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Unterwegs mit Zwergen #59
(Versatzstücke)
Der Vormittag in Kord war von geschäftigem Treiben erfüllt. Schon von der Herberge aus hörte man das Rollen von Wagenrädern über Pflaster, das Rufen der Händler und das Klirren von Tauwerk vom Hafen herüber.
Die Zwerge waren früh verschwunden – mit festen Schritten in Richtung des großen Warenumschlagplatzes, die Absicht deutlich im Gesicht: Vorräte auffüllen, Nägel mit Köpfen machen.
Althea dagegen blieb zurück, den Zauberstab locker in der Hand, und wartete, bis Curian seine Robe übergeworfen hatte. Er wirkte so, als hätte er keine große Lust auf den Gang, aber der Gedanke an Wein erhellte seine Miene merklich.
Der Weg zum Weinlieferanten führte sie durch enge Gassen, vorbei an Läden mit aufgestapelten Ballen, Fässern und Kisten. Die Luft war erfüllt von einer Mischung aus Salz, Teer – und irgendwo brannte jemand Fischreste in einem Räucherofen ab.
„Der Großmast versteht etwas von Qualität“, murmelte Curian, während er sich durch die Menge schob. „Wenn man schon in einem thorwalschen Hafenstrandnest festsitzt, dann wenigstens nicht ohne eine Flasche, die es wert ist, geöffnet zu werden.“
Althea lächelte, folgte ihm, und bald standen sie in einem kühlen, halbdunklen Kellergewölbe. An den Wänden stapelten sich Fässer, in Regalen ruhten Flaschen mit rotem Siegelwachs, die Etiketten sorgfältig von Hand beschriftet.
Der Händler, ein drahtiger Mann mit nivesischen Zügen, erkannte Curian sofort – wohl kein seltener Kunde – und legte zwei Flaschen auf die Theke, deren Glas im Halbdunkel schimmerte.
„Die eine für heute,“ meinte Curian, während er die Münzen zählte, „die andere… wer weiß, ob wir die Geduld dafür haben werden.“
Althea ließ den Blick schweifen, über Holz, Korken und Etiketten, und dachte unwillkürlich an die langen, dunklen Nächte von Thorwal. Dies hier war anders – heller, leichter, beinahe mit einem Hauch südlicher Kultur.
Als sie wieder hinaustraten, umfing sie die Sonne von Kord. Die Stimmen vom Markt drangen herüber, die Stadt wirkte lebendig, selbst an diesem Vormittag.
„Ein guter Anfang,“ sagte Curian, und Althea hob die Braue: „Ein Anfang wovon?“
Er lachte nur leise, schüttelte den Kopf, und beide schlugen den Weg zurück zum Großmast ein.
Im Großmast war der Mittagsandrang beinahe schon Routine. Kaufleute schoben sich mit Schreibtafeln und Boten in die Stube, der Duft von gebratenem Fisch und frischem Brot hing schwer in der Luft. Die Gruppe rückte an einem langen Tisch zusammen, das Essen war reichlich und kräftig – und wie so oft waren es die Zwerge, die mit zufriedenen Lauten ihre Teller leerten.
Archon zog sich danach mit einem kaum hörbaren Seufzen in die oberen Gemächer zurück, ein Stapel Pergamente und kleine Phiolen unter dem Arm. „Arbeit ruht nicht“, murmelte er.
Althea dagegen blieb unten, wartete, bis Curian die zweite Flasche aus der Tasche zog. „Voller Thin?“ – Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
Der Nachmittag war golden, die Sonne stand warm über den Gassen, die Pflastersteine glühten beinahe. Der Weg durch Kord war lebendig, aber nicht überfüllt. Marktstimmen, Kinderlachen, das Klirren von Metall irgendwo von einer Schmiede – all das fügte sich in eine sommerliche Harmonie.
Die Taverne Voller Thin war schattig und einladend. Nicht überfüllt, eher gedämpft – die Art von Ort, in der Stimmen tiefer und das Lachen weicher werden. Ein paar Seeleute in einer Ecke, zwei alte Männer mit Würfeln am Fenster, einige Bürger, die auf ein Glas Wein hereingekommen waren.
Althea ließ den Blick schweifen, bevor sie ihre Harfe nahm. Zuerst nur ein leises Zupfen, ein Proben der Saiten – und dann begann sie zu spielen. Es war kein Lied für die Menge, keine Aufführung. Eher eine Zwiesprache mit sich selbst, Töne, die wie Kreise auf Wasser liefen.
Nach einigen Minuten wechselte sie den Platz, setzte sich auf die Bank am Kamin. Dort, leicht im Schatten, spielte sie weiter, die Augen halb geschlossen, die Finger beinahe automatisch geführt.
Die Stimmen im Raum verklangen nach und nach. Die Würfel verstummten. Selbst draußen auf der Straße blieben Menschen stehen, schauten neugierig durch die offene Tür.
Curian saß zurückgelehnt, den Becher in der Hand, und beobachtete. Kein Lächeln, aber etwas in seinem Blick veränderte sich – ein leises Anerkennen, vielleicht sogar Respekt. Er verstand, dass diese junge Frau, die sich so unbedarft in die Gefahren der Welt gestürzt hatte, mehr war als eine unerfahrene Idealistin.
Hier, in der Musik, offenbarte sich ein Kern – ein innerer Halt, eine Ruhe, die er nicht erwartet hätte.
Er nahm einen Schluck Wein, nickte beinahe unmerklich für sich. „So also,“ murmelte er leise, „so trägt man die Welt.“
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Der Voller Thin liegt im goldenen Nachmittagslicht. Türen offen, Staubkörnchen tanzen in der Luft, Stimmen sind gedämpft. Althea und Curian nehmen den Tisch nahe beim Kamin; die Harfe lehnt am Stuhl, Curians Stab an der Wand. Der Wirt bringt Wein—„den guten“—und zwei Becher.
Althea spielt erst nur für sich: ein leises, wanderndes Motiv, das wie ein Atemzug durch den Raum geht. Gespräche verstummen, ohne dass jemand darum bittet. Curian sitzt still, die Finger wie eine Brücke über dem Kelch, und lauscht mit dieser konzentrierten Ruhe von Menschen, die sonst alles kommentieren.
Als die Sonne kippt, wird aus Musik Gespräch. Kartenfragmente, Namen an der Küste, falsche Fährten und richtige Entscheidungen. Curian stellt die härteren Fragen, Althea antwortet ohne Ausflüchte. Ein zweiter Krug. Später lacht er einmal leise, fast überrascht—nicht über einen Witz, sondern über das Gefühl, wieder gern zu hoffen.
Mit Einbruch der Nacht ist der Voller Thin halbleer, die Lampe über dem Tresen brennt weich. Der gute Wein ist kein Prahlhanswein: er steigt erst spät in den Kopf. Altheas Wangen sind warm, Curians Blick glänzt. Sie bestellen doch noch „den kleinen letzten“. Der Wirt nickt, als wüsste er, dass es nie bei einem letzten bleibt.
Währenddessen drückt die Tür des Weiten Meer die Luft wie ein Blasebalg nach draußen—voll, laut, lebendig. Hier riecht es nach Salz, Bier und Rauch. Die drei Zwerge plus Furka bahnen sich ihren Weg zu einem freien Tisch.
„Wer hat Mut?“ klackt Furkas Würfelbecher. Zwei Kaufleute und ein Steuermann setzen sich, erst feixend, dann fokussiert. Die Kanne Bier landet, Hurdin stellt sie hin wie ein Anker. Keldi sitzt breit, sagt wenig, sagt aber alles mit seinem Blick. Tondar beobachtet die Tür, das Fenster, das Spiel—die Welt mit drei Achsen.
Die Würfel fallen gut. Zu gut, findet einer, bis Keldi sein Kinn nur einen Daumen breiter hebt. Der Mann vergisst seinen Gedanken. Das Gold klimpert, die Laune steigt, die Lieder werden gröber. Ein paar Strophen später ist der Tisch ein Inselchen im Lärm, und Furka grinst mit jenem zufriedenen, fast kindlichen Grinsen, das die anderen nie ganz verbieten konnten.
Kurz vor Mitternacht klappt der Becher noch einmal. „Genug für heute“, brummt Hurdin. Niemand widerspricht.
Die Gassen von Kord sind stiller als ihre Tavernen. Die vier Zwerge kommen zuerst beim Großmast an; ein letztes, trockenes Brummen, dann verschwinden sie hinter der Tür.
Später, deutlich später, stolpern Althea und Curian herein—nicht lallend, aber weich. Der Wirt hebt eine Augenbraue und stellt wortlos Wasser hin. Althea lächelt dankbar, Curian hebt den Becher wie in einer stillen Liturgie des Spätabends. Zwei Schatten auf der Treppe, ein letztes Holzknarren, dann Ruhe.
Die Stadt atmet. Die See draußen murmelt. Und irgendwo in den Kellern des Großmast liegt noch eine Flasche, die morgen vielleicht wieder eine Geschichte aufkorkt.
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Die Tür zum „Großmast“ quietschte, als Keldi, Hurdin und Tondar mit schwerem Schritt zurückkehrten. Die Sonne stand schon hoch, aber im Gastraum war es dämmrig, die Fensterläden nur halb geöffnet. Am Tisch in der Ecke saß Archon, die Pfeife im Mundwinkel, und hob kurz die Brauen, als die drei an ihm vorbeidrängten.
„Platz da,“ brummte Hurdin, während er ein schweres Bündel ablegte. Sechs sorgsam geschnürte Proviantpakete, sauber beschriftet vom Markt. „Das reicht bis Prem.“
Tondar schob grinsend ein zweites Paket auf den Tisch. „Und das hier… für den Herrn Magister.“
Curian blinzelte schläfrig von der Treppe herunter, noch im Halbdunkel, die Haare wirr. Keldi griff in den Sack und zog die Decke hervor: dick, flauschig, ein nivesisches Stück Handarbeit, Muster wie ineinanderlaufende Runen, blau und weiß verflochten.
„Haben wir extra geholt,“ sagte Keldi knapp. „Wenn du schon mit uns über die Handelsstraße stapfst, dann frierst du wenigstens nicht.“
Curian hielt einen Moment inne, strich mit den Fingern über die feine Wolle, und neigte schließlich den Kopf – ernst, ohne Worte.
„Mach dir nichts draus,“ brummte Hurdin, „wir haben auch nur gedacht: besser du schnarchst warm, als dass wir dich unterwegs als Eiszapfen hinter uns herziehen.“
Tondar lachte tief und griff zum Bierkrug. „Passt schon. Die Decke ist stärker als du.“
Und so lag sie bald ausgebreitet über Curians Bett – nicht nur als Schutz gegen die Kälte, sondern als stilles Zeichen, dass die Zwerge ihn längst aufgenommen hatten.
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Unterwegs mit Zwergen #60
(Versatzstücke)
Sie brachen am nächsten Morgen auf. Die Zwerge schritten munter aus, froh festes Land unter den Füßen zu haben, zumal sie dem südlichsten Ausläufer der Hjaldorberge zustrebten. Althea und Curian schritten am Ende der Gruppe schweigend dahin, die Stäbe klackten im Einklang. Die Handelsstraße war gut, ähnlich der zwischen Thorwal und Oberorken. Am Nachmittag kamen sie an die Herberge "Adlerfels", die zwischen Bäumen an einem Einschnitt vor Anstieg in die Berge lag und kehrten ein. Curian schien hier bekannt, denn der Wirt nickte nur und fragte "Das übliche Zimmer?". "Wenn wir morgen früh den Stieg über die Berge angehen, kommen wir bei Einbruch der Dunkelheit in Prem an..." erzählte Curian beim abendlichen Essen. Auch der nächste Tag verging ohne Zwischenfälle und nach einem Tagesmarsch lagen der Golf von Prem, und an der Küste, Prem, unter ihnen...
Am Morgen des Aufbruchs knarrten die Lederbänder, als die Zwerge ihre Riemen fester zogen. Sie stapften los, entschlossen, als ob sie das Meer und seine Tücken endgültig hinter sich lassen wollten. Der Weg führte über festes Pflaster, gesäumt von Buschwerk und lichten Hainen – die vertraute Sicherheit einer Handelsstraße, die schon seit Generationen begangen wurde.
Althea und Curian gingen schweigend am Ende der Reihe. Ihre Stäbe klackten im Gleichmaß, fast wie ein heimlicher Dialog. Ab und an huschte ein Blick zwischen ihnen – nicht Worte, sondern ein stilles Einverständnis.
Die Herberge „Adlerfels“ empfing sie wie ein alter Bekannter. Zwischen knorrigen Bäumen an einem Einschnitt gelegen, strahlte sie Geborgenheit aus. Der Wirt nickte Curian nur knapp zu: „Das übliche Zimmer?“ – als sei der Magier schon oft hier abgestiegen. Ein Gefühl von Wiederkehr lag in der Luft.
Am Kaminfeuer beim Abendessen sprach Curian gelassen, beinahe beiläufig: „Morgen nehmen wir den Stieg. Mit etwas Glück erreichen wir Prem bei Einbruch der Dunkelheit.“
Und so geschah es. Der nächste Tag verstrich ohne Zwischenfälle, ein klarer Sommerhimmel über ihnen, der Stieg trocken und fest. Gegen Abend lichtete sich das Gebirge, und der Blick weitete sich.
Unter ihnen lag der Golf von Prem, schimmernd wie flüssiges Silber im Abendlicht. Und dort, an der Küste, Prem – Dächer und Türme, die Flammen der Herdfeuer, der schwache Schimmer von Segeln im Hafen.
Sie machten sich auf den Weg durch die abendliche Stadt bis zur Herberge Premer Hof, die so Curian "ein Stück Mittelreich in Thorwal" sein sollte. "Na ja, einigermaßen erträglich hier", wie Keldi bestätigte. Sie fielen in die Betten. Der nächste Morgen verging mit einer Einkaufstour, ein paar Kleinigkeiten beim Waffenhändler und einem Besuch beim "Einbeinigen" um die kostbaren Vorräte an Zaubertränken aufzufüllen. Als sie an der Seefront zurück in die Mitter der Stadt gekommen waren, trennten sich die Wege, Althea und Curian bogen zum "Premer Hof" ab, die Zwerge begaben sich weiter Richtung Hafen, "Premer Feuer bei Hjalkes holen!", "Wir sehen uns später!"...
Die abendliche Stadt empfing sie mit dem Licht zahlloser Öllampen. Händler packten ihre Stände zusammen, von den Tavernen am Hafen klang Gelächter, und die Gassen rochen nach Salz, Rauch und gebratenem Fisch. Durch dieses Treiben bahnte sich die Gruppe ihren Weg zum „Premer Hof“.
„Ein Stück Mittelreich in Thorwal“, murmelte Curian mit einem kaum verhohlenen Schmunzeln. Keldi sah sich prüfend um und nickte schließlich: „Na ja… einigermaßen erträglich.“ Ein Lob, das in seinen Ohren fast schon überschwänglich klang.
Die Betten waren weich, das Essen solide, und die Nacht verging wie im Rausch – keine nassen Planken, kein schwankender Boden, keine muffigen Schlafsäle.
Am nächsten Morgen teilte sich die Gruppe auf. Sie gingen die Kopfsteinpflasterstraßen entlang, von Sonnenschein und Möwengeschrei begleitet. Althea ließ sich von Curian zu einem Händler ziehen, der ihm Kräuter und Fläschchen präsentierte. Der Magier prüfte die Waren mit geübtem Blick, während Althea die feineren Details der Gläser und Runen musterte.
Ein kurzer Abstecher zum Waffenhändler brachte Ersatzbolzen und Kleinteile. Schließlich führte der Weg zum „Einbeinigen“ – die alte Apotheke, deren Ruf weit über Prem hinausreichte. Das Klirren der Phiolen und das säuerlich-süße Aroma der Tränke waren wie Musik in Curian und Altheas Ohren. Sie gingen mit einem Bündel kostbarer Zaubertränke hinaus, jeder einzeln eingewickelt, als wären es Schätze.
Als sie zurück an die Seefront kamen, stand die Sonne schon hoch, das Wasser glitzerte. An der Ecke, wo der Weg zum „Premer Hof“ abbog, trennten sich die Wege.
„Premer Feuer bei Hjalkes holen!“, rief Furka, während er sich mit Keldi, Hurdin und Tondar bereits Richtung Hafen wandte.
Althea lächelte, sah den Zwergen nach und winkte. „Wir sehen uns später!“
Curian schob sich die Kapuze zurück, atmete die salzige Luft ein und meinte trocken: „Solange sie uns das halbe Fass nicht auf den Tisch schleppen…“
Der Nachmittag verging ruhig. Die Zwerge trafen nur zwei Stunden später ebenfalls im Premer Hof ein, mit einer Ladung Original Premer Feuer, die sie im 'Fabrikverkauf' der Hjalkes aufgeladen hatten. Sie nahmen ein frühes Abendessen in der Gaststube. Danach, von Curian vorgeschlagen, schlenderten sie zur nördlichen Steilwand gelegenen Taverne Am Stein hinüber, die bekannt war, Spirituosen aller Herren Länder anzubieten. Sie betraten die Taverne mit Einbruch der Nacht...
Mit dem frühen Abendlicht im Rücken verließen sie den „Premer Hof“. Die Straßen waren noch voller Menschen, doch je weiter sie Richtung Norden gingen, desto ruhiger wurde es. Der Weg führte leicht bergauf, bis die Häuserzeilen Platz machten für die nackte Steilküste. Hier stand die Taverne „Am Stein“, halb in die Felsen hineingebaut, die Fenster zum Meer hinaus.
Ein kühler Wind wehte von der Klippe herüber, trug Möwenschreie und das ferne Donnern der Brandung mit sich. Als sie die schwere Tür öffneten, umfing sie der Geruch nach Salz, Rauch und fremdländischen Bränden.
Die Gaststube war größer, als es von außen den Anschein hatte, mit Balken, die so dunkel und glänzend waren, als ob sie vom Meer selbst poliert worden wären. An den Wänden hingen Schilde und Banner, die von den Reisen der Seeleute erzählten, die hier eingekehrt waren.
Und wahrhaftig – die Regale hinter dem Tresen bogen sich unter Flaschen und Krügen. Etiketten in zwergischen Runen, thorwalschen Knotenmustern, aber auch exotischen Schriften, die Althea nicht entziffern konnte. Der Wirt, ein breitschultriger Mann mit weißem Bart und ruhiger Stimme, begrüßte sie knapp, aber nicht unfreundlich.
„Spirituosen aller Herren Länder“, murmelte Curian, und sein Blick wanderte mit Kenneraugen über die Flaschenreihen. Furka drückte sich schon halb nach vorne, Keldi und Hurdin folgten ihm mit einem Brummen, das nach Erwartung klang.
Althea lehnte sich zurück, den Blick aus den Fenstern hinaus auf das dunkler werdende Meer gerichtet, während die Kerzen entzündet wurden. Sie ließ das Stimmengewirr in sich einsickern, die Wärme des Raumes, die Ruhe nach Wochen auf See und Straße.
Althea, die einzige, die sich zurückgehalten hatte, trieb die ganze Gruppe, die von links nach rechts schunkelte, lustig vor sich hin brummelte und gelegentlich Schluckauf hatte, zurück zum Premer Hof...
Der nächste Tag verging damit, dass Althea unbeteiligt in der Gaststube saß und ihre Notizen durchging, dabei an einem Kräutertee nippte, während die anderen sich sehr lange nicht sehen ließen und sich dann auch nicht das übliche Frühstück mit viel Speck gönnten. Nach und nach tauchten die Zwerge auf, die sich irgendwie vorsichtig bewegten - Althea schaute nur kurz hinüber - und Curian blieb bis zum Nachmittag verschwunden...
Sie blieben eine weitere Nacht und machen sich dann auf den Weg hinüber zum Ortsausgang Richtung Skjal...
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05.10.2025, 09:59
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05.10.2025, 10:11 von Althea.)
Unterwegs mit Zwergen #61
(Versatzstücke)
Am Morgen des dritten Tages verließen sie Prem durch das westliche Stadttor. Die Straße war breit und gut gepflegt, fast so, als sei sie ein sichtbares Symbol für die Bedeutung der Handelsroute. Rechts fiel das Land steil zum Golf ab, links stiegen Hügelketten an, überzogen mit vereinzelten Gehölzen und grasenden Herden. Der Weg war belebt – Händlerkarren, Botenreiter, ein paar Bauern, die mit vollen Säcken heimwärts trotteten.
Die Zwerge gingen im vertrauten Schritt voran, in gedrungener Formation, gelegentlich ein Brummen oder ein leises Wort austauschend. Althea hielt sich zurück, neben Curian, dessen Stab im Gleichklang mit dem ihren über die Steine klackte. Sie sprachen nicht viel, nur kurze Bemerkungen – Beobachtungen über Weg, Wetter und Landschaft. Es war ein stilles Gehen, das von Vertrautheit getragen wurde.
Am Nachmittag tauchte die Herberge Langschiff vor ihnen auf: ein niedriges, aber solides Gebäude aus Fachwerk und Feldsteinen, halb in die Hänge gesetzt. Über der Tür prangte das geschnitzte Relief eines Drachenkopfes, von dem sich der Name herleitete. Der Wirt empfing sie freundlich, gewohnt an Reisende, die hier Rast machten, ehe sie den nächsten Tag nach Skjal aufbrachen.
Der Abend verging ohne Besonderheiten. Einfache Mahlzeiten, ein Becher Bier, dann verschwanden die Zwerge nacheinander in den Schlafraum, während Althea und Curian noch einen Moment länger am Kamin verweilten – sie, in ihre Notizen vertieft; er, schweigend mit einem Kelch Wein in der Hand.
Am nächsten Morgen brachen sie wieder auf. Die Straße blieb gut, doch die Hügel wurden höher, und in der Ferne zeichnete sich bereits das dunkle Band der Hjaldorberge ab. Noch vor Einbruch der Nacht lag Skjal vor ihnen – am Schnittpunkt zwischen Handelsstraße und dem alten Gebirgspfad, der von Orvil herabführte.
Als sie in Skjal eintreffen, steht die Sonne noch am Himmel. Sie gehen über die kleine Brücke über den Skjaval und kehren in der Herberge im Ortskern ein. Über dem Abendessen besprechen sie den weiteren Weg. Der Pfad entlang der Nordküste des Golf von Prem ist genau das - ein Pfad. Ottarje ist ein Anlaufpunkt als Hafen, die umlegende Gegend, die sich zwischen Hjaldorberge und Meer presst ist eher unerschlossen, Wenige Stunden jenseits der Ortschaften gibt es keine Weiler oder Bauerhöfe mehr. Und hinter Ottarje liegt der Meerbusen von Daspota, auch kein gastfreundlicher Ort - allerdings kommt eine Schiffspassage nicht in Frage.
"Ich war dort noch nie unterwegs, ich bin nur einmal bis Orvil gekommen - dort haben sie ein Problem mit einem finsteren Druiden...", so Curian… "Solange wir in Ottarje nicht übernachten müssen und nach Ljasdahl hinüberkommen, ist alles in Ordnung", zuckt Althea mit den Schultern. "Aber ich dachte an etwas anderes. Sollten wir einmal sehen, ob wir einen abendlichen Umtrunk mit Jurge Torfinsson halten können? Er ist sicher interessiert was unser 'Auftrag des Hetmanns' inzwischen ergeben hat..."
Sie saßen in der Herberge im schmalen Ortskern von Skjal, wo der Skjaval sich teilte, bevor er in den Golf von Prem mündete. Durch die Fenster fiel noch das Licht der sinkenden Sonne, das die Balken des Schankraums golden färbte. Der Duft von Eintopf und frisch gebackenem Brot hing in der Luft.
Die Zwerge hielten sich zurück, ließen Curian und Althea reden – sie waren ohnehin zufrieden, nach Tagen festen Straßenmarsches wieder unter einem soliden Dach zu sitzen.
„Ein Pfad, kaum mehr als eine Trittspur entlang der Küste, umklammert von Bergen und Meer“, murmelte Curian, fast mehr zu sich selbst. „Man reist dort nicht, weil man will – sondern, weil man muss.“
Althea hob die Augenbrauen, leicht spöttisch. „Solange wir nicht in Ottarje nächtigen. Ljasdahl wäre mir lieber. Ich erinnere mich an den Hof mit den Bienenstöcken…“ Sie hielt inne, ein Hauch von Wehmut schlich sich in ihre Stimme. „Das war ein anderes Aventurien.“
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann legte sie die Hände um ihren Becher und lächelte über den Rand hinweg:
„Aber ich dachte an etwas anderes. Was hältst du davon, wenn wir Jurge Thorfinnsson aufsuchen? Er wollte doch immer wissen, wie es mit dem Auftrag des Hetmanns weiterging.“
Die Zwerge hoben die Köpfe.
„Das wäre ein ehrbares Unterfangen“, brummte Hurdin zustimmend.
„Und Jurge wird Bier haben“, fügte Keldi trocken hinzu, was allgemeines Nicken hervorrief.
Curian lehnte sich zurück, zog die Brauen leicht hoch und schwankte zwischen Skepsis und einem Anflug von Neugier. „Wenn er noch hier ist. Aber gut – alte Bande sollte man nicht vernachlässigen.“
So fiel die Entscheidung: noch vor dem Morgengrauen würden sie nicht aufbrechen, sondern nach dem Abendessen die paar Straßen weitergehen, über den kleinen Platz, wo die Schmiede lag, bis zu Jurges Haus.
Sie gingen nach dem Mahl durch die stillen Gassen Skjals, nur das Murmeln des Flusses begleitete sie. Das Haus Jurges lag wie gehabt etwas abseits, an den Hang gelehnt, die Fenster dunkel, der Hof verlassen. Kein Hund bellte, kein Rauch stieg aus dem Schornstein.
„Niemand da…“, murmelte Althea, fast mehr enttäuscht als überrascht.
„Vielleicht bei den Flotten draußen“, meinte Hurdin nüchtern.
„Oder im Fjord auf Fang“, brummte Tondar.
Sie standen einen Moment unschlüssig, dann drehten sie sich um und gingen schweigend zurück zur Herberge.
Am nächsten Morgen packten sie ihre Bündel, die Sonne stand noch tief über den Bergen. Der Weg führte aus dem Ort hinaus, erst entlang der letzten Felder, dann schnürte er sich schmaler zusammen – der Küstenpfad nach Ottarje. Links das Meer, rechts die aufragenden Hänge der Hjaldorberge, und dazwischen nur ein schmaler, staubiger Streifen, auf dem man hintereinander marschieren musste.
Die Zwerge stapften vornweg, froh, den Tritt der Berge unter den Füßen zu spüren. Althea und Curian gingen am Ende, ihre Stäbe klackten im Gleichklang, während der Wind vom Meer den salzigen Geruch herüberwehte.
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Am späten Nachmittag kommen sie zu einer Stelle, an der die Stürme des Frühlings einen gewaltigen Baum über den Weg gestürzt haben - die meisten Reisenden scheinen dies zu ignorieren, wie ein kleiner Trampelpfad um das Hindernis herum bezeigt. Aber die Zwerge lassen das nicht auf sich sitzen, zerlegen unter fachkundiger Anleitung Tondars den Stamm und räumen das Gestrüpp. Sie lagern nur ein Stück weiter und haben genug Feuerholz für die Nacht... Curian begleitet Archon auf seinem Ausflug den Waldessaum entlang, und frischt seine Kenntnisse in Pflanzenkunde auf, später am Lagerfeuer unterhalten sie sich über die Vorteile und Anwendungen der Reiseapotheke, die Tondar trägt...
... ... ...
Die Höhle dampfte, als ob sie selbst atmete. Der Geruch verbrannten Chitins, süßlich und stechend, legte sich wie ein Film über alles. Das Knacken verkohlter Beine mischte sich mit dem Tropfen von Harz – oder Gift –, das von der Decke rann.
Althea stand an der Wand, die Stirn schweißnass, eine Hand tief in das kalte Gestein gekrallt, die andere schwer auf den Stab gestützt. Ihre Finger zitterten. Rauch kringelte noch immer um die Spitze, als ob das Holz selbst nach Atem rang. Ihr Brustkorb hob und senkte sich hastig. „So viel…“, hauchte sie, die Stimme rau, mehr zu sich selbst als zu den anderen.
In der Mitte der Höhle stand Curian. Seine Hände umklammerten den Stab wie ein Ertrinkender ein Stück Treibholz. Der Körper nach vorne geneigt, als habe der letzte Ignifaxius ihn selbst beinahe entzündet. Noch immer war sein Blick starr auf den dunklen Fleck gerichtet, wo die letzte Spinne unter seiner Flamme zischend zerborsten war. „Es hat gereicht… gerade so“, murmelte er, mehr knurrend als sprechend. Seine Lippen waren trocken, aber in den Augen lag dieser kalte Funke – die Gewissheit, den Abgrund gesehen und trotzdem bestanden zu haben.
Vor den beiden türmten sich die Kadaver – Beine ineinander verkeilt, Panzer aufgerissen, Fühler noch dampfend. Davor die Zwerge, eine Linie aus Stahl und Trotz. Furka, Hurdin, Tondar hielten ihre Armbrüste noch im Anschlag, Bolzen auf halbgespannte Sehnen, die Tiefen der Höhle fixierend. Keldi hockte über dem letzten Kadaver, das Kurzschwert zum Stich bereit, der Bart verklebt von Rauch und Schweiß. Nur langsam senkten sie die Waffen, aber ihre Blicke blieben hart, wie in Stein gemeißelt.
Archon stand zurück am Eingang, der Schatten an der Schwelle. Seine Dolchklinge noch dunkel vom Gift, das er nicht mehr hatte einsetzen müssen. Er musterte die Szene, als wolle er sie einprägen – die Magier halb zerbrochen, die Linie der Brüder noch geschlossen, und das Feuer, das alles in Asche verwandelt hatte.
Niemand sprach. Nur das Knistern verkohlter Leiber, das Tropfen von irgendwoher. Ein Sieg, ja – aber einer, der sie fast selbst verzehrt hätte.
...
Schwarzer Qualm quoll aus dem Spalt in der Felswand über ihnen, als sie sich unter Hurdins fachkundiger Hilfe in einem kleinen Talkessel abseilten. Tondar führte sie über eine flachen Kuppe auf der anderen Seite und sie blickten hinunter auf die See und den Küstenpfad nach Ottarje... Es war bereits nach Mitternacht, als sie in Ottarje eintrafen und sie strebten trotz der späten Stunde dem Hafen zu, wissend um die Zustände der Unterkünfte im Ort... Sie riefen die Deckswache eines flachen Handelskahns an, und der Maat stimmte zu sie an Deck nächtigen zu lassen. Sie richteten sich zwischen der Decksladung und ihrem Gepäck ein und Furka ließ die letzte Flasche Premer Feuer kreisen. Als der morgen graute, legte der Kahn ab und kurz darauf waren sie drüben in Ljasdahl...
Und so standen sie, stumm, in diesem Nachhall.
...
Schwarzer Qualm quoll aus dem Spalt in der Felswand über ihnen, als sie sich unter Hurdins fachkundiger Hilfe in einem kleinen Talkessel abseilten. Tondar führte sie über eine flachen Kuppe auf der anderen Seite und sie blickten hinunter auf die See und den Küstenpfad nach Ottarje... Es war bereits nach Mitternacht, als sie in Ottarje eintrafen und sie strebten trotz der späten Stunde dem Hafen zu, wissend um die Zustände der Unterkünfte im Ort... Sie riefen die Deckswache eines flachen Handelskahns an, und der Maat stimmte zu sie an Deck nächtigen zu lassen. Sie richteten sich zwischen der Decksladung und ihrem Gepäck ein und Furka ließ die letzte Flasche Premer Feuer kreisen. Als der morgen graute, legte der Kahn ab und kurz darauf waren sie drüben in Ljasdahl...
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Unterwegs mit Zwergen #62
(Versatzstücke)
Die Gruppe trat aus der schmalen Hafengasse hervor, und plötzlich öffnete sich die Welt. Der enge Rahmen der Fachwerkfassaden fiel zurück, und sie standen im lichten Atem des Sommers. Die Sonne stand hoch, nicht brennend, sondern warm und klar, als läge eine unsichtbare, goldene Hand über dem Platz.
Die Häuser ringsum waren frisch gekalkt, ihre weißen Wände hoben sich hell gegen das grünblättrige Dach einzelner Linden, die den Brunnen beschatteten. Kein Markttag – also lag eine friedliche Weite über dem Platz. Ein paar Händlerinnen sortierten Obst in Körbe, ein junger Bursche trug einen Krug über den Platz, Möwen riefen fern vom Hafen herüber. Der Wind, der draußen vom Meer noch kühl kam, strich hier nur sanft über das Pflaster, als wolle er die Müdigkeit der Reisenden vertreiben.
Zur Rechten ragte die breite Fassade der Herberge Haus Hjalland auf, ihre Balken dunkel gebeizt, die Fenster mit bunten Vorhängen geschmückt, ein Schild über der Tür schwankte leicht in der Brise. Es war, als habe der Ort selbst sie erwartet – ein Platz, wo der Rauch der Spinnenhöhle endgültig von ihnen abfallen durfte.
Althea ging Seite an Seite mit Furka, ihre Schritte noch schwer vom Marsch, doch das Sonnenlicht, das ihnen entgegenschlug, als sie den Platz erreichten, wirkte fast wie eine Reinigung. Der Rauchgeruch hing ihr immer noch im Haar, doch hier roch die Luft nach Kalk, Wasser und den Früchten am Brunnenstand. Sie blinzelte – nicht nur gegen das Licht, sondern gegen die plötzliche Wärme in der Brust.
Furka neben ihr sog die Luft tief ein, brummte kaum hörbar: „Endlich wieder was Richtiges unter den Füßen.“ Er war nicht der Typ, viel Worte zu verlieren, doch Althea wusste, dass er diese klare Ordnung nach der stickigen Finsternis genoss.
Ein paar Schritte dahinter kam Keldi, das Kinn trotzig vorgereckt. Seine Augen glitten sofort an den Häusern entlang, musterten die Balken, die Dächer, als prüfe er, ob hier ein ehrlicher Handwerker am Werk gewesen war. Hurdin und Tondar flankierten ihn schweigend – Hurdin mit verschränkten Armen, das Gewicht der Robenbeute noch in den Schultern, Tondar den Blick auf den Brunnen, als wolle er dort gleich sein Gesicht in kaltes Wasser tauchen.
Archon hielt sich bewusst etwas zurück. Seine Augen hingen an den Schatten unter den Linden, am Spiel des Lichts auf den Wänden. Er wirkte fast wachträumerisch, doch Althea wusste, dass er innerlich schon Rezepte sortierte, Überlegungen spann, wie er die Vorräte aus der Spinnenhöhle in Tinkturen verwandeln konnte.
Ganz am Ende, ungewohnt für ihn, ging Curian. Der Stab in seiner Hand klackte im Takt seiner Schritte, aber sein Blick wanderte nicht nach vorne. Er ließ den Platz, die Menschen, die Sonne wirken, als koste er es aus, noch im Schatten der Gruppe zu bleiben. Als Althea kurz über die Schulter blickte, begegnete sie seinem Blick: müde, ja – aber auch prüfend, fast stolz, als habe er etwas erkannt, was sie selbst noch nicht ganz greifen konnte.
Vor ihnen stand die Fassade des Haus Hjalland. Der Gedanke an gutes Essen, Wein, saubere Betten war wie eine Verheißung, und einen Moment lang stockte Althea der Atem – weil sie spürte, wie sehr diese kleine Schar inzwischen zu ihrer Gruppe geworden war.
...
Die Tür des Waffenhändlers klappt hinter ihnen ins Schloss. Draußen rauscht die klare Sommerluft durch die enge Gasse, die zum Kontorviertel führt. Keldi dreht noch einmal die Skraja in der Hand, prüft die Balance, während Tondar die frischen Bolzen über die Schulter wirft – „Endlich wieder ein ordentlicher Vorrat“.
Althea blickt sich um: Der Platz vor den Kontoren ist nicht groß, aber belebt. Händler rufen, ein paar Kinder jagen einander zwischen Fässern hindurch, die Pferdefuhrwerke rollen Richtung Markt. Und da löst sich die Gruppe fast wie von selbst auf:
Furka zieht es zu den Tavernenständen, immer auf der Suche nach Neuigkeiten.
Keldi will den Stoffhändlern einen Blick abstatten – „wenn sie schon keine Schwerter können, vielleicht wenigstens Wolle“.
Tondar verschwindet Richtung Hafen, ein Auge auf das, was die Fischer an Land bringen.
Archon schiebt sich sofort zur Kräuterware hinüber, die Augen wachsam, als prüfe er schon Rezepte in Gedanken.
Hurdin stapft langsam hinterher, die Hände auf den Beuteln mit Gold und Phiolen, als würde er jede Münze zählen.
Althea bleibt einen Moment neben Curian zurück, beide blicken kurz einander an – „Mittag im Hjalland?“ – ein schlichtes Nicken, und dann gehen auch sie auseinander, jeder seinem eigenen Interesse nach.
Die Sonne steht nun hoch über dem gepflegten Platz von Ljasdahl, die Schatten der weiß getünchten Häuser sind scharf und kurz. Die Glocke am Brunnen schlägt die Mittagsstunde – und so treffen sich alle wieder im „Haus Hjalland“, mit vollen Taschen, neuen Geschichten und dem Duft von gebratenem Fisch, der aus der Gaststube herüberzieht.
Im Haus Hjalland standen noch Krüge mit kühlem Bier auf den Tischen, als das Mittagsmahl abgeräumt wurde. Der Geruch von frisch gebratenem Fisch hing noch in der Luft.
Althea und Curian hatten sich in eine Ecke des Gemeinschaftszimmers zurückgezogen, die Stirnreife vor sich, Pergamente und Notizen daneben. Altheas Fingerspitzen strichen sanft über das Metall, während Curian die Augen schloss und die alte Formel des Odem murmelte.
Ein leises Flirren lag im Raum – nichts Sichtbares, aber spürbar.
„Bah, Elfenwerk“, hatte Furka schon beim ersten Anblick gemurrt. Jetzt stemmte er sich mit einem Knarzen des Stuhls zurück, nahm sein Bier und schüttelte den Kopf. Keldi und Tondar tauschten Blicke.
„Wenn sie anfangen zu murmeln, dauert’s“, meinte Keldi trocken.
„Dann bestell noch ein Bier“, antwortete Tondar.
Die Bedienung stellte die Krüge vor sie ab, während aus der Ecke nur noch das Summen zweier Stimmen zu hören war.
Nach einer weiteren halben Stunde stieß Furka schließlich die Bank zurück. „Ich geh raus. Wer kommt mit?“
„Alles ist besser, als den beiden beim Luftanhalten zuzusehen“, knurrte Keldi.
„Aye“, nickte Tondar und erhob sich ebenfalls.
So kam es, dass die drei Zwerge lachend durch die Tür traten, während im Gemeinschaftszimmer der Schein der Sonne auf Silber fiel und die Stimmen von Althea und Curian fast wie ein einziges Klangband zusammenflossen.
Archon, der hinten am Fenster gesessen hatte, notierte still im Schatten seiner Kapuze.
Die Tür schlug auf, und mit einem Schwung aus Stimmen, Gelächter und dem Geruch von Bier polterten Furka, Keldi und Tondar herein. „Bei Ingerimm, die Thorwaler können weder würfeln noch zählen!“ prustete Furka, klimperte mit ein paar frisch gewonnenen Münzen und ließ sich schwer auf eine Bank fallen. Keldi schnaubte, halb belustigt, halb vorwurfsvoll: „Glück ist keine Kunst, Bruder. Aber immerhin bringt es die Kasse auf Trab.“ Tondar grinste nur breit, während er einen Schluck aus dem letzten Krug nahm, den sie sich von unterwegs mitgebracht hatten.
Am Fenster, abseits des Trubels, war die Stimmung gänzlich anders. Althea hatte die Stirn gerunzelt, das Licht der Kerze spiegelte sich in ihren Augen, während sie die fein gezogenen Linien eines Symbols verfolgte. Curian, den Kopf leicht geneigt, fuhr mit dem Finger eine Passage nach. „Siehst du? – Hier, am Rand. Das ist kein Zufall, das ist eine Verstärkung, eine zweite Schicht.“ Seine Stimme war leise, aber fest, als spräche er von etwas, das zu ernst war, um es mit zu lauter Stimme zu benennen.
Althea schüttelte kaum merklich den Kopf, ihr Haar schimmerte rötlich im Kerzenlicht. „Es ist finster, ja. Aber nicht nur. Das hier… das ist alte Schule. Wer das schrieb, wusste, was er tat.“ Sie tippte auf eine Stelle, und ihre Stimme wurde noch leiser: „Das ist kein Bann. Das ist ein Schlüssel.“
Die Zwerge hatten es mit einem Augenrollen quittiert, als sie sahen, womit sich die beiden beschäftigten. Doch Hurdin, der schweigsame Wächter, blieb in der Nähe, die Arme verschränkt, den Bierkrug im Schatten der Bank. Seine Augen hingen an den Symbolen, auch wenn er sie nicht verstand – vielleicht spürte er etwas, das den anderen entging.
Draußen senkte sich die Dunkelheit über Ljasdahl, und durch die Scheiben war nur noch das Licht der Laternen auf dem Platz zu sehen. Drinnen aber schien das Rotweinglas, das zwischen Althea und Curian stand, fast so sehr zu glimmen wie die Zeichen im Buch.
Der Morgen war hell und klar, die Sonne hing schon hoch genug, um das Pflaster des Platzes vor dem Haus Hjalland warm zu färben. Frischer Wind vom Meer wehte den Geruch von Salz und Tang zwischen den weiß getünchten Fassaden hindurch.
Die Gruppe trat hinaus auf die Stufen vor der Herberge. Althea ging wie immer neben Furka voran, ihren Stab locker in der Hand, das Haar vom Wind ein wenig zerzaust. Keldi führte hinter ihnen seine Brüder Hurdin und Tondar, die noch mit einem Rest Verschlafenheit die Umhänge enger zogen. Den Abschluss bildete Archon, bedächtig und mit dem schrägen Blick eines Mannes, der den Tag schon nach Spuren und Zeichen abtastete.
„Rüber zum Hafen?“ – Furka blinzelte gegen das Sonnenlicht, während er die breite Gasse anpeilte.
„Hm“, brummte Keldi, „hoffentlich liegt was Ordentliches im Wasser. Kein Kahnschrott.“
Althea lächelte kaum merklich und deutete mit dem Stabende zum Meer hinab. „Ihr Thorwaler seid wählerisch. Mir reicht, dass es schwimmt und uns trägt.“
Über den Platz hinweg war das Klatschen von Segeln und das Rufen der Hafenarbeiter schon zu hören. Ein paar Händler schoben Karren mit Waren über das Pflaster, und am Brunnen tranken Möwen gierig aus den Schalen, die das Wasser überlief.
Die kleine Gruppe machte sich gesammelt auf den Weg hinüber zum Hafen – jeder mit seinem eigenen Rhythmus, aber doch deutlich spürbar: die Rast von Ljasdahl war vorbei, es ging weiter.
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Unterwegs mit Zwergen #63
(Versatzstücke)
Der Weg nach Daspota war kaum ein Weg zu nennen – eher ein schmaler Tritt, der sich an der rauen Küstenlinie entlangwand. Dort, wo die Hügel der Hjaldorberge hart ins Meer fielen, war der Pfad nicht mehr als eine Spur, ausgetreten von jenen wenigen, die töricht oder verzweifelt genug waren, diesen Abschnitt zu wagen.
Das Meer zur Rechten lag bleiern und dunkel, von weißen Schaumkämmen gezeichnet, die an die Felsen schlugen. Zur Linken erhoben sich graue Steilhänge, von kargem Gestrüpp und verkrüppelten Kiefern bedeckt, deren Äste im salzigen Wind knarrten.
Die Zwerge stapften stumm und mit eingezogenen Köpfen, jeder Schritt auf losem Geröll ein kleines Ringen um Halt. Nur Keldi brummte ab und zu Flüche über Thorwaler Pfade, die eher für Möwen denn für Menschen und Zwerge gemacht schienen.
Althea ging weiter hinten, den Stab fest als Wanderhilfe nutzend, während sie den Blick immer wieder über die aufgewühlte See schweifen ließ. Neben ihr hielt Archon die Augen auf den Boden gerichtet, aufmerksam jeden Stein, jeden Riss im Fels musternd, als erwarte er, dass aus den Schatten etwas hervorkrieche.
Der Wind nahm gegen Mittag zu, trieb Gischt die Felswände hinauf und ließ die Kapuzen klatschen. An manchen Stellen war der Pfad so schmal, dass sie sich seitlich drehen mussten, um nicht ins Leere zu treten.
„Daspota…“ murmelte Tondar zwischen den Zähnen, als sie in einer windstilleren Senke rasteten. „Kein Wunder, dass keiner her will. Selbst die Götter meiden diesen Winkel.“
Althea erwiderte nichts, sie ließ nur den Blick zum Westen schweifen, wo hinter den Hügelkämmen schon die Schatten dunkler Wolken aufzogen.
Die verlassene Herberge wirkte wie ein Relikt aus einer anderen Zeit – ein Versuch, die ungezähmte Küste zwischen Ottarje und Daspota zu zivilisieren, der längst gescheitert war. Das Dach hielt noch, wenn auch schief, und die Mauern standen stabil, aber die fehlenden Türen und die leeren Fensterhöhlen gähnten wie tote Augen in der Fassade.
Die Gruppe zog sich in den Gastraum zurück. Der große Kamin war leer, nur Asche vergangener Feuer klebte grau in den Ritzen. In den Ecken hatte sich altes Laub gesammelt, das im Windhauch raschelte, der durch die Öffnungen strich.
„Mutig… oder töricht,“ brummte Keldi, als er seinen Packsack absetzte und prüfend mit dem Stiefel gegen einen der morschen Tische trat.
Hurdin stand mitten im Raum, den Kopf in den Nacken gelegt, die Stirn in Falten. Seine Augen folgten den dunklen Linien der Deckenbalken, die zwar noch hielten, aber feucht und schwammig wirkten. „Ich trau der Sache nicht,“ knurrte er, „zu viel Last, zu wenig Halt.“
Während die anderen ihre Lagerstätten aufschlugen, verschwanden Curian und Archon erneut, diesmal entlang eines schmalen, moosbewachsenen Trampelpfades, der sich von der Rückseite der Herberge durch das Buschwerk zog. In einer feuchten Senke fanden sie reichlich Kräuter – Schilfknollen, die gegen Fieber helfen konnten, und dunkle Moospolster, die Archon prüfend zwischen den Fingern rieb.
Als sie zurückkehrten, war das Feuer im Kamin bereits entfacht, das Knacken von Holz mischte sich mit dem Heulen des Windes draußen. Furka hatte sich breitbeinig auf einen der Bänke gesetzt, das Kinn auf die Faust gestützt, und musterte die grauen Mauern. „Eine Nacht wird’s schon halten,“ meinte er, und stieß die Funken mit dem Schürhaken auf.
Doch während sie sich ums Feuer scharten, blieb das Gefühl, dass die Mauern mehr sahen, als sie preisgaben – Erinnerungen an Reisende, die diesen Ort gewählt hatten… und vielleicht nicht alle weitergezogen waren.
Die Dunkelheit hatte das verlassene Gemäuer ganz umschlungen, nur das matte Flackern des Feuers im Kamin warf zuckende Schatten an die Wände. Archon und Curian traten ein, die Umhänge feucht vom Tau, die Hände voller gesammelter Kräuter. Der Wind rüttelte draußen an den offenen Fensterhöhlen, ließ das lose Gebälk knarren.
Die anderen lagen schon ausgestreckt auf Decken und Mänteln:
Furka schnarchte leise, den Arm um sein Gepäck geschlungen.
Keldi hatte sich an die Wand gerollt, eine Hand noch am Griff seiner neuen Skraja.
Tondar war halbwach, die Augenlider schwer, aber sein Kopf schnellte kurz hoch, als die beiden zurückkehrten, ehe er wieder wegdämmerte.
Hurdin saß noch immer am Rand des Feuers, das Kinn auf den Händen, und sah in die Glut, als wolle er sie bewachen.
Althea hatte sich in eine Ecke des Raumes zurückgezogen, aufrecht sitzend, das Haar im Feuerschein golden schimmernd. Sie blinzelte schläfrig, als Archon und Curian die gesammelten Kräuter neben ihre Tasche legten. „Genug für morgen,“ murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu den anderen.
Archon breitete sein Bündel neben Hurdin aus, sortierte stumm einige Blätter und Wurzeln, ehe er sich schwer auf die Decke sinken ließ. Curian schob seine Tasche unter den Kopf, zog den Umhang fester um die Schultern und legte sich nahe an die Wand.
Das Feuer knisterte, draußen heulte der Wind über die Küste, und irgendwo in der Ferne schrie ein Seevogel, einsam in der Nacht. Die Gruppe fiel einer nach dem anderen in den Schlaf – doch die Stille der Herberge blieb schwanger mit etwas Unsichtbarem, als atmete das alte Gemäuer selbst.
... ... ...
Die Tür der verfallenen Herberge schlug dumpf hinter ihnen ins Schloss, als die Gruppe hinaus ins Licht trat. Einen Moment hielten alle inne – als ob ihre Körper nicht recht glauben wollten, dass die stickige Schwärze, das modrige Atmen der Kellergewölbe, das Schaben der untoten Kreaturen wirklich hinter ihnen lag.
Vor ihnen lag der kleine, offene Platz: grob gepflastert, an den Rändern schon von Gras überwuchert. Die Sonne stand hoch, das Licht schien so grell und rein, dass es fast in den Augen brannte. Althea blinzelte und spürte, wie sich die Wärme der Mittagsstrahlen in ihre Haut legte. Irgendwo weit vorn, jenseits der Kante, wo das Land abrupt in die See fiel, schlugen die Wellen dumpf gegen die Küste. Die Luft war frisch, beinahe süß, durchzogen vom Salzgeruch des Meeres und dem harzigen Atem der Bäume.
Sie gingen weiter, fast taumelnd wie nach einem langen Fiebertraum, und suchten sich einen Platz unter den ausladenden Kronen der Bäume. Das Rascheln des Laubs über ihnen wirkte unwirklich friedlich. Keldi warf einen langen Blick zurück – die schwarzen Fensterhöhlen des Hauses starrten leer ins Sonnenlicht, doch er sah darin noch die Schatten. Sein Griff lag fest um den Axtstiel.
Hurdin breitete die Säcke aus, die sie mitgeschleppt hatten, und begann schweigend die Funde durchzusehen. Roben, Phiolen, Pergamente – so fremd und so kostbar, dass sie kaum wie Beute wirkten, sondern eher wie Mahnmale. Furka, der sich im Sonnenlicht niedergelassen hatte, hielt eine der Phiolen gegen das Licht, und das Gift darin glitzerte wie flüssiges Smaragdgrün. Seine Augen blitzten, doch er schwieg. Tondar setzte sich ein Stück abseits, prüfte sorgfältig die gespannte Sehne seiner Armbrust, ließ die Bolzen durch die Finger gleiten und zählte sie zweimal.
Archon und Curian hatten ein Bündel Pergamente auf dem Schoß. Der Heiler, die Stirn in Falten, legte mit spitzen Fingern die Blätter auseinander, während Curian mit einem genervten Lächeln und einem ironischen Kommentar über „grob hingeschmierte Symbolik“ die Schriftzeichen entzifferte. Doch beide hielten sich länger daran auf, als sie zugeben wollten.
Althea hatte sich an einen Baumstamm gelehnt. Sie hielt den Stab lose über den Knien, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Einen Moment lang erlaubte sie sich, die Augen zu schließen. Ihre Brust hob und senkte sich ruhig, aber das Zittern in ihren Fingern verriet die Erschöpfung. Sie ließ die Sonne durch das dunkle Tuch scheinen und spürte, wie das Licht die Schatten in ihr verdrängte.
Es war Curian, der schließlich seine letzte Flasche Wein hervorzog, als wollte er die Stille brechen. Das Rot im Kelch wirkte wie ein Gegenstück zu dem grünen Schimmer der Phiolen. Sie aßen von dem Karene-Fleisch, das am Vorabend erlegt worden war, das Aroma von Rauch und Wild mischte sich mit dem süßen Wein. Der Alltag kehrte zurück, beinahe.
Nach und nach wurden die Stimmen leiser. Einer nach dem anderen streckte sich im Schatten der Bäume aus, das Schwert oder den Stab noch in Reichweite. Das Sonnenlicht spielte über ihre Gesichter, die nun weicher wurden, weniger gezeichnet von den Schrecken der Tiefe.
Nur Keldi blieb stehen. Breitbeinig, die Axt in der Hand, die Augen unverwandt auf die dunklen Fenster des Hauses gerichtet. Das Licht lag golden auf den Mauern – und doch konnte er den Eindruck nicht abschütteln, dass die Schatten darin immer noch atmeten.
Er blieb dort, schweigend, während hinter ihm seine Gefährten im Schlummer versanken. Und für einen langen Moment war das Einzige, was die Stille durchbrach, das ferne, rhythmische Tosen der Wellen, die unaufhörlich gegen die Küste brandeten.
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Unterwegs mit Zwergen #64
(Versatzstücke)
Die Gruppe hat die Verfallene Herberge bezwungen, hat einige Stunden gerastet und sich dann weiter auf den Weg nach Daspota gemacht, wo sie bei Einbruch der Nacht eintrifft. Es ist anders als bei ihrer ersten Durchreise, noch vor einem Jahr. Ihre Vorsicht ist einem Selbstbewusstsein gewichen, dass sie dazu bringt, im Ort nach einer Unterkunft für die Nacht suchen zu wollen. Sie begeben sich die langsam, zu fortgeschrittener Stunde belebtere Hauptstraße hinunter. Im Ortskern - zur rechten der Hafen, zur linken eine Straße, die zu einem Anwesen, das auf einem Hügel über der Stadt thront, beschließen sie sich durchzufragen und betreten den Laden eines Tatöwierers. Hier zeigt sich, dass Daspota eben anders ist als andere Orte, und ein kurzer Austausch von Worten endet mit einem Austausch von Schlägen - nicht der Ort, wo man bleibt, aber sie schaffen es, mit einem Gutteil der sichergestellten Beute, aus dem Ort, nach Süden...
Sie rasten am Ende des Waldgebietes, durch das der Karrenpfad Richtung Varnheim führt, sorgsam im Unterholz, mit scharfen Zwergenaugen, die in die Nacht hinter ihnen hinausspähen...
Die Nacht über Daspota lag wie ein schweres Tuch. Hinter ihnen brannte die Stadt im diffusen Licht der Laternen – nicht in Flammen, aber in Unruhe. Kein Ort für Bleiben, kein Ort für Schlaf.
Die Zwerge bewegten sich schweigend, Althea an der Spitze, das Haar im Wind, der Stab in der Hand, noch schwach vom Kampf, aber innerlich klar.
Der Weg nach Süden – ein Karrenpfad, kaum mehr als ein Schatten zwischen den Bäumen. Zu beiden Seiten Dunkelheit, nur das Rascheln der Nadeln über ihnen, das rhythmische Knirschen der Schritte im Boden.
Am Rand des Waldes schlugen sie das Lager auf. Kein Feuer. Nur kalte Rationen, das Flüstern der See weit hinter ihnen.
Keldi und Tondar sicherten den Hang, Hurdin legte Steine um die schlafenden Gefährten, wie eine wortlose Mauer.
Archon notierte im Dämmerlicht Zeilen auf ein zerknittertes Blatt, während Furka mit leerem Blick den Himmel absuchte, als suchte er dort etwas, das er nicht benennen konnte.
Und Althea – sie saß am Rand, der Stab auf den Knien, das Gesicht von Mondlicht gezeichnet. Ihr Blick ging nach Süden, wo der Pfad sich verlor.
──────────────────────────────────
Nach einer ereignislosen Nacht waren sie auf dem Karrenpfad nach Süden unterwegs unterwegs. Der Pfad zwischen Varnheim und Daspota war von besserer Beschaffenheit als der von Ottarje - aber irgendwo müssen die Piraten ja ihre Beute loswerden, dachte Althea grimmig...
Am Nachmittag erreichten sie Varnheim, das kleine Städtchen, das diesseitig der Hjaldorberge das nördliche Ende der 'Zivilisation* darstellte. Sie begaben sich zum großen Platz mit dem Travia Tempel und bezogen Zimmer in der "Rorlifs bescheidener Hütte", die sich nicht viel mit der "Herberge Varnheim" am Hafen nahm, wie sie wussten. Über einem späten Mittagessen beschlossen sie hier zwei, vielleicht drei Tage zu bleiben. Die Strapazen der Nordküste des Golfs von Prem lagen hinter ihnen.
Althea, Curian, Archon und Hurdin begaben sich dann hinüber zu einem beschaulichen Abend in den "Pelikan", während Furka, Keldi und Tondar des etwas lebhaftere "Schwert und Schiff" vorzogen. Althea und Curian kamen im Lauf des Abends ins Gespräch mit einigen Varnheimer Bürgern und wurde auf eine Gelehrte namens "Eliane Windenbek" hingewiesen, die am Nordtor wohnen würde. Es war bereits dunkel, als sie sich zurück auf den Weg über den stillen Platz zu ihrer Herberge machten. Furka, Keldi und Tondar kamen kurz vor Mitternacht beschwingten Schritts zurück, wobei Furka pfeifend einen Geldbeutel in der Hand jonglierte...
Nach einer guten Nacht traten sie am nächsten Morgen hinaus auf einen belebten Markt, der sich bis hinter den Travia Tempel erstreckte. Althea machte eben jenen fahrenden Kräuterhändler ausfindig, der ihnen mit einem Augenzwinkern den Inhalt der Regale des Alchimielabors unter der verfallenen Herberge abkaufte. Die Gruppe verlief sich dann auf dem Markt bevor sie sich wieder sammelte und, als die Mittgassonne den höchsten Punkt erreichte, vor einem gepflegten Haus am nördlichen Ortausgang stand...
Die Sonne stieg früh über die Hügel, und mit ihr erwachte Varnheim zu einem jener seltenen Tage, an denen alles leicht schien. Schon vom Fenster der „Rorlifs bescheidenen Hütte“ aus konnte man den Klang der Marktglocke hören, das Rufen der Händler, das Klappern von Eimern und Wagenrädern. Der Platz vor dem Travia-Tempel füllte sich mit Farben: Tücher, Obst, Fässer, Getier, Stimmen.
Althea trat hinaus, den Stab locker in der Hand, das Haar zu einem schlichten Zopf gebunden. Der Wind roch nach Brot, nach Fisch und frischem Heu. Die Zwerge waren bereits unterwegs – man hörte Furkas Lachen irgendwo zwischen den Ständen, wo er mit einem Bäcker um den Preis eines Laibes stritt, während Keldi skeptisch an einem Paar Lederschuhe zog, als wollte er prüfen, ob sie ehrliche Arbeit waren.
Am Rand des Marktes stand der Wagen eines fahrenden Kräuterhändlers – ein älterer Mann mit wettergegerbtem Gesicht, ein blaugrüner Mantel über den Schultern, die Hände ruhig, aber wach. Seine Waren lagen in offenen Holzkisten: getrocknete Wurzeln, Glasphiolen, Pulver in Leinensäcken, Balsam in kleinen, verschlossenen Dosen.
Als Althea nähertrat, musterte er sie, die Zwerge, dann den Beutel, den Archon trug.
„Ihr seht aus, als hättet ihr was Echtes dabei.“
Althea lächelte nur, legte eine kleine, bernsteinfarbene Phiole in seine Hand.
Er hielt sie gegen das Licht, drehte sie langsam, und in der Flüssigkeit tanzten goldene Partikel. Ein leises Pfeifen.
„Das ist keine Wurzelbrühe aus dem Süden... Das ist Destillat. Echtes, konzentriertes Harz.“
Er griff unter den Tisch, zog eine Ledertasche hervor und begann zu zählen.
„Ich sag’s euch ehrlich: Ihr wisst, was ihr da habt? Das verkauft ihr in Thorwal für die Hälfte. Ich geb euch fairen Preis.“
Furka verschränkte die Arme. „Was heißt bei euch fair?“
Der Händler grinste. „So fair, dass ihr mich in Erinnerung behaltet.“
Als sie eine halbe Stunde später weiterzogen, war der Beutel mit Münzen doppelt so schwer, wie sie erwartet hatten. Archon prüfte noch einmal misstrauisch das Siegel der letzten Rolle, aber alles war echt.
„Glück,“ meinte er knapp.
„Nein,“ widersprach Althea. „Timing.“
Sie blieben noch eine Weile auf dem Markt. Hurdin reparierte an einem Stand eine lose Schließe an seiner Rüstung, Keldi feilschte um Bolzenköpfe. Tondar verschwand in der Menge und kam mit einem Stück geräuchertem Lachs zurück, den er wie eine Trophäe präsentierte.
Gegen Mittag, als die Sonne den Platz in flüssiges Gold tauchte, zogen sie sich langsam zurück.
Der Travia-Tempel läutete zur Andacht, Kinder liefen zwischen den Ständen, und der Wind trug den Geruch von Gebackenem herüber.
Furka schob sich die Mütze in den Nacken.
„Wenn’s nach mir ginge, blieben wir hier ein paar Wochen.“
Althea sah ihn an, lächelte, aber ihr Blick blieb auf dem Nordtor hängen – dort, wo zwischen zwei alten Linden ein schmales Haus stand, über dessen Tür ein schlichtes Schild hing.
„Nur ein paar Tage,“ sagte sie leise. „Dann müssen wir weiter.“
Das Haus von Eliane Windenbek lag ruhig am Nordtor, ein gepflegter Garten davor, in dem der Wind durch hoch gewachsene Kräuter strich. Blauschwarze Haare, ein kluger, wacher Blick, ein leicht ironisches Lächeln – das war das Erste, was Althea auffiel, als Eliane die Tür öffnete.
„Ihr seid also jene Abenteurer, von denen man mir berichtet hat,“ sagte sie mit angenehmer Stimme. „Kommt – ich habe Wein geöffnet. Der Tag ist zu schön für Stehen.“
Sie führte die Gruppe durch einen langen Flur in einen offenen Raum an der Rückseite des Hauses. Dort stand ein runder Tisch, darauf eine Karaffe und mehrere Becher. Hinter den weit geöffneten Fenstern lag ein kleiner Hof mit Weinreben und einer alten Steinbank.
Eliane schenkte den Wein ein, setzte sich und musterte die Gäste. „Ihr interessiert euch also für Hyggelik?“
„Wir folgen seiner Spur seit Monaten,“ erwiderte Althea.
Eliane nickte, leicht beeindruckt. „Ich habe die Chroniken des Hetmanns von Prem studiert, einige Briefe, Berichte der Beilunker Reiter. Die meisten davon voller Fehler, versteht sich.“ Sie lächelte flüchtig. „Doch einer der Namen, auf die ich stieß, taucht immer wieder auf: Alrik Derondan, aus Phexcaer. Seine Karte…“ – sie erhob sich, ging zu einem Schrank, zog eine sorgfältig verschnürte Rolle hervor – „…diese hier.“
Das Siegel trug ein verblasstes Wappen, und Althea erkannte sofort die feinen Linien, die Art, wie Küsten und Wege eingezeichnet waren.
„Ihr habt sie gekauft?“
„Erstanden. Von Alrik Derondan in Phexcaer.“ Eliane legte die Hand darauf. „Ich gebe sie nicht leichtfertig her.“
Curian hob die Brauen, sein Ton war ruhig, aber fest. „Und was verlangt ihr dafür?“
Eliane zögerte einen Moment. Dann, sachlich:
„Im Norden, auf der Insel Hjalland, steht ein alter Tempel. Einst geweiht, dann entweiht. Dort beten sie jetzt im Schatten. Wenn ihr wollt, dass diese Karte euren Weg weist – dann sorgt dafür, dass dort kein Gebet mehr gesprochen wird.“
Ein Windstoß trug den Duft von Wein und Salz herein. Niemand sagte etwas.
Archon sah kurz auf, Keldi räusperte sich. Althea lehnte sich langsam zurück.
Nur Curian saß still, die Hände verschränkt, den Blick auf den Becher gerichtet.
Eliane fuhr ruhig fort: „Ich verlange keinen Beweis, keinen Bericht. Aber wenn ihr zurückkehrt – bringt mir ein Stück des Altars. Das genügt.“
Curian erhob sich, legte den Becher ab. Kein Wort, kein Widerspruch. Nur ein Nicken. Dann trat er an die offene Tür, sah hinaus in den Hof.
Als sie sich verabschiedeten, war seine Stimme kaum mehr als ein Schatten. „Ich danke euch für den Wein.“
Rückweg
Die Sonne stand schon tief, als sie den Marktplatz erreichten. Die Zwerge blieben stehen – der Duft nach Fleisch und Bier lockte.
„Ein Krug, ein Stück Braten – und dann sehen wir weiter,“ meinte Furka.
Curian nickte nur flüchtig. „Tut das. Ich… brauche Ruhe.“
Er wandte sich ab, ging die Straße hinauf zur Herberge.
Althea zögerte, dann folgte sie ihm. Als sie eintrat, saß er schon an einem der Fenster, den Mantel über die Lehne gehängt, der Blick hinaus auf die Dächer.
„Ihr entschuldigt,“ sagte er leise. „Ich bin müde. Es war ein langer Tag.“
Er lächelte, aber das Lächeln war leer. Dann schloss sich die Tür hinter ihm.
Abend
Althea blieb unten in der Gaststube, die Finger um einen Becher Tee gelegt, doch die Gedanken schweiften immer wieder ab.
Sie versuchte, ihre Aufzeichnungen durchzugehen, doch die Zeilen verschwammen. Jedes Mal, wenn sie die Feder ansetzte, sah sie wieder Elianes Blick – und Curians Schweigen.
Als draußen die Sonne versank, legte sie schließlich die Feder beiseite, stand auf und ging den Flur hinunter. Das Holz unter ihren Schritten knarrte. Vor Curians Tür hielt sie kurz inne, dann klopfte sie an.
„Ja?“
Seine Stimme, ruhig, müde.
Sie trat ein. Das Zimmer war halbdunkel, der Schein der untergehenden Sonne fiel durch das Fenster. Curian saß auf der Bettkante, noch in Reisegewand, den Stab neben sich.
Ein Moment Stille.
„Du sagst nichts dazu,“ begann sie leise.
„Was soll ich sagen?“ Er sah sie an, das Gesicht im Schatten. „Ein Tempel des Namenlosen, Althea. Ich bin doch nicht verrückt.“
Er lächelte – trocken, ohne Humor.
„Ich will helfen,“ sagte sie. „Ich will etwas beenden, was zu lange gewachsen ist.“
„Du willst glauben,“ erwiderte er. „Und das ist dein gutes Recht. Aber ich habe gelernt, dass Glauben kein Schutz ist.“
Althea verschränkte die Arme. „Und Vorsicht ist kein Leben.“
Curian sah sie lange an. Dann: „Du bist jung. Und das ist schön. Aber das hier – das ist nicht Kunchom. Das ist Hjalland.“
Ein Moment stiller Atem.
Dann stand sie auf, nickte, ging zur Tür.
„Vielleicht,“ sagte sie, „ist das der Unterschied zwischen uns.“
Sie ging.
Draußen hörte man das Lachen der Zwerge, das Klirren von Geschirr, den Duft nach Bier und Fleisch.
Und im Zimmer blieb Curian allein, das Gesicht im letzten Licht, das über die Dächer von Varnheim fiel.
Der nächste Tag verlief ruhig.
Ein milder Wind trug den Geruch von Tau und frischem Brot durch die offenen Fenster der Herberge. Auf dem Hof schlug jemand Feuerholz, und irgendwo in der Ferne läutete eine Tempelglocke – das Leben in Varnheim nahm seinen gewohnten Lauf, während die Gruppe in einem jener unscheinbaren Zwischenkapitel verweilte, die man später kaum erinnert, die aber still alles verändern.
Die Zwerge verbrachten den Vormittag damit, ihre Ausrüstung zu ordnen. Auf den Tischen in der Stube lagen Waffen, Gürtelschnallen, Lederriemen, Phiolen, Rüstungsteile, die poliert oder genäht wurden. Furka hatte sich mit Hurdin in eine halblaute Diskussion über Klingenbreiten verstrickt, während Tondar draußen Bolzen prüfte und Keldi die Lederriemen seiner Panzerung nachzog. Es war eine dieser stillen, arbeitsamen Stimmungen, in denen sich Zwerge am lebendigsten fühlen.
Archon saß etwas abseits, die Sichel über den Knien, und polierte die goldene Klinge mit einem Tuch, das immer wieder in einem Gemisch aus Öl und Asche getränkt wurde. In der Sonne glomm die Schneide wie warmes Licht.
Althea schrieb eine Weile, ohne recht zu wissen, was. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab – zu Eliane, zur Karte, und vor allem zu Curian.
Er hatte sich in den hinteren Teil der Herberge zurückgezogen, wo das Licht durch grüne Glasscheiben fiel. Als sie ihn dort fand, stand er an einem Tisch, eine Landkarte ausgebreitet, das Gesicht ernst und gedanklich weit fort.
„Wenn du sie oft genug ansiehst, ändert sie vielleicht ihren Inhalt“, sagte Althea leise und trat näher.
Curian blickte auf, ein flüchtiges Lächeln. „Manchmal hilft es, die Grenzen zu verstehen, bevor man sie überschreitet.“
Sie lehnte sich an den Türrahmen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Und wenn die Grenze nicht das Problem ist, sondern das, was dahinter liegt?“
Er faltete die Karte sorgsam zusammen. „Dann gehst du nicht hin.“
„Du würdest also gar nichts mehr wagen? Keine alten Schreine, keine Kartenfragmente, keine Geheimnisse mehr?“
„Ich würde unterscheiden zwischen Neugier und Größenwahn.“
„Größenwahn?“ – Sie lachte leise, aber da war ein Schatten darin. „Ich nenne es Verantwortung.“
„Du nennst es Verantwortung, weil du glaubst, dass du die Wahl hast.“ Er trat ans Fenster. „Aber der Tempel, von dem sie sprach… das ist kein Ort für Wahl. Das ist ein Ort, der frisst. Wer dort hingeht, kommt nicht mit Geschichten zurück, sondern mit Narben, die keiner sehen will.“
„Und du?“ fragte sie. „Wie viele Narben hast du?“
Er schwieg. Lange.
Dann wandte er sich um. „Genug, um zu wissen, wann Mut und Leichtsinn dasselbe Gewand tragen.“
Sie trat einen Schritt näher. „Und genug, um zu wissen, dass es manchmal jemand braucht, der beides trotzdem anzieht.“
Einen Moment hielten ihre Blicke. Kein Streit, keine Wut – nur dieses stille Ringen zwischen zwei Weltbildern, die sich längst ineinander verhakt hatten.
„Ich weiß, was du siehst, Althea,“ sagte Curian schließlich leise. „Und ich beneide dich fast darum. Aber ich kann nicht glauben wie du. Nicht mehr.“
„Dann glaub an mich.“
Das Lächeln, das über sein Gesicht huschte, war schwach, aber echt. „Vielleicht tu ich das ja schon. Und genau das macht es schlimmer.“
Draußen rief Furka nach ihr, irgendetwas wegen einer losen Gürtelschnalle. Sie nickte nur und ging, ließ ihn zurück im Halbschatten.
Der Nachmittag verging still. Die Gruppe überprüfte die Vorräte, teilte Beutel um, füllte Wasserschläuche und sortierte den Proviant. Nur manchmal, wenn Althea zufällig zu Curian sah, bemerkte sie den nachdenklichen Zug um seinen Mund, die Art, wie er den Griff seines Stabes prüfte – als wolle er sich vergewissern, dass er ihn bald wieder loslassen könnte.
Am Abend saßen sie alle noch einmal gemeinsam im Gastraum. Es wurde wenig gesprochen. Furka versuchte eine Geschichte über den Markt von Ljasdahl, Keldi kommentierte trocken, dass selbst dort das Bier besser gewesen sei. Doch die Stimmung war gedämpft, wie kurz vor einem Wetterumschwung.
Als Althea später in ihrem Zimmer die Kerze löschte, hörte sie durch die dünnen Wände, wie jemand im Nachbarzimmer leise auf und ab ging. Kein Zweifel, wer.
Am nächsten Morgen verließen sie Varnheim Richtung Vaermhag.
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Unterwegs mit Zwergen #65
(Versatzstücke)
Gegen Nachmittag erreichten sie die Herberge Golfblick, das ihnen bereits bekannte gut geführte Haus auf den Dünen über dem Golf von Prem. Althea und Curian waren auf dem Weg nicht Seite an Seite gegangen und auch hier gingen sie sich aus dem Weg. Althea konnte die vorzügliche Küche nicht genießen und knabberte nur abwesen am Essen, Curian zog sich uncharakteristischer Weise früh zurück aufs Zimmer. Nicht so die Zwerge, die ausgelassen aßen und becherten, was die Küche hergab...
Der nächste Tag antlang der Küstenstraße verlief geschwind, Vaermhag war nur ein Zwischenstopp - eine Übernachtung in der Herberge hinter Tempel, dann der Weg weiter nach Süden.
Den nächsten Tag rasteten sie wieder an der Stelle, an der der Forst an die Küste heranreichte, den Zwergen war inzwischen die Stille zwischen ALthea und Curian aufgefallen, die beide jeweils in ihre Gedanken versunken dahinschritten, und so brummelten sie nur leise in Rogolan, während sie das Nachtlager bereiteten.
Am Abend des nächsten Tages erreichten sie Thorwal, schritten durch das Nordtor, und blickten die Straße am Fuß der Klippe entlang...
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…die vertrauten Geräusche der Stadt empfingen sie wie ein fernes Echo aus einem anderen Leben.
Rufe, das Klirren von Hämmern, das Knarren von Wagenachsen, das entfernte Tosen der Brandung unter den Klippen. Thorwal – so vertraut, und doch schien alles leicht verschoben, als sei die Stadt dieselbe, aber die, die sie betraten, andere geworden.
Furka war der Erste, der sich löste, die Arme weit ausbreitend:
„Bei Ingerimm – endlich wieder Zivilisation!“
Keldi schnaubte trocken. „Zivilisation? In Thorwal?“
„Aye,“ grinste Furka, „wo das Bier fließt und die Böden nicht wanken.“
Sie folgten der gepflasterten Straße bis zur Weggabelung. Zur Rechten der Hafen, geschäftig und laut, zur Linken der Aufstieg zum Großen Markt, wo die Dächer dicht beieinanderstanden und bunte Banner im Wind flatterten.
„Schwert und Zauberei,“ sagte Curian schließlich, ohne aufzusehen.
Althea nickte nur. „Ein erstklassiges Haus, direkt am Markt“, hatte er gesagt, und diesmal widersprach keiner.
Der Weg führte sie durch die lebendigsten Viertel der Stadt. Zwischen den Marktständen roch es nach geräuchertem Fisch, Pech und Teer, frischem Brot, Wein und Pferdeschweiß. Die Zwerge stapften in fester Formation, die Beutel klirrend vom Gold und von der Beute der letzten Wochen.
Am Platz vor dem Hotel hielt die Gruppe kurz inne. Die Sonne stand schräg über den Dächern, tauchte die Fassaden in kupfernes Licht. „Schwert und Zauberei“ – dunkles Fachwerk, blank polierte Messingbeschläge, rote Fensterläden, die in der Abendsonne glühten.
Ein Bote nahm ihnen das Gepäck ab, und der Duft von Holzfeuer und gebratenem Fleisch schlug ihnen entgegen, als sie die Halle betraten. Stimmen, Musik, das Schimmern von Kristallgläsern.
Für einen Moment sah Althea zu Curian hinüber. Er wirkte gefasst, höflich, beinahe zu ruhig.
„Ich bestehe auf getrennten Zimmern,“ sagte er sachlich, fast mechanisch, und der Satz schnitt leise durch die vertraute Stimmung.
„Natürlich,“ erwiderte Althea mit einem kaum hörbaren Lächeln.
Und als Althea und Curian sich im Eingangsbereich trennten, drehte er sich kurz um, den Hut in der Hand.
„Iss was. Schlaf. Thorwal hat Zeit.“
Dann ging er die Treppe hinauf, und Althea blieb einen Augenblick stehen, das Stimmengewirr hinter sich, das Abendlicht vor sich – und dieses leise Gefühl, dass etwas sich endgültig zu verschieben begann.
21. Rondra – Thorwal
Der Morgen begann mit dem Schlagen der Schiffsglocken im Hafen und dem fernen Brummen der Werftkräne. Nebel hing noch über den Dächern, als sie das "Schwert und Zauberei“ verließen – einer nach dem anderen, mit verschiedenen Zielen, aber demselben Gefühl: der Arbeit eines Tages nachzugehen, um nicht denken zu müssen.
Althea, Furka und Keldi machten sich zuerst auf. Die Sonne stieg langsam höher, und der Wind trug den salzigen Geruch des Hafens hinauf in die Marktgassen. Vor der Nordlandbank stand eine kurze Schlange; Althea trat hinzu, den schweren Beutel in den Händen. Das Gespräch mit dem Schreiber war sachlich, aber sie spürte, wie gut es tat, Ordnung zu schaffen – 1.200 Dukaten, sicher verwahrt, ein Symbol der Kontrolle in einer Welt, die zunehmend unberechenbar wurde.
Keldi stand schweigend hinter ihr, musterte die Wände mit den goldenen Tafeln der Handelshäuser. Furka dagegen grinste breit, als sie wieder hinaustraten. "Man fühlt sich gleich größer, wenn man weiß, dass irgendwo Geld liegt.“
Althea lächelte nur schwach.
Am Travia-Tempel gaben sie den überzähligen Reiseproviant ab. Der Platz davor war erfüllt von Stimmen, der Geruch nach frischem Brot und heißem Eintopf lag in der Luft. Die Tempelvorsteherin segnete die Bündel, und Althea spürte einen Moment lang Frieden – den leisen Trost von Wärme, Gemeinschaft, Routine.
Danach führte ihr Weg zum Handelsagenten Einauge – einem Mann mit scharfem Blick, aber ehrlicher Zunge. Als Althea wieder zu ihnen trat, war ihr Blick geheimnisvoll.
Währenddessen hatten Tondar und Hurdin am Zeughaus ihr Glück versucht – und waren mit unbeweglichen Gesichtern abgewiesen worden. Kein Empfehlungsschreiben, kein Zutritt.
"Formulare…“, brummte Hurdin, als sie später an den Marktständen am Hafen standen.
Tondar, stoisch wie immer, prüfte die Bolzen, zahlte wortlos, und beide gingen mit vollen Köchern davon.
So fanden sich alle am Nachmittag zufällig am selben Ort wieder – am Rand des Marktes, wo der Weg zum Travia-Tempel zurückführte. Furka lachte, als er sie sah. "Na, wenigstens haben sie euch nicht eingesperrt!“
Hurdin hob nur eine Braue. "Bolzen tun’s auch ohne Empfehlung.“
Sie gingen gemeinsam zum "Schwert und Zauberei“ zurück. Die Sonne stand bereits tief über der Stadt, und die Straßen begannen, sich zu leeren.
Am Abend füllte sich die Gaststube mit Stimmen und Musik, doch an ihrem Tisch blieb es still. Die Zwerge waren schnell in Gespräche verwickelt – Händler, alte Bekannte, Geschichten von Reisen und Kämpfen. Nur Althea und Curian saßen etwas abseits.
Sie hatte gewartet, bis die Teller leer und die Krüge halbvoll waren. Dann lehnte sie sich vor, die Hände ineinander verschränkt.
"Curian… du weißt, dass das keine Torheit ist. Was dort auf Hjalland geschieht, kann nicht bleiben.“
Er sah sie lange an, ohne Antwort. Dann trank er, langsam, setzte den Becher ab und sprach ruhig, fast müde:
"Althea, du siehst Sinn, wo ich Gefahr sehe. Ich habe Dinge gesehen, die sich nicht bekämpfen lassen, ohne dass sie etwas von dir mitnehmen. Und ich bin zu alt, noch einmal etwas zu verlieren.“
Sie hielt seinem Blick stand. "Dann überlass es denen, die es noch wagen.“
Ein Schatten huschte über sein Gesicht – nicht Ärger, eher Traurigkeit. "Vielleicht ist das genau der Fehler. Dass wir immer glauben, Mut wäre genug.“
Sie wollte etwas erwidern, aber die Worte kamen nicht. Zwischen ihnen blieb nur das Flackern der Kerze, das an den Rändern seiner Augen den Glanz nahm.
Er erhob sich schließlich, verbeugte sich leicht. "Ich wünschte, ich hätte deinen Glauben, Althea. Wirklich.“
Dann ging er, leise, wie jemand, der schon zu oft Abschiede gesprochen hat.
Althea blieb noch eine Weile sitzen, sah in den Wein, der sich im Glas spiegelte wie ein trüber Sonnenuntergang.
Im Nebenzimmer lachten die Zwerge laut, und sie lächelte schwach – aber ohne Freude.
Am Tag danach begibt Althea sich hinüber zum Tsa Tempel, wie immer, wenn sie nachdenken muss. Sie sitzt in der Halle des Tempels ihrer Geburtsgöttin, durch regenbogenfarbene Fensterschlitze unter der Decke fällt buntes Sonnenlicht und zeichnet Muster auf den Marmor des Hallenbodens. Hinter einer Säulenreihe erstreckt sich ein kleiner innerer Garten, ebenfalls umgeben durch einen Rundgang marmorner Säulen. Im Garten gibt es einen kleinen Teich, in dem sich die der Tsa heiligen Eidechsen tummeln. Althea sitzt, nachdem sie gespendet hat, auf einer kleinen marmornen Bank innerhalb der Halle in stummem Gebet und begibt sich später hinaus in den Garten, wo sie sich niederlässt und versonnen auf den Eidechsenteich blickt. Die Geweihten realisieren wieder einmal den zeitlosen Ausdruck auf Altheas Gesicht und sehen, dass hier eine sitzt, die im Zeichen ihrer Göttin geboren ist...
22. Rondra – Der Tempel der Tsa
Der Morgen begann klar, kühl, mit einem leichten Dunst über den Dächern Thorwals. Als Althea die Treppen zum Tsa-Tempel hinaufstieg, war die Stadt noch halb im Schlaf. Nur das ferne Klatschen von Wellen und das Rufen einzelner Händler hallte über die Plätze.
Der Tempel selbst lag in einem kleinen ummauerten Bezirk oberhalb des Marktes – ein Bau aus hellem Stein, schlicht und doch von einer stillen Schönheit. Über dem Portal rankte Wein, noch feucht vom Tau.
Im Inneren herrschte jene Art von Stille, die nicht leer, sondern gefüllt war – mit Atem, mit Licht, mit Zeit. Das Dach war hoch, und durch schmale, farbige Fenster über den Säulen fiel das Sonnenlicht in feinen Bahnen herab. Es brach sich an Marmor und Wasser, tanzte über Boden und Wände, warf Regenbögen auf die Gewänder der wenigen Gläubigen, die dort saßen oder standen.
Althea trat lautlos ein. Sie hatte die Hände vor der Brust gefaltet, den Kopf leicht gesenkt. Sie roch den zarten Duft von Myrte und Honigblumen, hörte das leise Plätschern des Wassers, das in den inneren Garten führte. Eine junge Geweihte in hellgrünem Schleier trat kurz auf sie zu, nickte und nahm die Spende entgegen, ohne Worte.
Dann war Althea allein.
Sie setzte sich auf eine der marmornen Bänke am Rand der Halle. Der Stein war kühl unter ihren Fingern, aber angenehm, geerdet. Über ihr flackerte ein Schmetterling, der sich durch eines der hohen Fenster verirrt hatte. Er schwebte über ihren Kopf hinweg, fand den Weg wieder hinaus.
Lange saß sie da, still, ohne zu beten. Ihre Gedanken zogen wie Wellen – kamen, brachen, flossen wieder ab. Bilder tauchten auf: das Meer bei Hjalland, die Höhle mit den Spinnen, Curians Gesicht im Licht der Kerze. Keine Worte, nur Empfindungen.
Als die Sonne weiterstieg, stand sie auf und ging in den inneren Garten.
Dort war das Licht milder, von den Säulen gefiltert. Ein kleiner Teich lag in der Mitte, über dessen Wasser sich das Blau des Himmels spiegelte. Darin tummelten sich Eidechsen in allen Farben – smaragdgrün, gold, bernsteinfarben. Einige ruhten auf den warmen Steinen, andere glitten durchs Wasser, fast lautlos.
Althea setzte sich auf die niedrige Mauer des Beckens, legte den Stab neben sich. Der Wind trug den Duft von Gras und Stein, und irgendwo sang ein Vogel.
Sie beugte sich leicht vor, sah in das Wasser, und das Wasser sah zurück – ihr Gesicht, von Licht und Schatten gebrochen.
Eine ältere Geweihte trat an den Säulen entlang, blieb kurz stehen. Sie sah Althea, sagte nichts. Nur ein Lächeln, ein leises Nicken. In diesem Gesicht, in dieser Ruhe, erkannte sie etwas, das nicht gelernt werden konnte – den stillen Segen ihrer Göttin.
So verging Zeit – eine Stunde, vielleicht zwei. Die Schatten der Säulen wanderten über den Boden, das Licht änderte sich, wurde goldener.
Althea bewegte sich kaum. Ihre Hände ruhten auf den Knien, die Schultern entspannt, die Augen halb geschlossen. Kein Gebet, keine Bitte, nur Dasein.
Und wer sie in diesem Moment sah, hätte vielleicht geglaubt, sie höre etwas, das jenseits des Lärms der Welt lag – ein stilles, unsichtbares Lied, das nur jene kennen, die im Zeichen der Erneuerung geboren sind.
Später, als sie den Tempel verließ, hatte sie nichts entschieden und doch alles.
Ihr Schritt war ruhig, der Blick klar. Die Antwort würde kommen – in ihrer Zeit.
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Thorwal im Hochsommer hatte einen eigenen Klang. Kein Lärm, kein Chaos – eher dieses gedämpfte, allgegenwärtige Grollen der Stadt, das vom Hafen herüberzog: Stimmen, Hämmer, Möwen, Wind.
Im „Schwert und Zauberei“ war alles ein bisschen zu fein für Zwerge – geölte Holztische, blanke Kupferkrüge, das Personal mit weißen Schürzen. Doch sie hatten sich daran gewöhnt. Eine Woche. Sieben Tage aus schimmerndem Leerlauf, aus Warten, aus Schweigen, das nicht bedrückte, aber an Gewicht gewann.
23. Rondra
Der erste Tag war der Übergang. Die Gruppe verteilte sich: Curian verschwand nach dem Frühstück Richtung Akademie, Archon in den Schatten des Hofes, die Zwerge in die Stadt.
Am Abend saßen sie beieinander, redeten kaum. Nur das leise Klirren von Furkas Würfeln auf dem Tisch – und Altheas nachdenklicher Blick, als sie ihm die Hand auf die Schulter legte.
„Heute nicht, mein Freund.“ – „Ein Wurf nur…“ – „Kein Wurf heute.“
Er grinste, aber sie meinte es ernst.
24. Rondra
Der Tag gehörte dem Silber.
Althea hatte den Tisch in ihrem Zimmer mit Leinentuch und Notizen bedeckt, Runen ausgeleuchtet, Schimmer und Rückfluss geprüft.
Furka kam vorbei, schob sich an den Türrahmen, kaute an einem Apfel.
„Wenn du mich so anschaust, will ich fast glauben, du redest mit dem Schmuck.“
„Tu ich auch. Nur antwortet er nicht.“
Er lachte, sie lächelte – und als der Abend fiel, lag der erste der Artefakte vor ihr, gereinigt, verstanden, still.
Unten im Gastraum allerdings mischte Furka Karten – und gewann. Zu oft.
Am nächsten Morgen war Althea hellhörig, als sie vom Personal hörte, man habe „den kleinen mit dem Bart“ rauskomplimentiert.
25. Rondra
Sie arbeitete weiter, vertieft in das Totenkopfamulett – spürte diese seltsame Schwere darin, als hinge in dem Silber der Schatten der alten Herberge.
Furka dagegen zog mit Hurdin los – „nur mal schauen“.
Abends kehrten sie lachend zurück, der eine leicht angeschlagen, der andere stolz, keinen Stuhl verloren zu haben.
„Ich hab nur geguckt!“ – „Ja, und die anderen haben gesehen, dass du zu gut guckst.“
26. Rondra
Der Tag brachte das Kurzschwert.
Ein Werk von Zyklopen vielleicht – oder älter.
Keldi stand daneben, als sie die Runen nachzog. „Das ist kein Menschenstahl.“
„Nein,“ sagte sie, „das ist etwas, das auch dich führen würde.“
Er nickte – und nahm es schweigend entgegen.
Abends war Furka wieder fort, diesmal mit Tondar. „Nur ein Bier.“
Vier Würfe später stand er draußen im Nieselregen, lachte und hustete zugleich.
27. Rondra
Der Silberstreitkolben lag auf dem Tisch, wie ein Mahnmal. Archon half ihr, die Signaturen zu entziffern, redete wenig, notierte viel.
Im Hof unterhielten sich Keldi und Furka über den Unterschied zwischen Glück und Können. Es war ein kurzer Disput.
„Wenn du noch einmal Glück sagst, stopf ich dir die Würfel in den Bart.“
„Dann rasseln sie wenigstens schön.“
28. Rondra
Die Sichel – golden, zart, gefährlich.
Althea ließ sie im Licht schimmern, während Archon sie prüfend wog. „Für Kräuter,“ sagte er. „Und vielleicht für mehr.“
Ein Moment Einverständnis, still und wissend.
Unten im „Drachenschiff“ war es weniger still. Furka, umringt, zu laut, zu siegreich. Bis die Stimmung kippte.
Keldi griff ihn, bevor Hände zu Fäusten wurden, und schleppte ihn hinaus.
„Ich hab doch nur…“ – „Ich weiß. Jetzt halt die Klappe.“
29. Rondra
Die Stadt atmete schwer an diesem Tag. Ein grauer Morgen über dem Meer, Möwenrufe, der Geruch von Salz und Metall.
Curian war kaum mehr zu sehen, die Zwerge ruhten aus, selbst Furka wirkte leiser.
Althea aber hatte ihre Entscheidung längst getroffen.
Nach dem Frühstück legte sie das silberne Amulett, die gereinigten Artefakte, ihre Notizen sorgfältig zusammen, stand auf und sagte nur:
„Ich geh hinüber.“
Keldi nickte, verstand sofort.
Und so verließ sie das „Schwert und Zauberei“ – den Wind im Haar, den Blick nach Osten, dorthin, wo die Halle der Beilunker Reiter stand.
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Der Morgen des 6. Efferd war kühl und still. Nebelschleier hingen über dem Hafenbecken, und der Wind trug den Geruch von Salz, Teer und frisch entladenem Holz über die Stadt. Thorwal atmete leiser an diesem Tag, als wüsste es, dass zwei Wege sich gleich trennen würden.
Althea und Curian gingen nebeneinander her, schweigend. Kein Streit, kein Groll – nur dieses unausgesprochene Wissen, dass sie denselben Weg gingen, aber nicht dasselbe Ziel hatten.
Das „Schwert und Zauberei“ lag schon hinter ihnen, der Platz davor langsam erwachend: Marktschreier, das Schlagen von Kisten, ein paar Kinder, die Möwen nachliefen.
Vor dem Travia-Tempel blieb Althea kurz stehen. Das Licht fiel schräg auf die Steinstufen, und die Priesterin, die draußen Körbe mit Brot segnete, nickte ihr freundlich zu.
„Kommst du noch mal wieder?“, fragte sie, und Althea antwortete leise: „Immer.“
Curian wartete, den Stab locker in der Hand. Sie holte ihn ein, und sie gingen weiter über eine der hölzernen Brücken, die in sanftem Rhythmus unter ihren Schritten knarrte. Unter ihnen glitt das Wasser träge dahin, und irgendwo klapperte ein Mastseil.
Im Kontorviertel roch es nach Öl, Papier und altem Geld. Händler öffneten ihre Läden, schoben schwere Rollläden hoch, und aus einer Seitengasse klang das Schlagen eines Hammers. Althea sah, wie Curians Blick sich veränderte – dieser Zug von Nachdenklichkeit, den sie kannte, wenn er innerlich schon Abschied nahm.
„Ich habe es mir nicht leicht gemacht,“ sagte er schließlich, als sie den Schatten der Felsen erreichten.
„Ich weiß,“ erwiderte sie. Ihre Stimme war ruhig, aber ihr Blick blieb nach vorn gerichtet.
„Die Akademie… sie hat mich eingeladen. Hellsicht, Forschung, ein paar Aufzeichnungen aus dem Süden, die sie kaum verstehen. Ich könnte helfen. Und ehrlich gesagt – ich glaube, ich kann dir dort nützlicher sein als auf Hjalland.“
Ein Möwenschrei durchschnitt die Luft.
„Du willst helfen, indem du bleibst,“ sagte sie, fast mehr zu sich als zu ihm.
Er nickte. „Ich habe zu viele Tempel gesehen, Althea. Zu viele, die wir niederbrennen wollten – und zu viele, in denen etwas von uns mitverbrannt ist.“
Der Pfad bog in die Straße am Fuß der Klippe, wo der Wind stärker wurde. Hier klangen die Schritte hohl, und das Meer rauschte nahe. Die Mauern der Stadt lagen hinter ihnen, das Nordtor voraus. Auf halber Höhe, zwischen den dunklen Basaltwänden, erhob sich die Akademie der Hellsicht – keine Zitadelle, sondern ein ruhiger, schmaler Bau aus hellem Stein, mit schmalen Fenstern und Kupferdächern, die in der Morgensonne glimmten.
„Du gehörst hierher,“ sagte Althea schließlich. „Du suchst Wissen. Ich… suche Antworten.“
Curian sah sie an, zum ersten Mal an diesem Morgen wirklich. „Das ist dasselbe, wenn man Glück hat.“
Sie standen vor den Toren, als ein Lehrling in grauer Robe erschien, leicht verlegen, und Curians Namen nannte. Der Magier nickte, drehte sich noch einmal zu ihr um.
„Ich habe selten jemanden getroffen, der den Dingen mehr auf den Grund sieht als du. Nur – du siehst mit dem Herzen, ich mit dem Verstand. Ich hoffe, einer von uns irrt sich – und dass es du bist.“
Sie lächelte matt. „Ich hoffe, keiner von uns hat recht.“
Dann trat er durch das Tor, der Lehrling an seiner Seite.
Althea blieb stehen, bis die Schritte verklangen und das Tor sich leise hinter ihm schloss. Ein Windstoß fuhr durch ihren Mantel, brachte eine Strähne ihres Haares zum Tanzen. Sie sah zum Meer hinunter, wo sich Licht auf der Wasserfläche brach, und atmete tief ein.
Als sie sich schließlich abwandte, lag die Stadt unter ihr, golden im Morgenlicht, und irgendwo unten, am Platz der großen Märkte, wartete schon das „Vier Winde“. Dort, ahnte sie, würde sie am Abend jemand treffen, der an sie glaubte – so wie sie an das, was kommen musste.
Der Wirt blickte auf, als Althea eintrat. Der Abendwind, der durch die offene Tür strich, trug den Geruch des Hafens herein — Salz, Pech und das ferne Rufen der Möwen. Die Sonne stand tief, der Himmel war in Rot und Gold getaucht, und das Licht fiel gebrochen durch die bleiverglasten Scheiben des „Vier Winde“.
„Habt ihr Nachricht für mich?“ fragte Althea, zum wiederholten Mal in dieser Woche, und ihre Stimme war ruhig, aber das Zittern darin verriet Hoffnung.
Der Wirt öffnete gerade den Mund, als das leise Klirren von Metall den Raum füllte. Althea drehte den Kopf — und blieb stehen.
Auf der Treppe stand Ardora. Das Licht der sinkenden Sonne schien hinter ihr herein, legte einen Glanz auf das Kettenhemd, das sie trug. In der Rechten ruhte locker die Hand auf dem Knauf des Schwertes von Runin — das alte, schmale, runenverzierte Klingenstück, das Althea aus dem schwarzen Schiff kannte. Das Licht schimmerte über den Metallflächen, und der Ausdruck auf Ardoras Gesicht war derselbe wie damals, als sie in der Dunkelheit des Totenschiffes Seite an Seite gekämpft hatten: konzentriert, unbeirrbar, und doch — als sie Althea sah — weich um die Augen.
Ein Lächeln, knapp, aber warm.
„Ich hatte gehofft, dich hier zu finden,“ sagte Ardora, und ihre Stimme war wie eh und je — fest, von jener Klarheit, die man nur in Menschen findet, die schon zu oft gegen die Nacht gestanden haben.
Sie setzten sich in eine Ecke des Schankraums. Der Wein war kräftig, rot wie Blut und schwer vom Geschmack südländischer Trauben. Eine Stunde verging, doch die Zeit schien sich dehnen.
Ardora berichtete zuerst — von Prem, vom Totenschiff, von den Spuren, die sich im Westen verloren. Von den Boten der Inquisition, die die dunklen Zirkel wieder aufgespürt hatten, und von den Schatten, die selbst die Namenlosen Tage überdauert hatten.
Dann erzählte Althea. Von Hjalland, vom Auftrag des Hetmanns, von den verstreuten Kartenteilen. Von Eliane Windenbek und ihrem Handel — und von Curian, der in Thorwal geblieben war.
Ardora hörte still zu, nur manchmal ein Nicken, ein leises „Verstehe.“ Als Althea geendet hatte, stand für einen Moment nichts zwischen ihnen als der Atem der Kerze.
„Ein Tempel des Namenlosen also,“ sagte Ardora leise, und strich mit dem Daumen über den Rand ihres Bechers. „Dann ist es gut, dass ich hier bin.“
„Du weißt, was das bedeutet.“
„Ja.“
Ein schlichtes Wort, und doch trug es Gewicht. „Aber du weißt auch, dass ich nicht zögere.“
Sie verließen den „Vier Winde“, als die Dämmerung Thorwal bereits in Blau getaucht hatte. Am Hafen loderten Feuer in Fässern, die Segel der Schiffe waren wie dunkle Schattenrippen gegen das letzte Licht des Westens. Der Wind trug den Geruch von Teer und Salz, und die Planken ächzten leise unter den Schritten der Matrosen.
Ardora und Althea gingen nebeneinander her. Kein Wort fiel. Nur einmal drehte sich Ardora leicht und sah sie an.
„Du hast dich verändert,“ sagte sie.
Althea sah sie an, verstand. „Wir alle.“
Im „Schwert und Zauberei“ war das Licht gedämpft, aber der Lärm umso lauter. Als die Tür aufging, brandete sofort ein Ruf auf:
„Bei Ingerimm! Wer kommt denn da?“ rief Furka, der schon auf halber Bank stand, und Keldi schlug mit der Faust auf den Tisch.
Ardora lächelte kaum merklich, zog den Umhang zurück, das Schwert blitzte.
„Na, wenn das kein Besuch ist, der die Zechordnung durcheinanderbringt,“ brummte Hurdin.
Die Zwerge rückten zusammen, machten Platz. Ein Krug erschien, noch einer, Stimmen wurden leiser. Der Tisch am Rand des Raumes wurde geräumt, Pergamente, Beutel und Karten lagen bald darauf ausgebreitet.
Es folgte die sachliche, fast militärische Ordnung, die vor einem Aufbruch entsteht:
Keldi überprüfte das neue Kurzschwert — zog es halb, prüfte die Balance, nickte zufrieden.
Hurdin zählte Bolzen, einer nach dem anderen, in stoischer Ruhe: „Vierzig… zweiundvierzig… sechsundvierzig. Kann nie genug haben.“
Archon befestigte die goldene Sichel an seiner Seite, als wäre sie ein Symbol, nicht nur ein Werkzeug, und steckte die Dolche an ihre Plätze — jeder wie eine gedachte Antwort auf eine mögliche Frage.
Tondar, wortlos wie immer, hatte in seinen Bündeln Schmuck und den silbernen Streitkolben verborgen. Altheas Blick traf ihn kurz — kein Tadel, kein Urteil. Nur Verständnis. Er nickte, sie nickte zurück.
Furka hielt die beiden goldenen Praiosamulette zwischen den Fingern, funkelnd im Licht der Kerzen.
„Meine Talismane des Glücks,“ murmelte er, halb im Scherz.
„Nicht diesmal,“ sagte Althea ruhig, trat zu ihm, öffnete die Hand und nahm sie ihm ab. Furka protestierte halbherzig, aber der Ton in ihrer Stimme ließ ihn innehalten. Sie wandte sich zu Ardora.
„Als Zeichen.“
Ardora nahm die beiden goldenen Anhänger, ließ sie in ihre Handfläche gleiten.
„Dann geh’ ich nicht mit leeren Händen in die Dunkelheit,“ sagte sie, und schloss die Finger darum.
Ein Moment der Stille. Nur das Knistern der Kerze.
Dann stand Ardora auf, legte die Hand auf das Schwert.
„Ihr habt eine Aufgabe. Ich geh mit euch — bis sie erfüllt ist.“
Und keiner widersprach.
Nicht einmal Furka.
In dieser Nacht war Thorwal still. Nur draußen, hinter den Fenstern, rauschte das Meer.
Und über dem „Schwert und Zauberei“ stand der Mond — groß, kalt und weiß — als wachte er über jene, die sich wieder einmal aufmachten, gegen das Dunkel.
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Unterwegs mit Zwergen #66
(Versatzstücke)
Und so verließen sie Thorwal wieder, die Handelsstraße zurück auf dem Weg, den Sie gekommen waren. Es war Hochsommer, die Sonne brannte vom Himmel, die Zwerge hatten die Ärmel hochgekrempelt. Tonar und Keldi wie immer voran, es folgten Hurdin, Archon und Furka, der gelegentlich zurück blickte, wo Althea und Ardora nebeneinander den Abschluß machten. Die Küste zur linken, die Klippen wichen leichten Dünen, zur rechten Felder, in der Entfernung einzelne Häuser oder Höfe. Gelegentlich überholten sie kleine Wagenzüge oder wichen entgegenkommenden Reisenden aus - bis Varnheim ist die Straße geschäftig...
Sie rasteten wieder nahe des Waldgebietes auf der Strecke nach Vaermhag. "Wenn ich eine Wegherberge errichten würde dann genau hier", sinnierte Furka und Tondar schien schon Maß an den Bäumen zu nehmen... Übernachtung in Vaermhag, ein Nachmittag auf dem staubigen Platz, der in der Sommerhitze flirrte, dann ein anständiger Marsch bis zu "Golfblick", dessen erlesenes Essen diesmal auch Althea begeisterte (auch wenn Ardora es wahrscheinlich als unbeherrscht wahrnahm). Am nächsten Tag erreichten sie Varnheim.
Sie begaben sich hinunter zum Hafen und erkundigten sich nach eine Passage hinüber nach Ljasdahl. Dort lag der Kutter Krakenmolch, den und dessen Kapitän sie gleich wiedererkannten... Und die saugnapfförmigen Verunzierungen am Rumpf. Schnell verließen Sie den Hafen wieder... Althea und Ardora begaben sich zum Haus Eliane Windenbeks, trafen diese aber nicht an... Sie übernachteten in der "Herberge Varnheim" im kleinen Hafenviertel und versuchten ihr Glück erneut im Hafen...
Der Sommer hatte sich über das Land gelegt wie ein goldener Schleier, schwer vom Duft reifer Felder und harziger Kiefern. Auf der Handelsstraße gen Süden brummte das Leben: Wagen, Händler, Pilger und Schiffer, die den Flussweg suchten. Zwischen ihnen, ruhig und gleichmäßig, die kleine Gruppe – sechs Zwerge und zwei Frauen, jeder Schritt im Staub begleitet vom Klirren ihrer Ausrüstung.
Sie rasteten am Rand des großen Waldgebiets. Dort, wo das Land zwischen Hügeln und Bäumen in eine stille Senke fiel, legten sie ihre Rucksäcke ab.
„Wenn ich eine Wegherberge errichten würde – dann genau hier“, meinte Furka, während er prüfend den Blick über das Gelände schweifen ließ.
„Hält Wind ab, nahe der Straße, Holz genug“, ergänzte Tondar, und man sah ihm an, dass er in Gedanken schon Maß nahm an den Bäumen.
Keldi schnaubte: „Dann lass dich gleich nieder und bau sie.“ – und doch war sein Ton nicht spöttisch, sondern fast… warm.
In Vaermhag empfing sie die flirrende Hitze eines Nachmittags, der selbst den Schatten der Gebäude träge machte. Der Platz vor dem kleinen Tempel flimmerte, Kinder liefen barfuß durch den Staub, und aus den offenen Türen der Schenke roch es nach Pfeifenkraut und Bier. Sie hielten nicht lange, nur eine Nacht in der Herberge „Zum Tempel“, doch die Ruhe tat gut – ein weiches Bett, ein Dach, das nicht atmete.
Der Weg nach Golfblick war leicht, fast verführerisch einfach. Das Meer glitzerte neben ihnen, die Luft war salzig und klar, und als sie das Gasthaus auf der Düne erreichten, stand der Himmel in flüssigem Kupfer.
Das Essen war, wie immer, ausgezeichnet. Dieses Mal sogar so gut, dass Althea zum ersten Mal seit Wochen lachte, leise und unverstellt. Ardora beobachtete sie nur kurz über den Rand ihres Bechers hinweg – und lächelte kaum merklich.
Am nächsten Tag kamen sie nach Varnheim, die vertrauten Dächer, der Marktplatz, der nach Teer und Fisch roch. Am Hafen drängten sich Kutter, Schiffe und Boote dicht an dicht, Taue knarrten, Möwen schrien. Sie fragten nach einer Überfahrt nach Ljasdahl – und fanden sie:
Der Krakenmolch.
Althea erkannte den Kutter noch, bevor sie den Namen las – und das flüchtige Zucken in ihrem Gesicht sagte alles. Am Rumpf klebten noch immer die rundlichen, saugnapfartigen Narben jener Begegnung, die keiner vergessen hatte.
Furka murmelte ein sehr unzwergisches Wort, und selbst Ardora sah kurz an ihr entlang, als wollte sie prüfen, ob die Magierin wirklich an Bord gehen würde.
Sie taten es nicht.
Sie verließen den Kai schweigend, der Wind trug den Geruch von Tang und Teer hinter ihnen her, während sie sich zum oberen Viertel wandten.
Das Haus von Eliane Windenbek lag still in der Sonne, die Fensterläden halb geschlossen, kein Rauch aus dem Kamin. Niemand öffnete.
Althea stand einen Moment vor der Tür, die Hand auf der Klinke, und ließ sie dann sinken.
„Dann nicht“, sagte sie leise.
Sie kehrten in die Herberge Varnheim zurück, ein kleiner Gasthof im Hafenviertel, wo das Holz der Wände nach Salz und Ale roch. Die Zwerge fanden rasch den Weg zum Schankraum; Althea blieb eine Weile am Fenster ihres Zimmers, den Blick hinaus auf den Hafen gerichtet, wo das Licht des Abends in den Segeln glomm.
Am nächsten Morgen würden sie es noch einmal versuchen.
Und dann – würde das Schicksal sie wieder über das Meer führen.
Frühmorgens fanden sie tatsächlich schnell einen Kutter, der über eine leicht gedünte sommerliche See bei gutem Wind am selben Tag nach Hjalland übersetzte. Das sommerliche Ljasdahl, der in der Nachmittagssonne liegende zentrale Platz, das gepflegte Pflaster, und das gute "Haus Hjalland" wirkten zu friedlich angesichts dessen, was sie über die Insel erfahren hatten... Sie erkundigten sich im Lauf eines ausgedehnten Abendessens beim Wirt, und tatsächlich - auf der anderen Inselseite gab es wohl einen alten Tempel, eine Kultstätte welchen der Zwölfgötter auch immer gewesen, dann eine Weile als Kloster genutzt - "Aber das ist bereits über 50 Jahre her...".
Die Gruppe nahm bedächtig auf und überprüfte Waffen und Ausrüstung. Am nächsten Morgen machten sie sich auf den Weg, den Rundweg um die Insel...
Der Morgen war klar, der Wind trug Salz und Sonne zugleich. Der kleine Kutter schob sich sanft durch die ruhige See, das Wasser war hellblau und glitzerte, als hätten die Götter selbst goldenen Staub darüber gestreut. Althea stand am Bug, der Mantel flatterte leicht hinter ihr, während Ardora schweigend neben ihr stand, die Hand auf dem Schwertknauf. Hinter ihnen saßen die Zwerge auf den Kisten der Fracht – das gleichmäßige Schaukeln brachte sogar Furka kurz zum Dösen.
Noch vor Mittag tauchte Hjalland am Horizont auf: eine sanft geschwungene Insel, von grünen Wiesen, Hügeln und verstreuten Wäldern bedeckt. Die Küstenlinie lag friedlich da, beinahe einladend. Zu friedlich.
Ljasdahl empfing sie in warmem, sommerlichem Glanz. Die Sonne stand über dem gepflasterten Platz, wo Händler Körbe mit Äpfeln und Räucherfisch feilboten. Der Brunnen plätscherte, Möwen riefen über den Dächern. Es war ein Ort, an dem man die Welt vergessen konnte — und gerade das machte die Gruppe wachsam.
Im Haus Hjalland war es kühl und freundlich. Der Wirt erkannte sie wieder und begrüßte sie wie alte Gäste. Der Wein war süß, das Essen reichlich. Sie saßen lange über dampfenden Schüsseln, während die Gespräche leiser wurden.
„Auf der anderen Seite der Insel“, erklärte der Wirt schließlich, als sie vorsichtig nachfragten. „Ein altes Gemäuer. Einst ein Tempel, man sagt, Efferd oder Tsa, wer weiß das noch. Später ein Kloster. Aber das ist... bei den Göttern, über fünfzig Jahre her. Heute geht keiner mehr dorthin. Kein Weg führt direkt hinüber, nur ein alter Pfad durchs Moor.“
Ein Satz, der im Raum hängen blieb.
Keldi nickte langsam, ohne aufzublicken. Hurdin rieb den Daumen über den Griff seiner Armbrust. Archon sah still auf den Becher vor sich, und Ardora zog das Schwert nur einen Finger breit aus der Scheide, als wolle sie prüfen, ob es bereit war.
Althea schwieg lange. Dann: „Fünfzig Jahre sind lang genug.“
Sie standen später noch auf dem kleinen Balkon ihrer Zimmer. Der Abendhimmel lag wie ein purpurnes Tuch über der See, und das Licht spiegelte sich auf den Fenstern der Stadt. Unten auf dem Platz lachten Kinder, irgendwo spielte eine Laute. Doch für sie klang all das fern.
Am nächsten Morgen, als das erste Sonnenlicht die Dächer Ljasdahls vergoldete, zogen sie los.
Der Weg führte aus dem Ort hinaus, über sanfte Hügel, zwischen Windrädern und Wiesen hindurch, dann in einen dichten, von Nebeln durchzogenen Wald. Der Pfad war kaum mehr als ein Tritt, überwachsen, ungenutzt – als hätte die Insel selbst beschlossen, das Vergangene zu vergessen.
Und irgendwo jenseits dieser grünen Stille, verborgen unter den Schatten alter Mauern, wartete der Tempel.
──────────────────────────────────
Ihr Weg führte sie an der zum Wasser abfallenden grünen Küste entlang, kaum mehr ein Trampelpfad, über den vielleicht ein paar Mal im Jahr eine Herde von innerhalb der Insel nach Ljasdahl getrieben wurde. Gegen Mittag bedeckte sich der Himmel und die sommerliche Wärme wurde zu dumpfer Hitze. Gegen Abend trafen sie auf einen Schäfer und seine Herde, der ihnen von Gemäuern etwa zwei Tagesmärsche weiter erzählte, verlassen, aber dennoch gemieden. Sie rasteten an einem Hang in der Nähe und teilten ihre Mahlzeit mit ihm. Auch der nächste Tag klarte nicht auf, und gegen Nachmittag dräuten am Horizont dunkle Wolken, die ein Gewitter ankündigten. Zur linken das Grün des Inselinneren, zur rechten Felsklippen setzten sie den Weg fort, bis wieder das Meer in Sicht kam. Sie rasteten an einem früh dunkelnden Abend zwischen grünen Hügelkuppen, das Meer jenseits des Pfades ungewöhnlich ruhig, die Wellen mit gelegentlichen Brechern, gleich dem Atem eines übergroßen Wesens... Am Folgetag gingen sie unter bleiernem Himmel dahin, einen Eindruck von ewig gleichen wellenden Hügeln zur Linken, einem glatten Meer zur Rechten. Um den späten Nachmittag sahen sie den Weg vor ihnen hinab, auf einige Gebäude, die zur Küste hin standen. Sie erreichten den Ort mit Einbruch der Dunkelheit, einige verfallende Wirtschaftsgebäude dahinter Mauern die in die Klippen gebaut waren, ein dunkles, offenes Tor. Sie hatten den ehemaligen Tempel erreicht...
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Unterwegs mit Zwergen #67
(Versatzstücke)
Das Kloster ist in die Klippen gebaut, diese Etage von Grasnarbe bedeckt. Der Eingangsweg führt geradeaus und leicht abwärts, zur linken und rechten tun sich Durchgänge auf, und mündet in einen Vorraum mit einem Torbogen der in einen Kultraum führt. Vereinzelt Quellen flackernden Lichts und ein leises Murmeln verraten die, die dort im Dunkeln knien, düstere Statuen blicken Gesichtlos aus den Ecken des Raums. Kaum werden die Kultisten der Gruppe gewahr, ziehen sie lange Messer unter ihren Roben hervor und greifen an. Der nachfolgende Kampf füllt den Raum mit Feuer und dem Schreien der sterbenden oder fliehenden Anhänger des Namenlosen. Man sieht nur das aufblitzen und den Widerschein der Flammen, hört Schreie, dann stürzt ein Kultist mit brennenden Roben durch den Torbogen...
Das Feuer erlischt, aber der Gestank verbrannten Wachses und Blutes hängt in der Luft. Die Gruppe tastet sich weiter, Lichtkegel über feuchte Wände, ein hallender Schritt, das metallische Klicken einer gespannte Armbrust. Ardora vorneweg, das Schwert in der Rechten, das goldene Zeichen des Götterfürsten in der Linken.
Althea dicht hinter ihr, die Finger an der Stabspitze – bereit, aber still.
Die Zwerge sichern Flanken und Rücken. Ein eingespieltes Räderwerk, das aus dem Chaos Ordnung macht.
Die dunklen Statuen starrten stumm auf die Szenerie, nachdem sich der Rauch gelegt hatte. "Nicht anfassen!" kam von Adora. Das Amulett des Praios erhoben in ihrer linken Hand. Das Gold glomm im Widerschein des Feuers. Türen, Geheimtüren, Fallgruben und Fallen... Sie scheuchten weitere Kultisten im Flügel der Schlaf- und Wohnkammern auf, eine ganze Gruppe in einem Gang, der weiter in die Tiefe führte. Ardoras blitzender Klinge, Altheas Feuer und den Bolzen der Zwerge war nichts entgegen zu setzen...
Einige Wirtschaftsräume, dann begann der Weg nach unten. Eine Tür in der Rückwand des Kultraums führte zu einem Treppenhaus, dort unten, zwischen die Klippen gebaut, lag das Zentrum des Klosters. Lange gewundene Gänge, Statuen, und dann, ein Priester, der die Macht seines Gotte beschwor - doch nichts half gegen Altheas Feuer. Mehr Kammern, in denen die Schritte wieder hallten, sie näherten sich dem Herz des Tempels...
Die Luft dort unten war dick, fast zum Schneiden. Der Rauch von brennendem Öl hing in den Bögen der Decke, und jedes ihrer Schritte klang, als würden sie durch die Rippen eines toten Gottes schreiten.
Ardora vorn, ihr Schwert noch warm vom letzten Schlag, das Gold des Amuletts glomm matt.
Althea folgte, der Stab in beiden Händen, das Licht an der Spitze flackerte unruhig — nicht vom Wind, sondern von etwas, das sich in der Tiefe bewegte.
Und irgendwo dazwischen, im Gleichmaß ihrer Schritte, das Pochen: der Pulsschlag des Tempels selbst.
Sie gingen nicht mehr hinein.
Sie wurden hineingezogen.
Bis es nicht mehr weiter ging. Die Jünger des Namenlosen Gottes, geschlagen? Doch fruka fan0d einen Mechanismus, eine Hebelanlage, durch ein Ächzen und Knirschen aus der Gängen vor ihnen hallte. Ardora erklärte sich bereit, die Hebel nieder zu halten. Mehr Gänge, geheime Türen und dann - am Ende eines gewundenen Ganges...
Der Weg dorthin war eng, roh in den Fels geschlagen, die Wände kalt vom salzigen Atem des Meeres. Tropfen fielen in regelmäßigen Abständen von der Decke, jeder hallte wie ein Schlag in der Stille. Das matte Licht der Fackeln warf verzerrte Schatten, ließ Gesichter an den Wänden aufscheinen, die keine waren.
Dann öffnete sich der Gang unvermittelt in eine Kammer — größer als jede zuvor.
Und dort stand sie.
Die Statue.
Zwei Schritte über ihnen erhob sie sich, aus schwarzem Stein gehauen, in fließende Roben gehüllt, die in der Bewegung erstarrt schienen. Wo ihr Gesicht hätte sein sollen, war nur Leere — ein Abgrund aus glattem, dunklem Nichts. Die Hände ausgestreckt, die rechte geöffnet, in deren Mitte ein matter, goldener Schimmer glomm.
Furka wollte etwas sagen, doch der Laut blieb ihm im Hals stecken.
Ardoras Stimme, sonst immer gegenwärtig, blieb diesmal aus — nur ein Rascheln, als sie sich hinter ihnen postierte, den Hebel noch fest in der Hand, der irgendwo weit zurück den Mechanismus blockierte.
Die Luft vibrierte.
Das war kein Ort mehr, das war ein Wille.
Etwas atmete in der Dunkelheit.
Und während Furka einen Schritt nach vorne tat, als hätte er es gar nicht beschlossen, glitt der goldene Schimmer aus der Handfläche der Statue über sein Gesicht — und begann zu sprechen.
Ein hoher, dunkler Bogen öffnete sich zu einer Kammer, kaum größer als eine Schmiede. In ihrem Zentrum: eine Gestalt in fließenden Roben, der Kopf tief in der Kapuze verborgen. Unter ihr sammelte sich Staub, uralt, unberührt.
Die Hände ausgestreckt, die Handflächen offen, als warteten sie.
In der rechten glomm etwas Goldenes.
Sie standen schweigend. Das Feuer der Fackel zitterte.
Kein Laut, kein Ruf – selbst Ardoras Stimme fehlte diesmal, wie sonst.
Furka trat vor.
Ein Funken Glanz, kaum mehr als der Schimmer einer Münze – und doch brannte er sich in seine Augen.
„Gold,“ murmelte er, und ehe jemand reagieren konnte, griff er zu.
Er berührte den Stein.
Das Gold erwachte.
Es flutete aus der Handfläche, rann über seine Finger, seine Arme, seinen Blick –
und er sah.
Er sah Gold, so weit das Auge reichte, Kisten, Hallen, Truhen, funkelnde Beutel, Regen aus Dukaten.
Er stand im Zentrum eines goldenen Sturms, und das Lachen in seiner Brust war heller als das Feuer selbst.
Nur noch ein Schritt, und alles, was er je wollte, würde ihm gehören.
Dann – ein Schlag.
Tondar. Er hatte ihn gepackt, zurückgerissen, stürzte mit ihm zu Boden, rollte herum – und prallte gegen die Statue.
Sein Blick traf die Leere unter der Kapuze.
Und die Leere füllte sich.
Edelsteine. Unzählige.
Ein Meer aus Glanz, Rubine, Saphire, Smaragde, jeder ein Stern, jeder ein Versprechen.
Sie rollten über ihn hinweg, fluteten ihn, und irgendwo dazwischen war er selbst – König des Reichtums, Herr des Lichts.
Er hob die Hand, um danach zu greifen –
und sah Archon.
Der alte Zwerg stand starr, den Blick auf die Statue gerichtet.
Er wollte Tondar nicht halten.
Er verstand.
Er wusste, dass hier Wissen geboten wurde – Wissen, das alle Grenzen überstieg.
Er trat vor, langsam, ehrfürchtig,
und als der Schein ihn traf, sah er Bücher, Runen, Worte, die nie ein Sterblicher gesehen hatte.
Er fühlte das Gewicht der Erkenntnis, die niemand tragen sollte.
Und er wollte sie.
Für einen Atemzug, einen einzigen, wollte er sie.
Keldi trat vor.
Er wollte schützen, wollte die anderen von der Statue fernhalten, die Arme ausgestreckt, als könne er das Licht selbst aufhalten.
Aber es griff nach ihm.
Und er sah:
Ein Thron.
Eisen, schwarz und glänzend.
Darauf eine Krone.
Die Stimmen seiner Brüder, die schweigen.
Althea, die nickt.
Nur ein Schritt –
und er würde herrschen.
Endlich Ordnung schaffen.
Endlich *führen*, wie er es immer für richtig gehalten hatte.
Er hob den Fuß – und zögerte.
Dann brach das Bild.
Althea hatte den Stab gehoben,
ihr Blick fest, ihre Stimme kaum mehr als ein Atem.
Sie legte die Hand gegen die Brust der Statue, presste ihren Willen dagegen.
Magie flammte auf – Gold, Weiß, und etwas, das keinen Namen hatte.
Sie fühlte die Worte in ihrem Kopf:
Macht. Wissen. Kontrolle.
Sie könnte sie retten. Alle.
Sie müsste nur loslassen. Nur einen Moment.
Ihre Hand bebte.
Dann ein Griff an ihrem Arm.
Hurdin.
Er zog sie zurück, seine Hacke erhoben.
Er wollte schlagen – wollte es wirklich – doch dann sah er es.
Rotgoldene Locken.
Ihre Augen, so nah, dass er den Atem spürte.
Eine Stimme, die nicht sprach, sondern fühlbar war:
Du weißt es. Schon immer. Sag es.
Er stand still.
Ein Herzschlag. Zwei.
Dann brüllte er – und die Hacke krachte herab.
Der Stein barst.
Ein Bersten, dumpf, endgültig.
Das Licht erlosch.
Die Kammer wurde dunkel, nur der Widerschein der Fackel flackerte über geborstene Splitter, die wie Goldstaub glitzerten.
Sie standen da.
Keuchend.
Zitternd.
Langsam nahm der Gang wieder Form an.
Furka saß an der Wand, der Blick leer.
Tondar stützte sich auf einen Stein.
Archon stand, den Kopf gesenkt, als würde er lauschen, ob das Flüstern wirklich verstummt war.
Keldi hatte beide Hände über den Augen verschränkt.
Althea trat zu Hurdin.
Er kniete, die Hacke noch immer in der Hand, die Finger verkrampft.
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter.
Er zitterte.
Dann kam das Schluchzen – roh, ungebändigt, nicht wie Schmerz, sondern wie etwas, das endlich ausbrechen musste.
Niemand sprach.
Sie sahen sich nicht an.
Keiner wagte, in die Augen der anderen zu blicken –
denn in jedem von ihnen lebte für einen flüchtigen Moment noch das,
was der Namenlose ihnen gezeigt hatte.
Und keiner war sicher, ob er es je ganz wieder loswerden würde.
Die marmornen Brocken der Statue verschwanden in der Dunkelheit, als sie sich aufrafften und den Gang zurück gingen. Eine letzte Reflektion, dann war hinter ihnen nur Dunkelheit. Sie gingen einen sauber gemauerten Gang hinunter, gerade Marmorblöcke, die anzeigten, dass hier keine Gesindeunterkünfte zu erwarten waren. Dann traf sie der Zorn des Namenlosen, als sie von eine Wolke Armbrustbolzen getroffen wurden, die aus dem Boden schossen. Sie schafften es mit Mühe und Not zur anderen Seite. Furka schaute ungläubig den Gang zurück, dann zur festgefügten, metallbeschlagenen Tür zu ihrer linken. Archon kümmerte sich um die Wunden.
Hinter der Tür eine Kammer, eine schwere Truhe, Alteha hob die Hand. "Ich kann", begann sie. "Das Böse..." Furka machte sich vorsichtig am Schloss zu schaffen, während Tondar instinktiv die Armbrust auf die Truhe richtete. Ein violettes Leuchten drang aus der Truhe, als Furka den Deckel anhob. Althea sog laut die Luft ein. Auf samtenen Kissen lag ein dunkler Kristall, eine vielflächige Kugel. "Ein Ikosaeder", murmelte Althea, ihre Augen wurden schmal. Um sie herum schoben sich die Nasen der Zwerge nach vorne, um einen Blick zu erhaschen. "Karmale Energien", "Finsternis" sagte Althea wie zu sich selbst, "Ich weiß nicht, ob....", "Zurück!", sie richtete sich auf. Sie legte die Hände aneinander, den Stab in der Armbeuge, die Augen geschlossen. Dann holte sie tief Luft, ihre Hand schwebte über der Truhe, als sie Worte der Macht zu murmeln begann. Ihre Hand zeichnete einen Fünfstern, ein Symbol des Bannens - das Leuchten des Kristalls explodierte zur strahlendem violetten Licht. Wieder und wieder murmelte Althea die Worte, Schweiß rann über ihr Gesicht. Der Kristall begann Risse zu zeigen, Risse aus denen violettes Licht wie Flüssigkeit quoll. Ein splittern klang auf, Altheas Hand verkrampfte, als versuche sie etwas unendlich schweres zu heben. Und der Kristall zerbarst, Scherben regneten gegen die Innenwände der Truhe, Althea sackte zurück, aufgefangen von Tondars Arm. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie sich wieder aufrichtete, fünf Zwergengesichter, die sie beunruhigt anstarrten. "Es ist in Ordnung", presste sie zwischen dünnen Lippen hervor. "Ich war stärker... Wir... alle... waren stärker", ihr Blick suchte Hurdin, der sich im Hintergrund hielt.
Als sie wieder bei Ardora ankamen, blickte diese ihnen prüfend entgegen. Sechs Gesichter, gezeichnet. Sie lies den Hebel los, ein Knirschen ging durch das Gewölbe. "Was ist passiert Schwertschwester?", auf ihrer Brust funkelte das Amulett des Praios. Niemand antwortete. "Ich werde den Hebel halten", sprach eine Stimme von hinten, Hurdin drängte nach vorn. "Du wirst dort vorne gebraucht", er nickte den Gang hinunter. Ardora zögerte. "Jetzt!" Hurdin packte den Hebel, es knirschte im Gewölbe. Ardoras Augen suchten Altheas - 'Du wirst mir alles erzählen', stand dort geschrieben...
Sie erreichten endlich die lange Halle, gesäumt von Statuen, Dunkle Gestalten, die sie erwarteten. Das Donnern eines Flammenstrahls, der Wiederschein auf den goldenen Runen Ardoras Klinge, sie ließen ihnen keine Chance. Dann kamen sie zum Altar, groß, die Statue eines liegenden gesichtslosen Mannes in violettem Kerzenlicht. Althea hob den Stab, doch Ardora trat vor, hob die Hand. In dieser aus einem inneren Licht leuchtend, das Amulett des Praios. Ein leuchtender Strahl trat heraus, den sie auf den Altar richtete. Ein Moment greller Sonne, als der Altar in eine Explosion aus Licht gehüllt wurde, das die Konturen aus dieser Dimension zu wischen schien. Als wieder nur das Licht der Fackeln die Szenerie beleuchtete, war der Altar geborsten. Ardora trat weiter vor, und befestigte das Amulett an den Resten des Altars...
Ein irres Lachen, das ihr Blut gefrieren ließ, hallte durch das Gewölbe. Dann brach eine Macht, die die Luft vor sich herzuschieben schien, aus dem hinteren des Gewölbes und brachte Althea zum wanken. Sie stieß ihre Hand vor, ein Flammenstrahl suchte den Weg, den das Geschoß genommen hatte. Das Lachen wurde zum Kreischen. Ein weiterer mächtiger Stoß traf Althea, die auf die Knie niederbrach, Blut schoss aus ihrer Nase. Und ein weiterer Flammenstrahl brandete gegen die Rückwand des Gewölbes, löschte aus, was dort stand, die Silhouette des Mannes dunkel abgezeichnet gegen das Halo der Flammen. Dann fiel Althea in sich zusammen...
…und in diesem Moment stand die Zeit still.
Das grelle Nachbild der Flammen hing noch in der Luft, brennende Reste von Rauch und Schwefel zogen wie Schleier über den Steinboden. Ardora stürzte nach vorn, der Schild halb erhoben, das Amulett noch immer von innen her glühend. Die Zwerge folgten – ein dumpfes Poltern ihrer Stiefel, das Schaben von Metall auf Stein, das Röcheln eines sterbenden Tempels.
Althea lag da, der Stab neben ihr, noch schwach glimmend, als würde er mit ihr atmen. Ihre Lippen bewegten sich, formten Worte, die keiner verstand. Keldi kniete sich neben sie, tastete nach ihrer Schulter. „Sie lebt“, flüsterte er.
Ardora drehte sich langsam, das Schwert in der Hand, und sah auf die Rückwand des Gewölbes. Dort, wo eben noch das Grauen gestanden hatte, waren nur noch Asche, Schatten und das Echo eines Lautes, der nicht mehr menschlich gewesen war.
Ein feiner, beißender Wind zog durch die Halle. Die violetten Kerzen erloschen, eine nach der anderen, bis nur noch das leise Glühen des Amuletts den Raum erfüllte.
Ardora trat vor, senkte sich neben Althea und legte ihr die Hand auf die Stirn. „Es ist vorbei“, sagte sie leise. „Was immer es war – es ist vorbei.“
Und niemand wagte zu sprechen.
Nicht aus Furcht. Sondern, weil sie alle spürten, dass etwas Heiliges im Zerbrochenen lag – etwas, das nicht benannt werden konnte.
Dann hob Ardora die erschöpfte Magierin hoch.
Sechs Zwerge und eine Kriegerin schritten durch das Schweigen, aufwärts, den endlosen Gang hinauf, bis irgendwo über ihnen das erste fahle Licht des Tages den Fels berührte.
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Unterwegs mit Zwergen #68
(Versatzstücke)
Erschöpft rasteten sie im Schatten der halb verfallenen Wirtschaftsgebäude. Die Gewitterwolken, die seit Tagen am Himmel gestanden hatten, waren verschwunden, statt dessen pfiff ein scharfer Wind, der versuchte mit kalten Fingern nach ihnen zu greifen, doch auch dieser flaute im Lauf der nächsten Stunde ab... Schnell verließen sie diesen ungastlichen Ort, und erreichten in den frühen Morgenstunden wieder Ljasdahl. Sie schleppten sich zum zentralen Platz, dann die Stufen zum "Haus Hjalland" hinauf. Eine Ahnung guten Essens, dann fielen sie in die Betten. Der Abend fand sie, auf den Zimmern, Althea am Fenster, oder in der Gaststube, über Krümeln auf Tellern, oder in ihr Bier starrend, dessen Schaum zusammengefallen war. Nur Furka schien seine Biere zu genießen, und Archon, still wie immer, hatte sich in der Ecke an die Wand gelehnt, das Gesicht in Pfeifenrauch verborgen. Ardora stand in der Tür, den Daumen hinter das Schwert gehakt, beobachtete, sagte aber nichts...
Der nächste Tag verging langsam und schleppend. Ein Besuch im Kontorviertel abseits des Hafens, dann trafen sie sich vor Mittag wieder im "Haus Hjalland". Die Zwerge sichteten die Vorräte und begutachteten die Gegenstände, die sie aus dem Tempel geborgen hatten. Althea ging auf Hurdin zu undvübergab ihm die goldenen Kultgegenstände zur Verwahrung. Sie htte gemerkt, dass er sich etwas von ihr fern hielt, aber sein Verhalten war sonst so stoisch wie immer. Nachmittags gingen Althea und Ardora zum Hafen hinunter, keine Passage weit und breit, die Kauffahrer, die am Kai lagen, waren noch dabei, ihre Geschäfte zu tätigen. Abends saßen die beiden im Haus Hjalland über dem, was sie aus dem Herzen des Tempels geborgen hatten Die Statuette aus den Trümmern des Altars, "Die 13 Lobpreisungen des Namenlosen", und etwas, in dem Ardora eine Mitgliederliste zu erkennen glaubte. "Dies wird hilfreich sein, den Kult mit Stumpf und Stil zu vernichten", sie ließ die Pergamentseiten sinken, "Ich muss nach Thorwal, zum Hetmann", sie blickte Althea an. Althea legte die Lobpreisungen zu Seite. "Wir haben so etwas schon einmal gefunden, auf Manrek... Bist du sicher, dass wir es Eliane Windenbek überlassen sollten?" ihr Blick war unsteht, sie hob die Statue an. "Und bist du sicher, dass ich dies hier nicht vernichten sollte? ..." Ardora antwortete nicht, dann legte sie Althea die Hand auf den Unterarm, ein leichtes Lächeln... "In ein paar Monaten ist alles vorbei"... Den Rest des Abends sprach niemand mehr.
Am nächsten Morgen fanden sie einen Kutter, der sie auf eine schnelle Überfahrt nach varnheim mitnahm. Es war noch nachmittags, als sie in Varnheim von Bord gingen und so beschlossen sie, erst zum örtlichen Waffenhändler zu gehen, um die restliche aus dem Tempel des Namenlosen geborgene Beute zu versilbern - "Zu vergolden", wie Keldi sagte", denn dieser Händler zahlte gut - vielleicht ein zugekniffenes Auge wegen des nahen Daspota... Sie trafen sich danach zu einem frühen Abendessen in "Rorlifs bescheidener Hütte" und wandten sich danach zum Nordtor - zu Eliane Windenbeck.
Eliane öffnete selbst. Ein Moment des Schauens – und in ihrem Blick lag nicht Überraschung, sondern Verständnis.
„Ihr habt also gefunden, was ihr gesucht habt.“
Niemand antwortete. Es war alles gesagt, in den Gesichtern, in der Art, wie sie die Schultern hielten, in dem grauen Staub, der noch an den Stiefeln klebte.
Sie ließ sie eintreten, führte sie durch den vertrauten Flur in das hintere Zimmer. Es roch nach Wein und altem Pergament, aber diesmal lag keine Heiterkeit über dem Raum, nur eine gespannte Ruhe.
Althea legte die schwarze Statuette auf den Tisch. Ardora entrollte die Pergamentblätter.
Eliane trat näher, zog ein Tuch über den Tisch, dann berührte sie die Statuette mit den Fingerspitzen. Ein Zittern ging durch das Holz unter ihr, kaum wahrnehmbar.
„Sie ist noch geladen,“ murmelte sie. „Aber geschwächt. Ihr habt sie gebrochen.“
Althea nickte stumm.
Eliane sah sie nacheinander an – Althea, dann Ardora, dann die fünf Zwerge.
„Es ist gut, dass ihr sie nicht behalten habt. Manche Kräfte – auch wenn sie überwunden sind – suchen sich ihren Weg zurück.“
Sie holte eine schwere, eisenbewehrte Kiste aus einer Nische im Mauerwerk, legte das kleine Abbild hinein und schloss sie mit einem Schlüssel, den sie an einer Kette um den Hals trug. Das dumpfe Klicken hallte im Raum nach wie ein Siegel über einem Kapitel.
Dann nahm sie die Pergamentseiten.
Ardora und sie standen lange schweigend über dem Tisch. Zeilen, Namen, Symbole.
„Das reicht, um den Hetmann handeln zu lassen“, sagte Ardora leise.
Eliane nickte. „Ich bringe, was ich kann, in Sicherheit. Thorwal muss gewarnt werden. Aber diese Liste… das ist nur ein Zweig des Wurzelwerks.“
Ardora sah sie an, und zwischen ihnen lag ein unausgesprochenes Einverständnis – Pflicht, Last, Kampf im Verborgenen.
Dann wandte sich Eliane Althea zu.
„Euer Weg führt euch nicht mehr hierher zurück.“
Sie zog eine Pergamentrolle hervor, verschnürt mit einem blassen, violetten Band.
„Dies kam zu mir. Nun gehört es euch.“
Sie legte die Karte vor Althea auf den Tisch, und als Althea das Siegel löste, sah sie die Linien des Landes, das sie schon so lange suchten –
Phexcaer, eingezeichnet am Rand, und südlich davon ein unscheinbarer Kreis, nur markiert mit einem Zeichen, das aussah wie ein Schwert, das auf eine Flamme traf.
„Hyggeliks Ruheplatz“, sagte Eliane ruhig. „Wenn ich recht habe, liegt er irgendwo dort. Der Rest der Karte… ihr habt ihn?“
Althea nickte, und in ihrem Blick lag für einen Moment der Glanz alter Hoffnung.
Ardora trat neben sie, legte ihr kurz die Hand auf die Schulter.
„Ihr werdet weitermachen.“
„Und du?“
Ardora sah zur Kiste hinüber, dann wieder zu Althea.
„Ich bleibe hier. Es gibt noch Dunkelheit, die gebändigt werden muss. Ich kenne jetzt ihren Geruch.“
Ein Windstoß drang durch das offene Fenster, bewegte die Pergamentblätter. Eliane trat hin und schloss die Läden.
„Dann ist es entschieden“, sagte sie. „Die Karte gehört euch, die Verantwortung uns. Und möge Tsa über euch wachen – und euch neue Wege zeigen, wenn alte enden.“
Draußen fiel das Abendlicht schräg über die Dächer von Varnheim. Die Zwerge warteten schweigend vor der Tür.
Althea wandte sich ein letztes Mal um – sah Eliane, die Hand auf der eisernen Kiste, Ardora neben ihr.
Dann trat sie hinaus in das goldene Licht des späten Efferd, die Karte eng an sich gedrückt.
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Unterwegs mit Zwergen #69
Die Sonne neigte sich über den Hafen von Varnheim,
das Wasser schimmerte in müden Goldtönen,
und die Möwen kreisten träge über den Masten der Kauffahrer,
als sie das Haus der Eliane Windenbeck verließen.
Ein Gefühl von Erfüllung – und Abschied –
lag über ihnen wie der salzige Dunst, der vom Meer heraufzog.
Ardora musste nach Süden.
Der Hetmann in Thorwal würde hören müssen,
was sie im Tempel des Namenlosen gefunden hatten.
Die Schatten reichten weit – und jemand musste Licht bringen.
Das war ihre Aufgabe.
Sie fanden eine Passage für den nächsten Morgen,
und so blieb ihnen dieser letzte Abend –
nicht ausgelassen, aber angemessen still.
In der kleinen Herberge im Hafenviertel
ließ der Wirt Krüge mit schwerem, dunklem Wein auftragen,
und sie tranken auf überstandene Schlachten,
auf Freunde, die nicht mehr da waren,
und auf jene, die noch nicht wussten,
was auf sie wartete.
Althea und Ardora saßen einander gegenüber.
Zwischen ihnen stand das Licht einer einzigen Lampe,
die kaum die Ränder des Tisches erreichte.
Ihre Worte waren leise,
zu leise, um sie festzuhalten.
Nur einmal hob Ardora den Blick und sagte:
„Das, was wir gesehen haben – vergiss nicht, was es mit dir gemacht hat.“
Althea antwortete nicht.
Sie lächelte nur, und das genügte.
Die Zwerge ließen die beiden gewähren.
Keldi erzählte leise von den Schmieden Oberorkens,
Tondar saß mit verschränkten Armen und hörte zu,
Hurdin starrte ins Glas,
und Furka prostete allen zu, die hinsahen –
und auch denen, die es nicht taten.
Nur Archon schrieb.
Seine Feder glitt über das Pergament,
lautlos, stetig, als wolle sie diesen Abend selbst binden.
Am nächsten Morgen lag Nebel über dem Kai.
Das Wasser war grau, die Segel nass vom Tau.
Ardora stand am Geländer,
ihre Rüstung frisch geölt, der Blick fest.
Althea trat vor, und ohne ein Wort
nahmen sie einander in die Arme – lange,
so, als wollten sie sich gegenseitig vergewissern,
dass sie wirklich da gewesen waren.
Dann legte das Schiff ab.
Die Gruppe blieb, bis der Mast im Dunst verschwand.
Erst da wandten sie sich ab,
nahmen ihre Bündel auf
und gingen Richtung Osten,
vorbei an den letzten Speichern,
hinauf in das sanfte Hügelland,
das sich wie eine Schwelle vor den Hjaldorbergen ausbreitete.
Der Weg war lang,
doch hinter ihnen, über dem Hafen,
lag noch das leise Echo einer Stimme,
die sagte:
„In ein paar Monaten ist alles vorbei.“
Und keiner wusste,
ob das Trost oder Prophezeiung war.
Der Weg nach Auplog war ihnen vertraut,
die Hügel und Täler, die Schleifen des Pfades,
selbst die alten Baumgruppen schienen sie zu erkennen.
Doch wo einst ihre reparierte Brücke gestanden hatte,
lagen nur noch zerfetzte Balken im Wasser.
Die Frühlingsfluten hatten ganze Arbeit geleistet.
Und da ein Zwerg so etwas nicht auf sich sitzen lässt,
wurden die Rucksäcke abgeworfen,
die Ärmel hochgekrempelt,
und das Werkzeug hervorgeholt.
Bald klangen Hämmer im Tal,
Seile knarrten,
und Holz auf Holz fügte sich zu einem neuen Werk.
Besser und stärker als die davor,
meinte Furka, die Hände in die Hüften gestemmt,
worauf Hurdin mit einem stolzen Zug an den Seilen antwortete,
der die frisch gesetzten Pfeiler erzittern ließ.
„Das hält hundert Jahre“, brummte Keldi.
„Hundertzwanzig, wenn keiner von euch drüber tanzt.“
Furka grinste. „Ich tanze nicht, ich fliege.“
„Wie’n Mehlsack“, kam es trocken von Tondar.
Althea lachte leise.
Und so war die Brücke fertig –
nicht nur aus Holz und Tau,
sondern aus einem kleinen Stück Stolz.
In Auplog übernachteten sie,
im alten Gasthaus, wo das Bier noch so schmeckte wie im Winter,
und zogen am Morgen weiter den Bodir hinauf,
der in der Sonne glitzerte wie ein endloser Strang aus geschmolzenem Erz.
Hinter Vilnheim,
wo die Herberge „Zum Glockenspiel“
ihre geschnitzte Fassade wie ein Lächeln über den Platz streckte,
stießen sie auf eine Gruppe Goblins,
die ein paar Händler überfallen wollten.
Ein paar gezielte Bolzen,
ein Flammenstrahl,
und das Gesindel floh in die Wälder.
„Goblins. Auf der Handelsstraße.“
Keldi sah ihnen nach.
„Sie müssen sich ganz sicher fühlen,
dass sie bis hierhin vordringen.“
Tondar nickte,
sein Blick ging nach Osten.
„Was immer sich dort zusammenbraut –
es rührt sich schon.“
Niemand antwortete.
Sie wussten es alle.
Und als sie am nächsten Tag
die letzten Hügel nach Oberorken hinuntergingen,
lag eine Schwere über dem Weg,
die nichts mit Müdigkeit zu tun hatte.
Doch über den Dächern der Stadt
stieg Rauch aus den Schmieden,
ein vertrauter Klang,
der wie ein Willkommen wirkte.
Und als sie über den Marktplatz traten,
war es,
als kehrten sie nicht einfach zurück –
sondern als fänden sie heim.
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