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Unterwegs mit Zwergen
#61
Unterwegs mit Zwergen #59
(Versatzstücke)

Der Vormittag in Kord war von geschäftigem Treiben erfüllt. Schon von der Herberge aus hörte man das Rollen von Wagenrädern über Pflaster, das Rufen der Händler und das Klirren von Tauwerk vom Hafen herüber.

Die Zwerge waren früh verschwunden – mit festen Schritten in Richtung des großen Warenumschlagplatzes, die Absicht deutlich im Gesicht: Vorräte auffüllen, Nägel mit Köpfen machen.

Althea dagegen blieb zurück, den Zauberstab locker in der Hand, und wartete, bis Curian seine Robe übergeworfen hatte. Er wirkte so, als hätte er keine große Lust auf den Gang, aber der Gedanke an Wein erhellte seine Miene merklich.

Der Weg zum Weinlieferanten führte sie durch enge Gassen, vorbei an Läden mit aufgestapelten Ballen, Fässern und Kisten. Die Luft war erfüllt von einer Mischung aus Salz, Teer – und irgendwo brannte jemand Fischreste in einem Räucherofen ab.

„Der Großmast versteht etwas von Qualität“, murmelte Curian, während er sich durch die Menge schob. „Wenn man schon in einem thorwalschen Hafenstrandnest festsitzt, dann wenigstens nicht ohne eine Flasche, die es wert ist, geöffnet zu werden.“

Althea lächelte, folgte ihm, und bald standen sie in einem kühlen, halbdunklen Kellergewölbe. An den Wänden stapelten sich Fässer, in Regalen ruhten Flaschen mit rotem Siegelwachs, die Etiketten sorgfältig von Hand beschriftet.

Der Händler, ein drahtiger Mann mit nivesischen Zügen, erkannte Curian sofort – wohl kein seltener Kunde – und legte zwei Flaschen auf die Theke, deren Glas im Halbdunkel schimmerte.

„Die eine für heute,“ meinte Curian, während er die Münzen zählte, „die andere… wer weiß, ob wir die Geduld dafür haben werden.“

Althea ließ den Blick schweifen, über Holz, Korken und Etiketten, und dachte unwillkürlich an die langen, dunklen Nächte von Thorwal. Dies hier war anders – heller, leichter, beinahe mit einem Hauch südlicher Kultur.

Als sie wieder hinaustraten, umfing sie die Sonne von Kord. Die Stimmen vom Markt drangen herüber, die Stadt wirkte lebendig, selbst an diesem Vormittag.

„Ein guter Anfang,“ sagte Curian, und Althea hob die Braue: „Ein Anfang wovon?“
Er lachte nur leise, schüttelte den Kopf, und beide schlugen den Weg zurück zum Großmast ein.

Im Großmast war der Mittagsandrang beinahe schon Routine. Kaufleute schoben sich mit Schreibtafeln und Boten in die Stube, der Duft von gebratenem Fisch und frischem Brot hing schwer in der Luft. Die Gruppe rückte an einem langen Tisch zusammen, das Essen war reichlich und kräftig – und wie so oft waren es die Zwerge, die mit zufriedenen Lauten ihre Teller leerten.

Archon zog sich danach mit einem kaum hörbaren Seufzen in die oberen Gemächer zurück, ein Stapel Pergamente und kleine Phiolen unter dem Arm. „Arbeit ruht nicht“, murmelte er.

Althea dagegen blieb unten, wartete, bis Curian die zweite Flasche aus der Tasche zog. „Voller Thin?“ – Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

Der Nachmittag war golden, die Sonne stand warm über den Gassen, die Pflastersteine glühten beinahe. Der Weg durch Kord war lebendig, aber nicht überfüllt. Marktstimmen, Kinderlachen, das Klirren von Metall irgendwo von einer Schmiede – all das fügte sich in eine sommerliche Harmonie.

Die Taverne Voller Thin war schattig und einladend. Nicht überfüllt, eher gedämpft – die Art von Ort, in der Stimmen tiefer und das Lachen weicher werden. Ein paar Seeleute in einer Ecke, zwei alte Männer mit Würfeln am Fenster, einige Bürger, die auf ein Glas Wein hereingekommen waren.

Althea ließ den Blick schweifen, bevor sie ihre Harfe nahm. Zuerst nur ein leises Zupfen, ein Proben der Saiten – und dann begann sie zu spielen. Es war kein Lied für die Menge, keine Aufführung. Eher eine Zwiesprache mit sich selbst, Töne, die wie Kreise auf Wasser liefen.

Nach einigen Minuten wechselte sie den Platz, setzte sich auf die Bank am Kamin. Dort, leicht im Schatten, spielte sie weiter, die Augen halb geschlossen, die Finger beinahe automatisch geführt.

Die Stimmen im Raum verklangen nach und nach. Die Würfel verstummten. Selbst draußen auf der Straße blieben Menschen stehen, schauten neugierig durch die offene Tür.

Curian saß zurückgelehnt, den Becher in der Hand, und beobachtete. Kein Lächeln, aber etwas in seinem Blick veränderte sich – ein leises Anerkennen, vielleicht sogar Respekt. Er verstand, dass diese junge Frau, die sich so unbedarft in die Gefahren der Welt gestürzt hatte, mehr war als eine unerfahrene Idealistin.

Hier, in der Musik, offenbarte sich ein Kern – ein innerer Halt, eine Ruhe, die er nicht erwartet hätte.

Er nahm einen Schluck Wein, nickte beinahe unmerklich für sich. „So also,“ murmelte er leise, „so trägt man die Welt.“

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Der Voller Thin liegt im goldenen Nachmittagslicht. Türen offen, Staubkörnchen tanzen in der Luft, Stimmen sind gedämpft. Althea und Curian nehmen den Tisch nahe beim Kamin; die Harfe lehnt am Stuhl, Curians Stab an der Wand. Der Wirt bringt Wein—„den guten“—und zwei Becher.

Althea spielt erst nur für sich: ein leises, wanderndes Motiv, das wie ein Atemzug durch den Raum geht. Gespräche verstummen, ohne dass jemand darum bittet. Curian sitzt still, die Finger wie eine Brücke über dem Kelch, und lauscht mit dieser konzentrierten Ruhe von Menschen, die sonst alles kommentieren.

Als die Sonne kippt, wird aus Musik Gespräch. Kartenfragmente, Namen an der Küste, falsche Fährten und richtige Entscheidungen. Curian stellt die härteren Fragen, Althea antwortet ohne Ausflüchte. Ein zweiter Krug. Später lacht er einmal leise, fast überrascht—nicht über einen Witz, sondern über das Gefühl, wieder gern zu hoffen.

Mit Einbruch der Nacht ist der Voller Thin halbleer, die Lampe über dem Tresen brennt weich. Der gute Wein ist kein Prahlhanswein: er steigt erst spät in den Kopf. Altheas Wangen sind warm, Curians Blick glänzt. Sie bestellen doch noch „den kleinen letzten“. Der Wirt nickt, als wüsste er, dass es nie bei einem letzten bleibt.

Währenddessen drückt die Tür des Weiten Meer die Luft wie ein Blasebalg nach draußen—voll, laut, lebendig. Hier riecht es nach Salz, Bier und Rauch. Die drei Zwerge plus Furka bahnen sich ihren Weg zu einem freien Tisch.

„Wer hat Mut?“ klackt Furkas Würfelbecher. Zwei Kaufleute und ein Steuermann setzen sich, erst feixend, dann fokussiert. Die Kanne Bier landet, Hurdin stellt sie hin wie ein Anker. Keldi sitzt breit, sagt wenig, sagt aber alles mit seinem Blick. Tondar beobachtet die Tür, das Fenster, das Spiel—die Welt mit drei Achsen.

Die Würfel fallen gut. Zu gut, findet einer, bis Keldi sein Kinn nur einen Daumen breiter hebt. Der Mann vergisst seinen Gedanken. Das Gold klimpert, die Laune steigt, die Lieder werden gröber. Ein paar Strophen später ist der Tisch ein Inselchen im Lärm, und Furka grinst mit jenem zufriedenen, fast kindlichen Grinsen, das die anderen nie ganz verbieten konnten.

Kurz vor Mitternacht klappt der Becher noch einmal. „Genug für heute“, brummt Hurdin. Niemand widerspricht.

Die Gassen von Kord sind stiller als ihre Tavernen. Die vier Zwerge kommen zuerst beim Großmast an; ein letztes, trockenes Brummen, dann verschwinden sie hinter der Tür.

Später, deutlich später, stolpern Althea und Curian herein—nicht lallend, aber weich. Der Wirt hebt eine Augenbraue und stellt wortlos Wasser hin. Althea lächelt dankbar, Curian hebt den Becher wie in einer stillen Liturgie des Spätabends. Zwei Schatten auf der Treppe, ein letztes Holzknarren, dann Ruhe.

Die Stadt atmet. Die See draußen murmelt. Und irgendwo in den Kellern des Großmast liegt noch eine Flasche, die morgen vielleicht wieder eine Geschichte aufkorkt.

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Die Tür zum „Großmast“ quietschte, als Keldi, Hurdin und Tondar mit schwerem Schritt zurückkehrten. Die Sonne stand schon hoch, aber im Gastraum war es dämmrig, die Fensterläden nur halb geöffnet. Am Tisch in der Ecke saß Archon, die Pfeife im Mundwinkel, und hob kurz die Brauen, als die drei an ihm vorbeidrängten.

„Platz da,“ brummte Hurdin, während er ein schweres Bündel ablegte. Sechs sorgsam geschnürte Proviantpakete, sauber beschriftet vom Markt. „Das reicht bis Prem.“

Tondar schob grinsend ein zweites Paket auf den Tisch. „Und das hier… für den Herrn Magister.“

Curian blinzelte schläfrig von der Treppe herunter, noch im Halbdunkel, die Haare wirr. Keldi griff in den Sack und zog die Decke hervor: dick, flauschig, ein nivesisches Stück Handarbeit, Muster wie ineinanderlaufende Runen, blau und weiß verflochten.

„Haben wir extra geholt,“ sagte Keldi knapp. „Wenn du schon mit uns über die Handelsstraße stapfst, dann frierst du wenigstens nicht.“

Curian hielt einen Moment inne, strich mit den Fingern über die feine Wolle, und neigte schließlich den Kopf – ernst, ohne Worte.

„Mach dir nichts draus,“ brummte Hurdin, „wir haben auch nur gedacht: besser du schnarchst warm, als dass wir dich unterwegs als Eiszapfen hinter uns herziehen.“

Tondar lachte tief und griff zum Bierkrug. „Passt schon. Die Decke ist stärker als du.“

Und so lag sie bald ausgebreitet über Curians Bett – nicht nur als Schutz gegen die Kälte, sondern als stilles Zeichen, dass die Zwerge ihn längst aufgenommen hatten.
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