05.10.2025, 08:35
Unterwegs mit Zwergen #42
(Versatzstücke)
Phexcaer, die güldene, grauer Stein mit goldenen Kuppeln... Doch das war einmal... Was sich da aus dem Dunkel der Nacht schält, sind graue Gebäude aus Stein, vielleicht Granit, vielleicht sogar Marmor, doch die goldenen Kuppeln sind schon lange verschwunden...
Einst der nördlichste Flusshafen am Bodir, stehen morsche Ladekräne im abendlichen Dunst, ein leises Quietschen und leichte Bewegung der Taue im Wind...
Einst Zentrum des Königreich Bodiron, ist heute nichts mehr von der damaligen Stadt Myrburg übrig. Was geblieben ist, sind die Häuser aus Stein. Hohe Häuser. Häuser mit Erkern und Türmchen. Enge Gassen. Torbögen und versteckte Durchgänge. Mit einer weiteren Gasse, einem weiteren Gang, wenn man schon denkt, dass um die nächste Ecke wieder eine Straße oder ein Platz erreicht sein müsste...
Dieser Ort am Ende der Welt, ein Ort der jene anzieht, die aus den südlichen Ländern verschwinden wollen. Ein Ort für jene, die dort nicht passen...
Ein Ort der Geheimnisse. Vielleicht ein Ort mit versteckten Reichtümern. Ein Ort mit mysteriösem, vielleicht verbotenem Wissen...
Der Weg in die Stadt – Der Tanz der Schatten
Nachdem sie das Stadttor passiert und den ersten Platz überquert hatten, folgten sie einer schmalen Gasse, die sich zwischen zwei steinernen Gebäuden hindurchwand. Keine zehn Schritt breit, doch mit einer überraschenden Tiefe nach hinten – wie der Rachen eines uralten Tieres. Althea war als Erste hineingetreten. Die Geräusche des Flusses, des Platzes, selbst die nächtlichen Schreie der Möwen – sie blieben zurück, als hätte jemand einen Schleier über die Welt gelegt.
Die Gasse stieg leicht an, wurde schmaler, dann plötzlich wieder breiter, als sich ein niedriger Torbogen über sie senkte. Darüber ein alter Balkon mit Eisengeländer, und hinter dem nächsten Knick öffnete sich die Stadt wie ein Labyrinth aus Ebenen:
Treppen, die nach unten führen, zu Läden und Kellern.
Brücken zwischen Dächern.
Obergeschosse, die sich gegenseitig berühren – wie um sich Geschichten zuzuflüstern.
Türen ohne Straßen davor. Fenster, die ins Nichts schauen.
Hinter dem dritten Durchgang öffnete sich ein kleiner Platz – quadratisch, fast gepflegt, mit einem trockenen Brunnen in der Mitte. Und auf der gegenüberliegenden Seite:
Ein Gebäude wie aus einer vergessenen Zeit.
Der Tempelbau war hoch, seine Front aus grauem Stein, in dem sich noch Spuren vergoldeter Ornamente fanden – verwittert, abgekratzt, übermalt.
Die Tür halb offen. Keine Lichter. Kein Priester.
Über dem Eingang prangte einst das Symbol Phex' – ein Fuchs im Kreis – nun kaum mehr als ein Schattenriss auf dem Stein.
> "Früher muss das hier das Herz gewesen sein", murmelte Archon.
"Jetzt schlägt es leise", antwortete Althea. Und sie trat näher.
> Die Nacht war über Phexcaer gefallen, als sie aus dem verfallenen Tempel traten. Noch immer hallte das Echo der leisen Schritte, der flüchtigen Geräusche aus den dunklen Seitengängen in ihren Köpfen nach. Der Tempel war leer gewesen, aber nicht tot.
Auf dem Weg zurück zur Herberge, quer durch das nächtliche Gassengewirr, stieß Hurdin plötzlich mit einem Jungen zusammen – kaum mehr als ein Schatten mit einem Umhang. Ein kurzer Wortwechsel, ein genervter Blick von Keldi, dann war die Gestalt verschwunden.
Erst in der Herberge, beim Versuch, einen Krug Bier zu zahlen, wurde es klar: Hurdin ganzer Geldbeutel war fort. Fast zweihundert Dukaten.
Niemand hatte etwas bemerkt. Niemand hatte etwas gesehen.
Keldi fluchte, Tondar wirkte blass. Althea stand einen Moment lang still, die Lider halb geschlossen, als müsse sie die Stadt durch eine andere Linse betrachten.
„Wir sind nicht mehr in Oberorken“, sagte sie leise.
Und keiner widersprach.
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Phexcaer, der Abend des 8. Peraine, nach Einbruch der Dunkelheit. Die Gruppe begibt sich durch dunstige Dunkelheit in die Stadt, geradeaus zum ehemaligen Bodirhafen. Dort öffnet sich en Platz, an dessen anderem Ende ein Tempelgebäude zu sehen ist...
Phexcaer, 8. Peraine, kurz nach Einbruch der Dunkelheit.
Feuchte Kälte hängt in den Gassen. Der Dunst, der vom Bodir her aufsteigt, franst in den engen Durchgängen zu schwankenden Schleiern aus. Der Boden glänzt vom alten Regen, das Pflaster uneben und mit Moos durchzogen.
Die Gruppe durchschreitet das alte Stadttor, dahinter ein kurzer Platz, von dem mehrere Gassen abgehen – doch sie folgen dem Weg geradeaus, tiefer hinein in das dämmrige Herz Phexcaers. Der Fluss liegt zur Rechten, unsichtbar hinter den düsteren Häusern, doch man hört die Taue knarzen und irgendwo schlägt Metall auf Holz – ein alter Ladekran, der langsam im Wind pendelt.
Dann öffnet sich der Platz.
Ein stiller, leerer Raum inmitten der Stadt.
An seinem anderen Ende: der Schatten eines Tempels.
Groß. Schwer. Erhaben.
Sein Dach einstmals wohl vergoldet, doch jetzt nur dunkle Umrisse gegen den nächtlichen Himmel.
Die Fenster sind schwarz.
Die Tür ist geschlossen.
Und doch wirkt er wach.
Der Tempel des Güldenen.
Ein Ort, der einst Ordnung, List und Wohlstand versprach –
jetzt wirkt er wie ein Mahnmal.
Oder wie ein Spielbrett, auf dem schon längst andere Figuren ihre Schritte gesetzt haben.
Niemand spricht.
Selbst Hurdin wirkt nachdenklich.
Und Althea – ihr Blick bleibt an den alten Mauern hängen.
Irgendwo ganz tief drinnen regt sich etwas.
Nicht Furcht.
Nicht Hoffnung.
Etwas Drittes.
Der Abend hat begonnen.
Und Phexcaer zeigt sein erstes Gesicht.
Im Inneren der großen Tempelhalle, die sicher nicht einem der Zwölfgötter gehuldigt ist, treffen Sie auf einen seltsamen und etwas schmierig wirkenden Mann, der Ihnen immer wieder eine Götterspeise anbietet. Nach instinktiver Abwehr und etwas Gespräch lädt er sie zur Klärung in seine Villa am Nordrand der Stadt ein. Doch die Gruppe begibt sich erst einmal wieder hinaus in das nächtliche Phexcaer...
Als sie den Tempel verlassen, stoßen sie mit zwei Passanten zusammen, die ebenfalls auf dem dunklen Platz unterwegs sind. Als diese schnell um die Ecke verschwinden, kann Keldi gerade noch seinen Geldbeutel festhalten...
Der Weg führt sich weiter durch Gassen, kleine Plätze und Durchgänge tiefer in die Stadt. Auch die anderen haben immer wieder die Hand auf ihrem Geldbeutel, wenn irgendein anscheinend Betrunkener ihnen entgegentorkelt oder aber sie sich durch kleine Gruppen hindurchbewegen müssen. Sie erreichen schließlich einen großen Platz in der Mitte des Ortes...
…einen Platz, der einst prachtvoll gewesen sein muss.
Vom dunklen Himmel sickert fahles Licht auf das alte Pflaster, das in unregelmäßigen Rauten verlegt ist – teils lose, teils zerbrochen. Rund um den Platz stehen Häuser mit Türmchen, Erkern, Fassaden aus grün angelaufenem Kupfer, Stuck, vergilbtem Stein – jedes ein Kunstwerk aus einer anderen Zeit, heute in Schweigen gefallen.
In der Mitte ein trockener Brunnen.
Ein steinerner Greif windet sich um eine Säule, aus deren Rachen früher einmal Wasser floss. Jetzt tropft nur der Nebel daran hinab.
Die Gruppe bleibt kurz stehen.
Althea schaut sich um.
Phexcaer fühlt sich nicht an wie eine Stadt – eher wie ein Labyrinth.
Furka murmelt etwas über „zu viele Fenster, die niemand braucht“.
Archon tritt näher an eine der Hauswände, lässt seine Finger über die seltsam glatte Oberfläche gleiten.
Tondar spuckt zur Seite.
Hodyn schaut mit misstrauischem Blick über den Platz.
Nur Keldi hält sich bewusst im Schatten, den Rücken an eine Hauswand gedrückt, die Hand fest um seinen Gürtel.
Auf der anderen Seite des Platzes steht ein anderer Tempel. Groß, dunkel, aus grauem Stein. Ein großes Portal und weite Gebäudeflügel...
Das Innere des Tempels, so imposant er von außen wirkt, ist jedoch leer und verfallen. In den Hauptgebäuden haben sich Handwerker niedergelassen. Irgendwo hört man die Geräusche eines Tavernenbetriebes. Und nur auf der anderen Seite des Innenhofes, scheint es noch so etwas wie eine sakrale Stätte zu geben...
Dort befindet sich ein kleiner Schrein des Phex, mitten in diesem Gebäude, der eher eine eigene Stadt darstellen sollte. Eine leicht entrückt wirkende Geweite steht in den Schatten und verteidigt vehement die Existenz ihres Gottes in dieser Stadt...
Zumindest beeindruckt wendet sich die Gruppe dem Schwein zu und spendet einen Kleinbeutel klirrenden Silbers. Es sollte sich lohnen, dem Herrn der Stadt zu huldigen, fährt Althea durch den Kopf. Uns so senkt sie kurz das Kinn und gedenkt dem Bruder der Tsa, in dieser nach ihm benannten Stadt...
Die Münzen rollen mit hellem Klang in die Opferschale, als wäre das Geräusch zu laut für die Stille dieser Halle. Die Luft ist kühl hier, feucht vom Mauerwerk, das Moos angesetzt hat. Doch über dem kleinen Schrein hängt ein purpurner Vorhang, schimmernd wie Mitternacht und Gold – das Einzige, das nicht von dieser Welt zu stammen scheint.
Die Geweihte, eine hagere Frau mit bleicher Haut und durchscheinenden Lidern, hebt den Blick. Ihre Stimme ist leise, kaum mehr als ein gehauchter Hauch, und doch wirkt sie wie ein feines Seil, das sich um jeden in der Gruppe legt:
„Die anderen mögen verschwunden sein. Verloren im Nebel von Phexcaer.
Doch er ist noch hier. Immer.
Wo getrickst wird. Wo gesucht wird. Wo gewagt wird.“
Sie deutet auf den Schrein – ein flacher Altar mit einem einzigen Symbol: eine Münze, die auf der Kante steht.
„Dies ist sein Ort. Nicht der der Lichter. Nicht der der Gesetzestafeln.
Sondern jener, an dem alles kippen kann – mit dem nächsten Wurf.“
Die Worte hallen nach, während die Gruppe schweigt.
Und für einen Augenblick hat man das Gefühl, dass sich der Nebel draußen verändert hat.
Dichter geworden ist.
Oder aufmerksamer.
Furka schnaubt leise und nimmt die Hand vom Griff seiner Axt.
Keldi nickt, fast ehrfürchtig.
Althea bleibt noch einen Moment stehen.
Nicht als Magierin. Nicht als Adelige. Nicht als Strategin.
Sondern als sie selbst – eine junge Frau in einer alten Stadt, mit einem neuen Pfad vor sich.
Dann verlassen sie die Halle.
Und treten wieder in das Schweigen Phexcaers hinaus.
Die Stadt wartet.
Als sie das Tempelgebäude wieder verlassen, stößt wie aus dem Nichts eine größere Menschengruppe gegen sie, und in einem wilden Durcheinander entwickelt sich beinahe so etwas wie ein Handgemenge, erst zufällig, doch dann wird Althea gegen eine der Säulen gepresst. Hurdin stößt gegen die Person, die gegen sie gerempelt ist, und nach einigem Durcheinander verschwinden die anderen Personen auf dem großen Platz und in die Gassen.
Als sie sich wieder gesammelt haben, stehen sie etwas verwirrt auf dem Platz und Althea bemerkt, als sie ihre Robe wieder glatt zieht, dass ihr zwei der schweren Geldbeutel mit ihrer Reisekasse entwendet wurden. An die 200 Dukaten! Aber keine Chance, es sind nur noch Schatten zu erkennen, die in der Gassen verschwinden...
…und für einen flüchtigen Moment ist alles still. Kein Wind. Kein Laut. Nur der Nachhall des Gerangels, das scharfe Atmen der Gefährten, und Altheas Finger, die suchend über den Gürtel ihrer Robe gleiten.
Dann friert ihr Blick ein.
Ihre Hand fährt noch einmal über dieselbe Stelle.
Ein drittes Mal.
„Nein…“ haucht sie.
Alle sehen sie an.
Hurdin noch mit geballter Faust, Keldi den Hammer halb gehoben, Archon bereits auf dem Sprung.
Doch Althea steht nur da – die Wange noch gerötet vom Stoß gegen den Pfeiler, die Locken leicht zerzaust. Ihre Stimme ist flach, aber klar:
„Sie haben mich bestohlen.“
Ihre Finger öffnen die restlichen Beutel, doch das Ergebnis ist eindeutig. Die gut verschnürten, extra in die innere Lage ihrer Robe eingebundenen Beutel – fort. Fast 200 Dukaten. Der größte Teil ihrer Rücklagen. Der Schatz, den sie aus dem Süden durch Sumpf, Grenzland und Orkland getragen hat.
Ein bitteres Schweigen senkt sich über die Gruppe.
Hurdin flucht dumpf und stürmt ein paar Schritte in die Dunkelheit, bleibt dann stehen. Keldi knurrt leise, wie ein Tier, das zu spät merkt, dass es hätte zubeißen müssen. Archon steht schon in der Mitte des Platzes, aber da ist nichts mehr – kein Geräusch, keine Bewegung, nur die Gassen, die ins Ungewisse führen.
„Das war… keine einfache Bande,“ murmelt er. „Das war geplant. Gezielt. Perfekt getimed.“
Althea zieht langsam die Hände von ihrer Robe zurück. Ihre Stimme ist ruhig, viel ruhiger als erwartet:
„Er hat sie gesehen. Phex. Und gelächelt.“
Ein paar Sekunden Stille. Dann ein leises, ungläubiges Lachen von Furka, der sich an die Stirn tippt:
„Du bist irre, Mädchen. Aber ich versteh dich.“
Die Gruppe rückt zusammen. Der Nebel kriecht durch die Straßen wie kalter Atem.
Phexcaer hat sich gezeigt.
Die Stadt hat ihre Geste gemacht.
Und nun ist es an ihnen, zu entscheiden, wie sie antworten.
Am Ende des Platzes winkt die halbgeöffnete Tür einer Taverne. Ein warmer Lichtstreifen fällt auf das Pflaster. Ungewohnt in diesem plötzlich sehr bedrohlich gewordenen Ort. Stimmengewirr dringt herüber und das Klirren von Krügen. Keldi fasst die Gruppe zusammen und Hurdin fasst Althea im Arm, als sie sich hinüberbegeben...
…das Licht der Taverne wirkt wie aus einer anderen Welt: flackernd, golden, lebendig. Es schneidet durch die feuchte Dunkelheit wie ein verheißungsvoller Riss in der Fassade einer Stadt, die soeben ihre Maske fallen ließ.
Keldi hebt die Stimme kaum hörbar:
„Kommt. Noch ein Schritt weiter hier draußen, und wir verlieren mehr als nur Geld.“
Er geht voran, mit festen Schritten, als wolle er nicht nur den Weg ebnen, sondern die Gasse selbst davon überzeugen, dass sie ihre Krallen zurückziehen möge.
Althea bleibt einen Moment stehen, ihr Blick haftet noch an der Stelle, wo sie überrumpelt wurde.
Ihre Finger zucken, wie um einen Zauber zu formen, doch sie lässt ab.
Dann spürt sie Hurdins Arm – schwer, schützend, wie ein Mantel aus Fleisch und Vertrauen.
Sie lehnt sich kurz dagegen, nicht schwach, sondern gegenwärtig.
„Ich komme ja schon…“, murmelt sie, fast wie zu sich selbst.
(Versatzstücke)
Phexcaer, die güldene, grauer Stein mit goldenen Kuppeln... Doch das war einmal... Was sich da aus dem Dunkel der Nacht schält, sind graue Gebäude aus Stein, vielleicht Granit, vielleicht sogar Marmor, doch die goldenen Kuppeln sind schon lange verschwunden...
Einst der nördlichste Flusshafen am Bodir, stehen morsche Ladekräne im abendlichen Dunst, ein leises Quietschen und leichte Bewegung der Taue im Wind...
Einst Zentrum des Königreich Bodiron, ist heute nichts mehr von der damaligen Stadt Myrburg übrig. Was geblieben ist, sind die Häuser aus Stein. Hohe Häuser. Häuser mit Erkern und Türmchen. Enge Gassen. Torbögen und versteckte Durchgänge. Mit einer weiteren Gasse, einem weiteren Gang, wenn man schon denkt, dass um die nächste Ecke wieder eine Straße oder ein Platz erreicht sein müsste...
Dieser Ort am Ende der Welt, ein Ort der jene anzieht, die aus den südlichen Ländern verschwinden wollen. Ein Ort für jene, die dort nicht passen...
Ein Ort der Geheimnisse. Vielleicht ein Ort mit versteckten Reichtümern. Ein Ort mit mysteriösem, vielleicht verbotenem Wissen...
Der Weg in die Stadt – Der Tanz der Schatten
Nachdem sie das Stadttor passiert und den ersten Platz überquert hatten, folgten sie einer schmalen Gasse, die sich zwischen zwei steinernen Gebäuden hindurchwand. Keine zehn Schritt breit, doch mit einer überraschenden Tiefe nach hinten – wie der Rachen eines uralten Tieres. Althea war als Erste hineingetreten. Die Geräusche des Flusses, des Platzes, selbst die nächtlichen Schreie der Möwen – sie blieben zurück, als hätte jemand einen Schleier über die Welt gelegt.
Die Gasse stieg leicht an, wurde schmaler, dann plötzlich wieder breiter, als sich ein niedriger Torbogen über sie senkte. Darüber ein alter Balkon mit Eisengeländer, und hinter dem nächsten Knick öffnete sich die Stadt wie ein Labyrinth aus Ebenen:
Treppen, die nach unten führen, zu Läden und Kellern.
Brücken zwischen Dächern.
Obergeschosse, die sich gegenseitig berühren – wie um sich Geschichten zuzuflüstern.
Türen ohne Straßen davor. Fenster, die ins Nichts schauen.
Hinter dem dritten Durchgang öffnete sich ein kleiner Platz – quadratisch, fast gepflegt, mit einem trockenen Brunnen in der Mitte. Und auf der gegenüberliegenden Seite:
Ein Gebäude wie aus einer vergessenen Zeit.
Der Tempelbau war hoch, seine Front aus grauem Stein, in dem sich noch Spuren vergoldeter Ornamente fanden – verwittert, abgekratzt, übermalt.
Die Tür halb offen. Keine Lichter. Kein Priester.
Über dem Eingang prangte einst das Symbol Phex' – ein Fuchs im Kreis – nun kaum mehr als ein Schattenriss auf dem Stein.
> "Früher muss das hier das Herz gewesen sein", murmelte Archon.
"Jetzt schlägt es leise", antwortete Althea. Und sie trat näher.
> Die Nacht war über Phexcaer gefallen, als sie aus dem verfallenen Tempel traten. Noch immer hallte das Echo der leisen Schritte, der flüchtigen Geräusche aus den dunklen Seitengängen in ihren Köpfen nach. Der Tempel war leer gewesen, aber nicht tot.
Auf dem Weg zurück zur Herberge, quer durch das nächtliche Gassengewirr, stieß Hurdin plötzlich mit einem Jungen zusammen – kaum mehr als ein Schatten mit einem Umhang. Ein kurzer Wortwechsel, ein genervter Blick von Keldi, dann war die Gestalt verschwunden.
Erst in der Herberge, beim Versuch, einen Krug Bier zu zahlen, wurde es klar: Hurdin ganzer Geldbeutel war fort. Fast zweihundert Dukaten.
Niemand hatte etwas bemerkt. Niemand hatte etwas gesehen.
Keldi fluchte, Tondar wirkte blass. Althea stand einen Moment lang still, die Lider halb geschlossen, als müsse sie die Stadt durch eine andere Linse betrachten.
„Wir sind nicht mehr in Oberorken“, sagte sie leise.
Und keiner widersprach.
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Phexcaer, der Abend des 8. Peraine, nach Einbruch der Dunkelheit. Die Gruppe begibt sich durch dunstige Dunkelheit in die Stadt, geradeaus zum ehemaligen Bodirhafen. Dort öffnet sich en Platz, an dessen anderem Ende ein Tempelgebäude zu sehen ist...
Phexcaer, 8. Peraine, kurz nach Einbruch der Dunkelheit.
Feuchte Kälte hängt in den Gassen. Der Dunst, der vom Bodir her aufsteigt, franst in den engen Durchgängen zu schwankenden Schleiern aus. Der Boden glänzt vom alten Regen, das Pflaster uneben und mit Moos durchzogen.
Die Gruppe durchschreitet das alte Stadttor, dahinter ein kurzer Platz, von dem mehrere Gassen abgehen – doch sie folgen dem Weg geradeaus, tiefer hinein in das dämmrige Herz Phexcaers. Der Fluss liegt zur Rechten, unsichtbar hinter den düsteren Häusern, doch man hört die Taue knarzen und irgendwo schlägt Metall auf Holz – ein alter Ladekran, der langsam im Wind pendelt.
Dann öffnet sich der Platz.
Ein stiller, leerer Raum inmitten der Stadt.
An seinem anderen Ende: der Schatten eines Tempels.
Groß. Schwer. Erhaben.
Sein Dach einstmals wohl vergoldet, doch jetzt nur dunkle Umrisse gegen den nächtlichen Himmel.
Die Fenster sind schwarz.
Die Tür ist geschlossen.
Und doch wirkt er wach.
Der Tempel des Güldenen.
Ein Ort, der einst Ordnung, List und Wohlstand versprach –
jetzt wirkt er wie ein Mahnmal.
Oder wie ein Spielbrett, auf dem schon längst andere Figuren ihre Schritte gesetzt haben.
Niemand spricht.
Selbst Hurdin wirkt nachdenklich.
Und Althea – ihr Blick bleibt an den alten Mauern hängen.
Irgendwo ganz tief drinnen regt sich etwas.
Nicht Furcht.
Nicht Hoffnung.
Etwas Drittes.
Der Abend hat begonnen.
Und Phexcaer zeigt sein erstes Gesicht.
Im Inneren der großen Tempelhalle, die sicher nicht einem der Zwölfgötter gehuldigt ist, treffen Sie auf einen seltsamen und etwas schmierig wirkenden Mann, der Ihnen immer wieder eine Götterspeise anbietet. Nach instinktiver Abwehr und etwas Gespräch lädt er sie zur Klärung in seine Villa am Nordrand der Stadt ein. Doch die Gruppe begibt sich erst einmal wieder hinaus in das nächtliche Phexcaer...
Als sie den Tempel verlassen, stoßen sie mit zwei Passanten zusammen, die ebenfalls auf dem dunklen Platz unterwegs sind. Als diese schnell um die Ecke verschwinden, kann Keldi gerade noch seinen Geldbeutel festhalten...
Der Weg führt sich weiter durch Gassen, kleine Plätze und Durchgänge tiefer in die Stadt. Auch die anderen haben immer wieder die Hand auf ihrem Geldbeutel, wenn irgendein anscheinend Betrunkener ihnen entgegentorkelt oder aber sie sich durch kleine Gruppen hindurchbewegen müssen. Sie erreichen schließlich einen großen Platz in der Mitte des Ortes...
…einen Platz, der einst prachtvoll gewesen sein muss.
Vom dunklen Himmel sickert fahles Licht auf das alte Pflaster, das in unregelmäßigen Rauten verlegt ist – teils lose, teils zerbrochen. Rund um den Platz stehen Häuser mit Türmchen, Erkern, Fassaden aus grün angelaufenem Kupfer, Stuck, vergilbtem Stein – jedes ein Kunstwerk aus einer anderen Zeit, heute in Schweigen gefallen.
In der Mitte ein trockener Brunnen.
Ein steinerner Greif windet sich um eine Säule, aus deren Rachen früher einmal Wasser floss. Jetzt tropft nur der Nebel daran hinab.
Die Gruppe bleibt kurz stehen.
Althea schaut sich um.
Phexcaer fühlt sich nicht an wie eine Stadt – eher wie ein Labyrinth.
Furka murmelt etwas über „zu viele Fenster, die niemand braucht“.
Archon tritt näher an eine der Hauswände, lässt seine Finger über die seltsam glatte Oberfläche gleiten.
Tondar spuckt zur Seite.
Hodyn schaut mit misstrauischem Blick über den Platz.
Nur Keldi hält sich bewusst im Schatten, den Rücken an eine Hauswand gedrückt, die Hand fest um seinen Gürtel.
Auf der anderen Seite des Platzes steht ein anderer Tempel. Groß, dunkel, aus grauem Stein. Ein großes Portal und weite Gebäudeflügel...
Das Innere des Tempels, so imposant er von außen wirkt, ist jedoch leer und verfallen. In den Hauptgebäuden haben sich Handwerker niedergelassen. Irgendwo hört man die Geräusche eines Tavernenbetriebes. Und nur auf der anderen Seite des Innenhofes, scheint es noch so etwas wie eine sakrale Stätte zu geben...
Dort befindet sich ein kleiner Schrein des Phex, mitten in diesem Gebäude, der eher eine eigene Stadt darstellen sollte. Eine leicht entrückt wirkende Geweite steht in den Schatten und verteidigt vehement die Existenz ihres Gottes in dieser Stadt...
Zumindest beeindruckt wendet sich die Gruppe dem Schwein zu und spendet einen Kleinbeutel klirrenden Silbers. Es sollte sich lohnen, dem Herrn der Stadt zu huldigen, fährt Althea durch den Kopf. Uns so senkt sie kurz das Kinn und gedenkt dem Bruder der Tsa, in dieser nach ihm benannten Stadt...
Die Münzen rollen mit hellem Klang in die Opferschale, als wäre das Geräusch zu laut für die Stille dieser Halle. Die Luft ist kühl hier, feucht vom Mauerwerk, das Moos angesetzt hat. Doch über dem kleinen Schrein hängt ein purpurner Vorhang, schimmernd wie Mitternacht und Gold – das Einzige, das nicht von dieser Welt zu stammen scheint.
Die Geweihte, eine hagere Frau mit bleicher Haut und durchscheinenden Lidern, hebt den Blick. Ihre Stimme ist leise, kaum mehr als ein gehauchter Hauch, und doch wirkt sie wie ein feines Seil, das sich um jeden in der Gruppe legt:
„Die anderen mögen verschwunden sein. Verloren im Nebel von Phexcaer.
Doch er ist noch hier. Immer.
Wo getrickst wird. Wo gesucht wird. Wo gewagt wird.“
Sie deutet auf den Schrein – ein flacher Altar mit einem einzigen Symbol: eine Münze, die auf der Kante steht.
„Dies ist sein Ort. Nicht der der Lichter. Nicht der der Gesetzestafeln.
Sondern jener, an dem alles kippen kann – mit dem nächsten Wurf.“
Die Worte hallen nach, während die Gruppe schweigt.
Und für einen Augenblick hat man das Gefühl, dass sich der Nebel draußen verändert hat.
Dichter geworden ist.
Oder aufmerksamer.
Furka schnaubt leise und nimmt die Hand vom Griff seiner Axt.
Keldi nickt, fast ehrfürchtig.
Althea bleibt noch einen Moment stehen.
Nicht als Magierin. Nicht als Adelige. Nicht als Strategin.
Sondern als sie selbst – eine junge Frau in einer alten Stadt, mit einem neuen Pfad vor sich.
Dann verlassen sie die Halle.
Und treten wieder in das Schweigen Phexcaers hinaus.
Die Stadt wartet.
Als sie das Tempelgebäude wieder verlassen, stößt wie aus dem Nichts eine größere Menschengruppe gegen sie, und in einem wilden Durcheinander entwickelt sich beinahe so etwas wie ein Handgemenge, erst zufällig, doch dann wird Althea gegen eine der Säulen gepresst. Hurdin stößt gegen die Person, die gegen sie gerempelt ist, und nach einigem Durcheinander verschwinden die anderen Personen auf dem großen Platz und in die Gassen.
Als sie sich wieder gesammelt haben, stehen sie etwas verwirrt auf dem Platz und Althea bemerkt, als sie ihre Robe wieder glatt zieht, dass ihr zwei der schweren Geldbeutel mit ihrer Reisekasse entwendet wurden. An die 200 Dukaten! Aber keine Chance, es sind nur noch Schatten zu erkennen, die in der Gassen verschwinden...
…und für einen flüchtigen Moment ist alles still. Kein Wind. Kein Laut. Nur der Nachhall des Gerangels, das scharfe Atmen der Gefährten, und Altheas Finger, die suchend über den Gürtel ihrer Robe gleiten.
Dann friert ihr Blick ein.
Ihre Hand fährt noch einmal über dieselbe Stelle.
Ein drittes Mal.
„Nein…“ haucht sie.
Alle sehen sie an.
Hurdin noch mit geballter Faust, Keldi den Hammer halb gehoben, Archon bereits auf dem Sprung.
Doch Althea steht nur da – die Wange noch gerötet vom Stoß gegen den Pfeiler, die Locken leicht zerzaust. Ihre Stimme ist flach, aber klar:
„Sie haben mich bestohlen.“
Ihre Finger öffnen die restlichen Beutel, doch das Ergebnis ist eindeutig. Die gut verschnürten, extra in die innere Lage ihrer Robe eingebundenen Beutel – fort. Fast 200 Dukaten. Der größte Teil ihrer Rücklagen. Der Schatz, den sie aus dem Süden durch Sumpf, Grenzland und Orkland getragen hat.
Ein bitteres Schweigen senkt sich über die Gruppe.
Hurdin flucht dumpf und stürmt ein paar Schritte in die Dunkelheit, bleibt dann stehen. Keldi knurrt leise, wie ein Tier, das zu spät merkt, dass es hätte zubeißen müssen. Archon steht schon in der Mitte des Platzes, aber da ist nichts mehr – kein Geräusch, keine Bewegung, nur die Gassen, die ins Ungewisse führen.
„Das war… keine einfache Bande,“ murmelt er. „Das war geplant. Gezielt. Perfekt getimed.“
Althea zieht langsam die Hände von ihrer Robe zurück. Ihre Stimme ist ruhig, viel ruhiger als erwartet:
„Er hat sie gesehen. Phex. Und gelächelt.“
Ein paar Sekunden Stille. Dann ein leises, ungläubiges Lachen von Furka, der sich an die Stirn tippt:
„Du bist irre, Mädchen. Aber ich versteh dich.“
Die Gruppe rückt zusammen. Der Nebel kriecht durch die Straßen wie kalter Atem.
Phexcaer hat sich gezeigt.
Die Stadt hat ihre Geste gemacht.
Und nun ist es an ihnen, zu entscheiden, wie sie antworten.
Am Ende des Platzes winkt die halbgeöffnete Tür einer Taverne. Ein warmer Lichtstreifen fällt auf das Pflaster. Ungewohnt in diesem plötzlich sehr bedrohlich gewordenen Ort. Stimmengewirr dringt herüber und das Klirren von Krügen. Keldi fasst die Gruppe zusammen und Hurdin fasst Althea im Arm, als sie sich hinüberbegeben...
…das Licht der Taverne wirkt wie aus einer anderen Welt: flackernd, golden, lebendig. Es schneidet durch die feuchte Dunkelheit wie ein verheißungsvoller Riss in der Fassade einer Stadt, die soeben ihre Maske fallen ließ.
Keldi hebt die Stimme kaum hörbar:
„Kommt. Noch ein Schritt weiter hier draußen, und wir verlieren mehr als nur Geld.“
Er geht voran, mit festen Schritten, als wolle er nicht nur den Weg ebnen, sondern die Gasse selbst davon überzeugen, dass sie ihre Krallen zurückziehen möge.
Althea bleibt einen Moment stehen, ihr Blick haftet noch an der Stelle, wo sie überrumpelt wurde.
Ihre Finger zucken, wie um einen Zauber zu formen, doch sie lässt ab.
Dann spürt sie Hurdins Arm – schwer, schützend, wie ein Mantel aus Fleisch und Vertrauen.
Sie lehnt sich kurz dagegen, nicht schwach, sondern gegenwärtig.
„Ich komme ja schon…“, murmelt sie, fast wie zu sich selbst.

