Es war ein Sog. Kein Ruf, sondern ein Ziehen – nach unten, dorthin, wo der Stein nicht nur kalt, sondern... geprägt war.

Die ersten Räume schienen, wie erwartet, von Piraten genutzt worden zu sein. Truhen, Schlaflager, ein schmaler Aufenthaltsraum. Und doch war da dieses Flimmern im Hinterkopf. Dieses leichte Schwanken, als würde sich etwas unter der Oberfläche regen. Zwei Piraten versuchten, den Zugang tiefer in die Anlage zu versperren. Vergeblich. Doch Tondars Bemerkung blieb haften: *„Hier ist seit Langem keiner mehr lang.“*

Sie gingen weiter. Der Gang wurde enger, dann wieder weiter. Hallen taten sich auf – groß wie Schreine, aber leer. Grob behauene Stufen führten tiefer, dann ein kurviger Gang, übersät mit Fallen, deren Konstruktion älter wirkte als jede Piratenkunst. Am Ende ein Vorratsraum – Tränke, alchemistisch und unheimlich rein. Nicht aus dieser Zeit.

Und dann geschah es.

---

Der Dämon

Die Halle war weit und voller Schatten. Zwei Augen leuchteten auf – ein schwarzes Gewand, ein zuckender Lichtblitz: Schwert und Peitsche. HESHTHOT, donnerte es in Altheas Verstand, ein Name, nicht ausgesprochen, sondern hineingebrannt.

Die Zwerge wichen instinktiv zurück. Althea trat vor. Ihre Faust schloss sich, der Zauber entfesselte sich. Der Dämon zerfiel – nicht einfach. Es war, als risse jemand ein Siegel auf. Das Schwert klirrte auf den Boden. Die Peitsche windete sich noch eine Weile.

Niemand rührte sie an.

*„Welche Piraten lassen sich mit Dämonen ein?“* Es blieb unbeantwortet.

---

Die Alkoven

Dann kam der Gang.

Er war nicht breit, nicht lang – aber rechts und links: Nischen. Schatten. Stille. Doch als sie mittig schritten, wurde der Raum lebendig.

Ein Kratzen. Ein Zischen. Bandagen knisterten, Knochen ächzten. Mumien.

Sie kamen von allen Seiten. Furka drehte sich, Keldi wich zurück. Die Zwerge formten ein Quadrat, Rücken an Rücken. Die Dolche klirrten, Bolzen schlugen ein. Und inmitten der Flammen, Asche, Schreie – Althea.

Sie brannte.

Ein Flammenstrahl auf die Mumie vor Furka. Zwei weitere schossen an Archon vorbei, der sich hechtend zu Boden warf. Eine Phiole klirrte auf den Stein. Althea atmete stoßweise. Noch ein Strahl. Noch einer.

Eine Mumie ging brennend zu Boden. Dann war es still. Nur Rauch.

---

Aber es war nicht vorbei.

Ein schleifendes Geräusch. Weitere Mumien schälten sich aus der Schwärze.

Althea warf sich vor Archon. Ein Flammenstrahl. Noch einer – über ihre Schulter. Die Umhüllung brannte, brannte hell, das Holz ihres Stabes glühte. Die Zwerge errichteten eine Linie, rangen mit bloßen Händen und klirrenden Klingen. Keldi wurde in die Enge gedrängt – *„Keldi!“*, schrie Althea. Und der letzte Strahl – der Letzte – verbrannte das Unheil.

Dann – nur noch ihre Stimme.

Nur noch Furkas Hände an ihren Schultern.

Und als Althea aufblickte, waren ihre Augen schwarz.

Nicht verletzt. Nicht verwundet. Nur leer – wie aus einem anderen Ort blickend.

---

Die Basilika

Sie verließen den Gang. Die Luft war stickig, das Licht spärlich. Die große Halle vor ihnen: rau behauen, mit mächtigen Pfeilern. Eine Basilika – keine natürliche Höhle mehr. Archon sprach leise. *„Diese Alkoven... das war keine Piratenkunst. Das war Bannwerk.“*

Im Süden: Kammern. Hinterräume. Räume voller Moder. Und weitere Untote.

Zombies. Skelette. Mumien.
Welle um Welle.
Und diesmal war es anders.

Furka und Keldi warfen sich schützend vor Althea, die zurückhielt – gebrochen? Oder wachsam? Die Zwerge kämpften, formierten sich, das Echo ihrer Bolzen hallte wie Glockenschläge durch das Steinrund.

Keldi schwieg. Seit jenem Gang hatte sich etwas in ihm verändert. Archon zwang ihm Heilkräuter auf, doch seine Augen blieben starr – suchend.

---

Der Abstieg

Ein letzter Raum. Eine weitere Kammer. Kämpfe, enge Gänge, der Geruch von alten Fellen und fauligem Stein.

Dann, eine Tür.

Althea war es, die sie als Erste sah. *„Dort…“*, hauchte sie.
Furka nickte.
Sie traten näher.

Eine Treppe.
Hinab.

Kein Wort. Nur Blicke. Nur das Wissen: *Nie wieder durch die Alkoven.*

Und die Gewissheit: Was sie bis hierher geführt hatte, war nicht mehr Gier. Nicht mehr Auftrag.
Es war die Erkenntnis, dass das, was unter ihnen lauerte, vielleicht… etwas war, das sie nie hätten wecken dürfen.

Aber jetzt waren sie da.
Und niemand wollte mehr umkehren.
Zitieren
#26
Unterwegs mit Zwergen #24 – Das letzte Licht von Runin

Sie hatten die Tiefe betreten in der Annahme, auf Piraten zu stoßen. Räuber, Halsabschneider, Gold. Vielleicht eine Falle oder zwei. Was sie fanden, war ein anderes Kapitel der Welt.

Es begann mit Schwefel.
Furka war der Erste, der es roch. „Riecht ihr das?“, hatte er gefragt, eher ungläubig als vorsichtig. Doch keiner antwortete, denn alle hörten es: Ein Rasseln, weit unten, wie Ketten auf Fels. Ein Klang, der sich in die Nerven schlich. Kein Klirren, sondern… Geduld.

Die Stufen, die sie dann hinabstiegen, wirkten wie aus einer anderen Zeit. Nicht wie Zwergenwerk, sondern wie etwas, das sich in Stein gebrannt hatte. Sie kamen in eine Höhle, deren Wände das eigene Licht zu schlucken schienen – bis der Raum selbst zu leuchten begann.

Furka war vorgelaufen. Aus Instinkt, aus Gier, aus Pflicht. Aber als er den Schatz sah, vergaß er zu atmen. Es war nicht das Gold. Nicht die Phiolen. Nicht einmal die seltenen Edelsteine, die selbst einen Zwergenmeister hätten weinen lassen. Es war das Wesen, das darauf ruhte.

Ein Drache.
Nicht in Glanz und Zorn. Sondern in Dunkelheit und Würde.
Nicht aus Märchen. Sondern aus Geschichte.

Die Gruppe kam hinzu, stumm. Althea war es, die das Schweigen durchbrach. Der Drache sprach. Und sie antwortete.
Ein Pakt.
Freiheit gegen Schlüssel.
Gnade gegen Mut.

Dann das Geräusch. Schritte. Stimmen. Flüche. Die Piraten, die ihn einst gefesselt hatten, kehrten zurück. Die Gruppe wartete in der Dunkelheit. Die Zwerge mit angehaltenem Atem, Althea mit einem Blick, der Funken trug.

Der Kampf war kurz. Brutal. Archon in den Schatten. Die Brüder in Linie. Althea inmitten der Flammen.
Dann war es vorbei.

Der Schlüssel…
Ein Klick, ein sirrendes Echo wie aus einer anderen Welt – und der Drache war frei.

Er sprach noch einmal. Von Dank. Von Wehmut. Und von Aufbruch. Dann entfaltete er seine Schwingen, erhob sich durch die Höhlendecke und verschwand in der Nacht. Nur der Glanz seines Schatzes blieb.

Die Gruppe blieb zurück.
Kein Weg durch die Decke.
Und… niemand wollte durch die Alkoven zurück.

Sie suchten. Stundenlang. Durchschritten jeden Winkel der Tiefe. Fanden schließlich eine Nische in der südlichen Wand, und eine Treppe, die nach oben führte. Jüngerer Bau, schwer verbarrikadiert. Sie drückten sich hindurch… Und fanden sich wieder:
Am Rand des Alkovenganges.

„Das ist doch der Gang zu den Alkoven!“, flüsterte Althea.
„Aber von dieser Seite“, antwortete Furka trocken.

Sie sahen sich an. Dann stemmten sich drei Zwergenrücken gegen die schweren Türflügel.
Ein Knarren, ein Dröhnen.
Althea trat vor, ritzte mit ihrem Stab ein Zeichen in das Holz. Ein Bann. Kein Schutz. Eine Warnung.

Niemand sollte je wieder hier eintreten.

Dann, Stufen. Grob gehauen. Und oben: fahles Mondlicht.
Sie verteilten Proviant, legten sich nieder.
Unruhiger Schlaf, voller Asche, voller Träume.

Sie verließen Runin am Morgen.
Müde.
Aber verändert.

Und weit hinter ihnen, verborgen im Dunkel, lag ein Tor, das sich nur mit Magie öffnen ließ. Und selbst dann – wer wollte es noch?
Zitieren




Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 2 Gast/Gäste