10.05.2025, 17:04
Unterwegs mit Zwergen #29
(Rybon–Thoss: Abschnitt 1 – Das Geheimnis der Berge)
Sie waren aufgebrochen bei erstem Licht,
das silberne Band der Rybossl stets an ihrer Seite.
Bäume wurden seltener,
die Felsen griffen nach ihnen,
und in der Kühle des beginnenden Herbstes
zogen sie tiefer hinein in das wilde Herz der Hjaldorberge.
Dann —
eine Entdeckung, fast übersehen:
Ein gewebtes Geflecht aus Weidenruten,
schlecht verborgen zwischen Stein und Wurzel.
Ein versteckter Zugang, der abseits des rauen Passes lag.
Altheas Stab tauchte die Dunkelheit in fahles Licht,
und einer nach dem anderen traten sie ein
in das, was unter der Erde lauerte.
Kaum hatten sie die erste Biegung genommen,
stürzten drei Piraten aus einer Nische auf sie zu,
verzweifelt, roh, aber schlecht vorbereitet.
Der erste Schlag, die erste Salve,
und die Stille kehrte zurück.
Hinter dem ersten Widerstand:
Wohnbereiche, Vorratskammern, eine Waffenkammer,
die von einem Leben zeugten, das sich im Verborgenen eingerichtet hatte.
Gerüche von altem Bier, feuchtem Stein und kaltem Eisen lagen in der Luft.
Sie stießen auf weitere Grüppchen —
völlig unkoordiniert,
überrascht von der Entschlossenheit der Eindringlinge.
Furka vorneweg,
Keldi und Tondar an den Flanken,
Althea in der Mitte,
Archon wie ein Schatten in ihrem Rücken,
Hurdin, das Bollwerk.
Dann:
Türen, schwer und verriegelt,
Fallen, die mit geübtem Blick entschärft wurden,
oder, wo nötig, mit sanfter Magie bezwungen.
Ein weiteres Gefecht, eine weitere Hürde.
Eine Treppe, die in die Tiefe führte —
und dort, eine Fallgrube mit aufragenden Speeren.
Nicht alle entgingen ihr;
Hurdin musste aus dem Abgrund gezogen werden,
sein knurrendes Fluchen war lange nicht zu überhören.
In einem großen Raum schließlich,
wartete die wahre Prüfung:
Ein Piratenkapitän, breitschultrig und wettergegerbt,
und seine besten Männer.
Es dauerte nicht lange.
Altheas Magie, Archons blitzender Dolch,
und der Kreuzfeuerhagel der Zwerge
machten der Sache ein schnelles Ende.
Der Schatz —
ein feines Kettenhemd, Gold, starke Tränke,
und ein Betrag, der die Mühen mehr als lohnte.
Doch der Weg hinaus war kein Triumphzug:
Weitere versprengte Piraten,
eine eingekesselte Keilerei,
blitzende Dolche, grimmige Gesichter.
Und als sie endlich, in Hast, den Ausgang wieder erreichten,
der Wind ihnen frische Luft ins Gesicht blies,
wussten sie:
Dies war nur der erste Schritt über die Hjaldorberge gewesen.
Und hinter ihnen —
lag eine Tiefe,
die sie nicht so schnell vergessen würden.
(Unterwegs über den Rybon-Thoss-Pass – Abschnitt 2)
Nachdem sie den Schatz von Daspota geborgen und die heimliche Höhle verlassen hatten, stieg der Pfad rasch steiler in die Berge.
Die bewaldeten Hänge, die ihnen bisher noch Schatten gespendet hatten, wichen langsam nacktem Fels und staubiger Erde.
Der Pfad schlängelte sich, mal nach links, mal nach rechts, schmiegte sich an schroffe Wände, führte über schmale Kämme, wo ein falscher Tritt den Absturz bedeutete.
Irgendwann erreichten sie ein gewaltiges Geröllfeld – ein toter Ort, in dem nur der Wind zwischen den steinernen Brocken spielte.
Der Weg war hier völlig verschwunden, und sie mussten sich Tondars scharfem Blick anvertrauen, der eine Passage suchte, wo kaum eine war.
Stein für Stein, Schritt für Schritt, arbeiteten sie sich hindurch, bis sie jenseits des Gerölls wieder etwas wie einen erkennbaren Pfad fanden.
Am Rand einer Felsformation, geschützt vor dem schlimmsten Wind, schlugen sie ihr Lager auf.
Der Hunger nagte, und Tondar gelang ein seltener Fang: eine Bergziege, die er von einer Anhöhe erlegte.
Hurdin stieg den steilen Hang hinab, barg die Beute und brachte sie ins Lager.
Am Feuer, unter dem kalten Sternenhimmel, brieten sie das Fleisch – und für einen Abend schien der entbehrungsreiche Aufstieg fast vergessen.
Am nächsten Morgen wurde der Pfad freundlicher.
Die Steigung ließ nach, der Weg führte stetig bergab.
Am späten Nachmittag entdeckten sie eine Berghütte – windschief zwar, doch trocken, am Ufer eines klaren, kleinen Bergsees gelegen, umgeben von ersten grünen Wiesen.
Althea, der die schroffen Nächte an die Substanz gegangen waren, war sichtlich erleichtert, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben.
Nach einer Nacht ruhigen Schlafs setzten sie ihren Abstieg fort.
Sie seilten sich an einer Klamm über einen reißenden Gebirgsbach ab – einen der Quellarme der Thossel, die weit unter ihnen zwischen Felsen und Moos dahinbrauste.
Am Oberlauf der Thossel angelangt, folgten sie dem jungen Fluss, der sie weiter talwärts führen würde.
An einer breiten Stelle, wo große Steine das Wasser bremsten, rasteten sie erneut.
Tondar meinte schmunzelnd, dass hier zur rechten Zeit des Jahres die Lachse förmlich aus dem Wasser sprängen – doch es war zu früh im Jahr, und so blieb ihnen nur der Anblick.
Die Landschaft öffnete sich zusehends.
Das Tal wurde breiter, die Berghänge zur Rechten und Linken fielen in dichten Wald zurück.
Ein letzter Rastplatz am bewaldeten Ufer, dann, am späten Nachmittag des nächsten Tages, endlich:
Die ersten Häuser von Thoss.
Ein kleines, lebendiges Dorf am Fluss, umgeben von Wäldern und den schützenden Armen der Berge, empfing sie –
und mit ihm ein Gefühl, dass das Schlimmste der Überquerung hinter ihnen lag.
(Abschnitt 3: Über die Hjaldorberge nach Thoss – und der Ruf der Berge)
Es war der 18. Travia, als sich endlich die Lichter von Thoss im Tal der Thossel zeigten.
Nach den endlosen, kargen Hängen, nach dem mühsamen Pfad durch Geröll und über flache Felskuppen, nach kalten Nächten unter offenen Sternen war der Anblick der kleinen Stadt eine Wohltat für Herz und Augen.
Die Gruppe kam erschöpft an, aber die Stimmung im Ort war... lebendig.
Nicht wie in Rybon, wo sich nach Sonnenuntergang jedes Fenster verschlossen hatte.
Hier strömten die Menschen noch spät am Abend aus den beiden Tavernen, Lachen und Stimmen lagen über den Gassen.
Furka ließ keinen Zweifel daran, wo ihr nächstes Ziel lag – und so fanden sie sich wenig später bei Bier und deftigem Eintopf in einer der Tavernen wieder.
Die Geschichten der Einheimischen drehten sich um Fischfänge, um Tjanset am Hjaldingolf, um Orvil als größeres Handelszentrum – aber auch, leiser, um Rybon und den Pass, den sie gerade bewältigt hatten.
Und mittendrin fiel ein Name, der sie aufhorchen ließ: Yasma Thinmarsdotter.
Am nächsten Morgen, mit schweren Gliedern aber neuer Entschlossenheit, machte sich Althea auf den Weg.
Sie fand das richtige Haus gegenüber der Herberge – ein schief stehendes, leicht verfallenes Gebäude.
Mit einem kurzen Griff richtete sie ihren Umhang, zog die Kapuze zurück und klopfte an.
Fast fühlte es sich an wie damals, in Felsteyn, bei Isleif Olgardsson.
Yasma war eine Frau in den besten Jahren, mit einem offenen Gesicht, das von Sorgenfalten durchzogen war.
Sie kam, so berichtete sie, aus Clanegh. Das Chaos des Umzugs war noch überall sichtbar, aber sie war bereit, zu reden.
In der kleinen Stube fanden Althea, Furka, Keldi, Tondar, Hurdin und Archon Platz, wenn auch etwas verstreut und improvisiert.
Und Yasma erzählte:
Ihr Vater hatte zwei Kartenteile in Händen gehabt, die auf Hyggeliks Schatz deuteten.
Doch eines war vor kurzem gestohlen worden – von einem gewissen Schurken und seinen Leuten, die sich bei einer alten Ruine in den Bergen verschanzten.
Das zweite Teil sei in den Händen eines gewissen Hjore Ahrensson aus Ottarje.
Vielleicht könnte auch der alte Umbrik aus Orvil mehr sagen. Der kenne fast alles, was diese Lande betraf.
Althea spürte, wie sich ein neues Netz spann – neue Namen, neue Wege.
Aber vor allem: Zurück in die Berge.
Noch ehe die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, verabschiedete sich die Gruppe.
Ein kurzer Imbiss, letzte Wasserschläuche aufgefüllt – dann Aufbruch.
Zurück in die Berge.
Furka grinste, als hätte er es schon geahnt, Keldi rückte seine Rüstung zurecht, und Tondar führte sie sicher aus dem Ort hinaus.
Sie verließen die Thossel, der sie bislang gefolgt waren, und schlugen einen schmalen Seitenpfad ein, der sich in die grünen Hügel schlängelte.
Mit jedem Schritt wuchs die Wildheit der Umgebung, wurde das Land steiler, rauer.
Kaum jemand war hier unterwegs.
Dann – Harpyien.
Der Überfall kam plötzlich, aus den Wolken, ein abgestimmter Angriff.
Kampf, Krallen, Klingen, Federn und Schmerz.
Aber sie standen zusammen – Zwerge, Althea, Archon – ein Kreis aus Entschlossenheit gegen die wütenden Kreaturen des Gebirges.
Wunden, Flüche, Atemlosigkeit – doch am Ende siegten sie.
Und in der Nacht ein weiteres Ungemach – ein Rudel von Raubkatzen, die durch den Geruch ihrer Lagerstelle angelockt worden waren.
Ein wüstes Handgemenge in Dunkelheit und Flammenschein, zerrissene Mäntel, schimmernde Klingen.
Aber auch hier – Sieg, wenn auch auf wankenden Füßen.
Am nächsten Morgen, müde, mit geschärften Sinnen und gezogenem Dolch, erreichten sie schließlich den höchsten Punkt.
Vor ihnen öffnete sich eine breite Mulde.
Zwischen Gebüsch und Gras stachen die Ruinen einer alten, verfallenen Burg empor.
Ein einzelner Turm ragte stolz gegen den Himmel.
Das Ziel, das Yasma ihnen gewiesen hatte – ein Ort, an dem sich vielleicht Antworten fanden.
Oder Tod.
Althea sog die kühle Herbstluft tief ein, schloss einen Moment die Augen.
Es gab keinen anderen Weg.
(Abschnitt 4 – Die Schwarzmagierruine)
Der Pass hatte sie weit in die Berge geführt, als sie, abseits des eigentlichen Weges, auf ein Relikt aus dunkleren Zeiten stießen:
Die zerfallene Burgruine lag schweigend unter dem grauen Himmel. Nur der alte Turm trotzte noch Wind und Wetter – oder das, was in seinem Inneren lauerte.
Im Inneren breitete sich eine dunkle Halle aus, weit größer als der Turm vermuten ließ. Ihr Licht verlor sich in der Weite.
Die Schritte hallten auf dem nackten Stein, und aus der Dunkelheit stürzten plötzlich orkische Wachen auf sie zu.
Gut ausgerüstet, diszipliniert – keine Plünderer, sondern Soldaten eines dunklen Herrn.
Die Gruppe schlug sie nieder, doch die Begegnung ließ keinen Zweifel: Hier unten war mehr verborgen.
Eine versteckte Falltür führte sie in die Tiefe, wo Furka, der kleine, unbeugsame Fallensteller, auf Stufe 4 aufstieg.
Das Labyrinth darunter war ein verzerrtes Spiegelbild der Oberwelt – verwirrende Gänge, tückische Wände, Geheimnisse, die nur auf scharfe Augen und ruhige Hände warteten.
In diesen dunklen Korridoren stellte sich ihnen der erste feindliche Zauberer entgegen.
Althea, noch jung in ihrer Macht, schleuderte die Flammen direkt aus ihrer Seele und ließ ihn in Rauch aufgehen.
Weiter unten, tiefer im Gewirr, ein zweiter Kampf: Diesmal ein schneller Zauberwechsel, ein Schutzschild aus purer Entschlossenheit – der Feind flüchtete, nur um Archons tödlicher Klinge zu erliegen.
Dann die letzte Kammer:
Der wahre Schwarzmagier, mit leuchtenden Augen und dem Hass vergessener Jahrhunderte.
Seine Magie schleuderte Althea auf die Knie, doch sie erhob sich –
und sandte brennende Gerechtigkeit aus.
Die Zwerge stürzten sich auf ihn – ein wildes, schmutziges Handgemenge aus Faustschlägen, Dolchstichen und donnerndem Willen.
Der Schwarzmagier fiel.
Was blieb, war Reichtum:
Ein weiteres Kartenstück, 500 Dukaten – schweres, schimmerndes Gold.
Und das stille Wissen: Sie hatten überlebt.
Doch Furkas Unachtsamkeit beim Durchsuchen eines alchemistischen Labors löste eine Katastrophe aus:
Flammen, Rauch, giftiger Dunst.
Sie rannten, keuchend, blindlings durch das Labyrinth, während ihnen die giftige Wolke im Nacken saß.
Treppen, Hallen, Echos ihrer fliehenden Schritte.
Althea brach zusammen, doch Hurdin und Archon trugen sie weiter.
Der Burghof, der freie Himmel, der eiskalte Wind – ein Schrei aus rauen Kehlen, als sie sich aus dem würgenden Qualm retten.
Auf dem Hang unterhalb der Ruine, während die Überreste des Turmes eine letzte Rauchwolke in den Himmel schickten,
kamen sie zu Atem.
Archon kochte Wirselkraut, die Zwerge tranken schweigend, und Althea, blass aber lebendig, öffnete langsam wieder die Augen.
Sie hatten die Schwarzmagierruine bezwungen.
Und das Tal der Thossel – und die kleine Stadt Thoss – lag wieder vor ihnen
(abschluß)
Am Abend des 20. Travia saßen sie erneut in der vertrauten Taverne von Thoss,
schwiegen, tranken, aßen.
Kein großer Jubel, kein Ausbruch von Übermut.
Nur dieses stille Wissen:
Sie hatten den Rybon–Thoss-Pass bezwungen.
Hatten Geheimnisse gehoben, Reichtum errungen, Feinde besiegt – und sich selbst wieder ein Stück neu gefunden.
Sie verließen Thoss einen Tag später, am 21. Travia.
Der Herbst hatte Einzug gehalten,
die Nächte wurden frischer
und die Bäume an den Hängen der Hjaldorberge begannen sich rot und gold zu färben...
(Rybon–Thoss: Abschnitt 1 – Das Geheimnis der Berge)
Sie waren aufgebrochen bei erstem Licht,
das silberne Band der Rybossl stets an ihrer Seite.
Bäume wurden seltener,
die Felsen griffen nach ihnen,
und in der Kühle des beginnenden Herbstes
zogen sie tiefer hinein in das wilde Herz der Hjaldorberge.
Dann —
eine Entdeckung, fast übersehen:
Ein gewebtes Geflecht aus Weidenruten,
schlecht verborgen zwischen Stein und Wurzel.
Ein versteckter Zugang, der abseits des rauen Passes lag.
Altheas Stab tauchte die Dunkelheit in fahles Licht,
und einer nach dem anderen traten sie ein
in das, was unter der Erde lauerte.
Kaum hatten sie die erste Biegung genommen,
stürzten drei Piraten aus einer Nische auf sie zu,
verzweifelt, roh, aber schlecht vorbereitet.
Der erste Schlag, die erste Salve,
und die Stille kehrte zurück.
Hinter dem ersten Widerstand:
Wohnbereiche, Vorratskammern, eine Waffenkammer,
die von einem Leben zeugten, das sich im Verborgenen eingerichtet hatte.
Gerüche von altem Bier, feuchtem Stein und kaltem Eisen lagen in der Luft.
Sie stießen auf weitere Grüppchen —
völlig unkoordiniert,
überrascht von der Entschlossenheit der Eindringlinge.
Furka vorneweg,
Keldi und Tondar an den Flanken,
Althea in der Mitte,
Archon wie ein Schatten in ihrem Rücken,
Hurdin, das Bollwerk.
Dann:
Türen, schwer und verriegelt,
Fallen, die mit geübtem Blick entschärft wurden,
oder, wo nötig, mit sanfter Magie bezwungen.
Ein weiteres Gefecht, eine weitere Hürde.
Eine Treppe, die in die Tiefe führte —
und dort, eine Fallgrube mit aufragenden Speeren.
Nicht alle entgingen ihr;
Hurdin musste aus dem Abgrund gezogen werden,
sein knurrendes Fluchen war lange nicht zu überhören.
In einem großen Raum schließlich,
wartete die wahre Prüfung:
Ein Piratenkapitän, breitschultrig und wettergegerbt,
und seine besten Männer.
Es dauerte nicht lange.
Altheas Magie, Archons blitzender Dolch,
und der Kreuzfeuerhagel der Zwerge
machten der Sache ein schnelles Ende.
Der Schatz —
ein feines Kettenhemd, Gold, starke Tränke,
und ein Betrag, der die Mühen mehr als lohnte.
Doch der Weg hinaus war kein Triumphzug:
Weitere versprengte Piraten,
eine eingekesselte Keilerei,
blitzende Dolche, grimmige Gesichter.
Und als sie endlich, in Hast, den Ausgang wieder erreichten,
der Wind ihnen frische Luft ins Gesicht blies,
wussten sie:
Dies war nur der erste Schritt über die Hjaldorberge gewesen.
Und hinter ihnen —
lag eine Tiefe,
die sie nicht so schnell vergessen würden.
(Unterwegs über den Rybon-Thoss-Pass – Abschnitt 2)
Nachdem sie den Schatz von Daspota geborgen und die heimliche Höhle verlassen hatten, stieg der Pfad rasch steiler in die Berge.
Die bewaldeten Hänge, die ihnen bisher noch Schatten gespendet hatten, wichen langsam nacktem Fels und staubiger Erde.
Der Pfad schlängelte sich, mal nach links, mal nach rechts, schmiegte sich an schroffe Wände, führte über schmale Kämme, wo ein falscher Tritt den Absturz bedeutete.
Irgendwann erreichten sie ein gewaltiges Geröllfeld – ein toter Ort, in dem nur der Wind zwischen den steinernen Brocken spielte.
Der Weg war hier völlig verschwunden, und sie mussten sich Tondars scharfem Blick anvertrauen, der eine Passage suchte, wo kaum eine war.
Stein für Stein, Schritt für Schritt, arbeiteten sie sich hindurch, bis sie jenseits des Gerölls wieder etwas wie einen erkennbaren Pfad fanden.
Am Rand einer Felsformation, geschützt vor dem schlimmsten Wind, schlugen sie ihr Lager auf.
Der Hunger nagte, und Tondar gelang ein seltener Fang: eine Bergziege, die er von einer Anhöhe erlegte.
Hurdin stieg den steilen Hang hinab, barg die Beute und brachte sie ins Lager.
Am Feuer, unter dem kalten Sternenhimmel, brieten sie das Fleisch – und für einen Abend schien der entbehrungsreiche Aufstieg fast vergessen.
Am nächsten Morgen wurde der Pfad freundlicher.
Die Steigung ließ nach, der Weg führte stetig bergab.
Am späten Nachmittag entdeckten sie eine Berghütte – windschief zwar, doch trocken, am Ufer eines klaren, kleinen Bergsees gelegen, umgeben von ersten grünen Wiesen.
Althea, der die schroffen Nächte an die Substanz gegangen waren, war sichtlich erleichtert, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben.
Nach einer Nacht ruhigen Schlafs setzten sie ihren Abstieg fort.
Sie seilten sich an einer Klamm über einen reißenden Gebirgsbach ab – einen der Quellarme der Thossel, die weit unter ihnen zwischen Felsen und Moos dahinbrauste.
Am Oberlauf der Thossel angelangt, folgten sie dem jungen Fluss, der sie weiter talwärts führen würde.
An einer breiten Stelle, wo große Steine das Wasser bremsten, rasteten sie erneut.
Tondar meinte schmunzelnd, dass hier zur rechten Zeit des Jahres die Lachse förmlich aus dem Wasser sprängen – doch es war zu früh im Jahr, und so blieb ihnen nur der Anblick.
Die Landschaft öffnete sich zusehends.
Das Tal wurde breiter, die Berghänge zur Rechten und Linken fielen in dichten Wald zurück.
Ein letzter Rastplatz am bewaldeten Ufer, dann, am späten Nachmittag des nächsten Tages, endlich:
Die ersten Häuser von Thoss.
Ein kleines, lebendiges Dorf am Fluss, umgeben von Wäldern und den schützenden Armen der Berge, empfing sie –
und mit ihm ein Gefühl, dass das Schlimmste der Überquerung hinter ihnen lag.
(Abschnitt 3: Über die Hjaldorberge nach Thoss – und der Ruf der Berge)
Es war der 18. Travia, als sich endlich die Lichter von Thoss im Tal der Thossel zeigten.
Nach den endlosen, kargen Hängen, nach dem mühsamen Pfad durch Geröll und über flache Felskuppen, nach kalten Nächten unter offenen Sternen war der Anblick der kleinen Stadt eine Wohltat für Herz und Augen.
Die Gruppe kam erschöpft an, aber die Stimmung im Ort war... lebendig.
Nicht wie in Rybon, wo sich nach Sonnenuntergang jedes Fenster verschlossen hatte.
Hier strömten die Menschen noch spät am Abend aus den beiden Tavernen, Lachen und Stimmen lagen über den Gassen.
Furka ließ keinen Zweifel daran, wo ihr nächstes Ziel lag – und so fanden sie sich wenig später bei Bier und deftigem Eintopf in einer der Tavernen wieder.
Die Geschichten der Einheimischen drehten sich um Fischfänge, um Tjanset am Hjaldingolf, um Orvil als größeres Handelszentrum – aber auch, leiser, um Rybon und den Pass, den sie gerade bewältigt hatten.
Und mittendrin fiel ein Name, der sie aufhorchen ließ: Yasma Thinmarsdotter.
Am nächsten Morgen, mit schweren Gliedern aber neuer Entschlossenheit, machte sich Althea auf den Weg.
Sie fand das richtige Haus gegenüber der Herberge – ein schief stehendes, leicht verfallenes Gebäude.
Mit einem kurzen Griff richtete sie ihren Umhang, zog die Kapuze zurück und klopfte an.
Fast fühlte es sich an wie damals, in Felsteyn, bei Isleif Olgardsson.
Yasma war eine Frau in den besten Jahren, mit einem offenen Gesicht, das von Sorgenfalten durchzogen war.
Sie kam, so berichtete sie, aus Clanegh. Das Chaos des Umzugs war noch überall sichtbar, aber sie war bereit, zu reden.
In der kleinen Stube fanden Althea, Furka, Keldi, Tondar, Hurdin und Archon Platz, wenn auch etwas verstreut und improvisiert.
Und Yasma erzählte:
Ihr Vater hatte zwei Kartenteile in Händen gehabt, die auf Hyggeliks Schatz deuteten.
Doch eines war vor kurzem gestohlen worden – von einem gewissen Schurken und seinen Leuten, die sich bei einer alten Ruine in den Bergen verschanzten.
Das zweite Teil sei in den Händen eines gewissen Hjore Ahrensson aus Ottarje.
Vielleicht könnte auch der alte Umbrik aus Orvil mehr sagen. Der kenne fast alles, was diese Lande betraf.
Althea spürte, wie sich ein neues Netz spann – neue Namen, neue Wege.
Aber vor allem: Zurück in die Berge.
Noch ehe die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, verabschiedete sich die Gruppe.
Ein kurzer Imbiss, letzte Wasserschläuche aufgefüllt – dann Aufbruch.
Zurück in die Berge.
Furka grinste, als hätte er es schon geahnt, Keldi rückte seine Rüstung zurecht, und Tondar führte sie sicher aus dem Ort hinaus.
Sie verließen die Thossel, der sie bislang gefolgt waren, und schlugen einen schmalen Seitenpfad ein, der sich in die grünen Hügel schlängelte.
Mit jedem Schritt wuchs die Wildheit der Umgebung, wurde das Land steiler, rauer.
Kaum jemand war hier unterwegs.
Dann – Harpyien.
Der Überfall kam plötzlich, aus den Wolken, ein abgestimmter Angriff.
Kampf, Krallen, Klingen, Federn und Schmerz.
Aber sie standen zusammen – Zwerge, Althea, Archon – ein Kreis aus Entschlossenheit gegen die wütenden Kreaturen des Gebirges.
Wunden, Flüche, Atemlosigkeit – doch am Ende siegten sie.
Und in der Nacht ein weiteres Ungemach – ein Rudel von Raubkatzen, die durch den Geruch ihrer Lagerstelle angelockt worden waren.
Ein wüstes Handgemenge in Dunkelheit und Flammenschein, zerrissene Mäntel, schimmernde Klingen.
Aber auch hier – Sieg, wenn auch auf wankenden Füßen.
Am nächsten Morgen, müde, mit geschärften Sinnen und gezogenem Dolch, erreichten sie schließlich den höchsten Punkt.
Vor ihnen öffnete sich eine breite Mulde.
Zwischen Gebüsch und Gras stachen die Ruinen einer alten, verfallenen Burg empor.
Ein einzelner Turm ragte stolz gegen den Himmel.
Das Ziel, das Yasma ihnen gewiesen hatte – ein Ort, an dem sich vielleicht Antworten fanden.
Oder Tod.
Althea sog die kühle Herbstluft tief ein, schloss einen Moment die Augen.
Es gab keinen anderen Weg.
(Abschnitt 4 – Die Schwarzmagierruine)
Der Pass hatte sie weit in die Berge geführt, als sie, abseits des eigentlichen Weges, auf ein Relikt aus dunkleren Zeiten stießen:
Die zerfallene Burgruine lag schweigend unter dem grauen Himmel. Nur der alte Turm trotzte noch Wind und Wetter – oder das, was in seinem Inneren lauerte.
Im Inneren breitete sich eine dunkle Halle aus, weit größer als der Turm vermuten ließ. Ihr Licht verlor sich in der Weite.
Die Schritte hallten auf dem nackten Stein, und aus der Dunkelheit stürzten plötzlich orkische Wachen auf sie zu.
Gut ausgerüstet, diszipliniert – keine Plünderer, sondern Soldaten eines dunklen Herrn.
Die Gruppe schlug sie nieder, doch die Begegnung ließ keinen Zweifel: Hier unten war mehr verborgen.
Eine versteckte Falltür führte sie in die Tiefe, wo Furka, der kleine, unbeugsame Fallensteller, auf Stufe 4 aufstieg.
Das Labyrinth darunter war ein verzerrtes Spiegelbild der Oberwelt – verwirrende Gänge, tückische Wände, Geheimnisse, die nur auf scharfe Augen und ruhige Hände warteten.
In diesen dunklen Korridoren stellte sich ihnen der erste feindliche Zauberer entgegen.
Althea, noch jung in ihrer Macht, schleuderte die Flammen direkt aus ihrer Seele und ließ ihn in Rauch aufgehen.
Weiter unten, tiefer im Gewirr, ein zweiter Kampf: Diesmal ein schneller Zauberwechsel, ein Schutzschild aus purer Entschlossenheit – der Feind flüchtete, nur um Archons tödlicher Klinge zu erliegen.
Dann die letzte Kammer:
Der wahre Schwarzmagier, mit leuchtenden Augen und dem Hass vergessener Jahrhunderte.
Seine Magie schleuderte Althea auf die Knie, doch sie erhob sich –
und sandte brennende Gerechtigkeit aus.
Die Zwerge stürzten sich auf ihn – ein wildes, schmutziges Handgemenge aus Faustschlägen, Dolchstichen und donnerndem Willen.
Der Schwarzmagier fiel.
Was blieb, war Reichtum:
Ein weiteres Kartenstück, 500 Dukaten – schweres, schimmerndes Gold.
Und das stille Wissen: Sie hatten überlebt.
Doch Furkas Unachtsamkeit beim Durchsuchen eines alchemistischen Labors löste eine Katastrophe aus:
Flammen, Rauch, giftiger Dunst.
Sie rannten, keuchend, blindlings durch das Labyrinth, während ihnen die giftige Wolke im Nacken saß.
Treppen, Hallen, Echos ihrer fliehenden Schritte.
Althea brach zusammen, doch Hurdin und Archon trugen sie weiter.
Der Burghof, der freie Himmel, der eiskalte Wind – ein Schrei aus rauen Kehlen, als sie sich aus dem würgenden Qualm retten.
Auf dem Hang unterhalb der Ruine, während die Überreste des Turmes eine letzte Rauchwolke in den Himmel schickten,
kamen sie zu Atem.
Archon kochte Wirselkraut, die Zwerge tranken schweigend, und Althea, blass aber lebendig, öffnete langsam wieder die Augen.
Sie hatten die Schwarzmagierruine bezwungen.
Und das Tal der Thossel – und die kleine Stadt Thoss – lag wieder vor ihnen
(abschluß)
Am Abend des 20. Travia saßen sie erneut in der vertrauten Taverne von Thoss,
schwiegen, tranken, aßen.
Kein großer Jubel, kein Ausbruch von Übermut.
Nur dieses stille Wissen:
Sie hatten den Rybon–Thoss-Pass bezwungen.
Hatten Geheimnisse gehoben, Reichtum errungen, Feinde besiegt – und sich selbst wieder ein Stück neu gefunden.
Sie verließen Thoss einen Tag später, am 21. Travia.
Der Herbst hatte Einzug gehalten,
die Nächte wurden frischer
und die Bäume an den Hängen der Hjaldorberge begannen sich rot und gold zu färben...