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Unterwegs mit Zwergen
#64
Unterwegs mit Zwergen #62
(Versatzstücke)

Die Gruppe trat aus der schmalen Hafengasse hervor, und plötzlich öffnete sich die Welt. Der enge Rahmen der Fachwerkfassaden fiel zurück, und sie standen im lichten Atem des Sommers. Die Sonne stand hoch, nicht brennend, sondern warm und klar, als läge eine unsichtbare, goldene Hand über dem Platz.

Die Häuser ringsum waren frisch gekalkt, ihre weißen Wände hoben sich hell gegen das grünblättrige Dach einzelner Linden, die den Brunnen beschatteten. Kein Markttag – also lag eine friedliche Weite über dem Platz. Ein paar Händlerinnen sortierten Obst in Körbe, ein junger Bursche trug einen Krug über den Platz, Möwen riefen fern vom Hafen herüber. Der Wind, der draußen vom Meer noch kühl kam, strich hier nur sanft über das Pflaster, als wolle er die Müdigkeit der Reisenden vertreiben.

Zur Rechten ragte die breite Fassade der Herberge Haus Hjalland auf, ihre Balken dunkel gebeizt, die Fenster mit bunten Vorhängen geschmückt, ein Schild über der Tür schwankte leicht in der Brise. Es war, als habe der Ort selbst sie erwartet – ein Platz, wo der Rauch der Spinnenhöhle endgültig von ihnen abfallen durfte.

Althea ging Seite an Seite mit Furka, ihre Schritte noch schwer vom Marsch, doch das Sonnenlicht, das ihnen entgegenschlug, als sie den Platz erreichten, wirkte fast wie eine Reinigung. Der Rauchgeruch hing ihr immer noch im Haar, doch hier roch die Luft nach Kalk, Wasser und den Früchten am Brunnenstand. Sie blinzelte – nicht nur gegen das Licht, sondern gegen die plötzliche Wärme in der Brust.

Furka neben ihr sog die Luft tief ein, brummte kaum hörbar: „Endlich wieder was Richtiges unter den Füßen.“ Er war nicht der Typ, viel Worte zu verlieren, doch Althea wusste, dass er diese klare Ordnung nach der stickigen Finsternis genoss.

Ein paar Schritte dahinter kam Keldi, das Kinn trotzig vorgereckt. Seine Augen glitten sofort an den Häusern entlang, musterten die Balken, die Dächer, als prüfe er, ob hier ein ehrlicher Handwerker am Werk gewesen war. Hurdin und Tondar flankierten ihn schweigend – Hurdin mit verschränkten Armen, das Gewicht der Robenbeute noch in den Schultern, Tondar den Blick auf den Brunnen, als wolle er dort gleich sein Gesicht in kaltes Wasser tauchen.

Archon hielt sich bewusst etwas zurück. Seine Augen hingen an den Schatten unter den Linden, am Spiel des Lichts auf den Wänden. Er wirkte fast wachträumerisch, doch Althea wusste, dass er innerlich schon Rezepte sortierte, Überlegungen spann, wie er die Vorräte aus der Spinnenhöhle in Tinkturen verwandeln konnte.

Ganz am Ende, ungewohnt für ihn, ging Curian. Der Stab in seiner Hand klackte im Takt seiner Schritte, aber sein Blick wanderte nicht nach vorne. Er ließ den Platz, die Menschen, die Sonne wirken, als koste er es aus, noch im Schatten der Gruppe zu bleiben. Als Althea kurz über die Schulter blickte, begegnete sie seinem Blick: müde, ja – aber auch prüfend, fast stolz, als habe er etwas erkannt, was sie selbst noch nicht ganz greifen konnte.

Vor ihnen stand die Fassade des Haus Hjalland. Der Gedanke an gutes Essen, Wein, saubere Betten war wie eine Verheißung, und einen Moment lang stockte Althea der Atem – weil sie spürte, wie sehr diese kleine Schar inzwischen zu ihrer Gruppe geworden war.

...

Die Tür des Waffenhändlers klappt hinter ihnen ins Schloss. Draußen rauscht die klare Sommerluft durch die enge Gasse, die zum Kontorviertel führt. Keldi dreht noch einmal die Skraja in der Hand, prüft die Balance, während Tondar die frischen Bolzen über die Schulter wirft – „Endlich wieder ein ordentlicher Vorrat“.

Althea blickt sich um: Der Platz vor den Kontoren ist nicht groß, aber belebt. Händler rufen, ein paar Kinder jagen einander zwischen Fässern hindurch, die Pferdefuhrwerke rollen Richtung Markt. Und da löst sich die Gruppe fast wie von selbst auf:

Furka zieht es zu den Tavernenständen, immer auf der Suche nach Neuigkeiten.

Keldi will den Stoffhändlern einen Blick abstatten – „wenn sie schon keine Schwerter können, vielleicht wenigstens Wolle“.

Tondar verschwindet Richtung Hafen, ein Auge auf das, was die Fischer an Land bringen.

Archon schiebt sich sofort zur Kräuterware hinüber, die Augen wachsam, als prüfe er schon Rezepte in Gedanken.

Hurdin stapft langsam hinterher, die Hände auf den Beuteln mit Gold und Phiolen, als würde er jede Münze zählen.

Althea bleibt einen Moment neben Curian zurück, beide blicken kurz einander an – „Mittag im Hjalland?“ – ein schlichtes Nicken, und dann gehen auch sie auseinander, jeder seinem eigenen Interesse nach.

Die Sonne steht nun hoch über dem gepflegten Platz von Ljasdahl, die Schatten der weiß getünchten Häuser sind scharf und kurz. Die Glocke am Brunnen schlägt die Mittagsstunde – und so treffen sich alle wieder im „Haus Hjalland“, mit vollen Taschen, neuen Geschichten und dem Duft von gebratenem Fisch, der aus der Gaststube herüberzieht.

Im Haus Hjalland standen noch Krüge mit kühlem Bier auf den Tischen, als das Mittagsmahl abgeräumt wurde. Der Geruch von frisch gebratenem Fisch hing noch in der Luft.

Althea und Curian hatten sich in eine Ecke des Gemeinschaftszimmers zurückgezogen, die Stirnreife vor sich, Pergamente und Notizen daneben. Altheas Fingerspitzen strichen sanft über das Metall, während Curian die Augen schloss und die alte Formel des Odem murmelte.

Ein leises Flirren lag im Raum – nichts Sichtbares, aber spürbar.

„Bah, Elfenwerk“, hatte Furka schon beim ersten Anblick gemurrt. Jetzt stemmte er sich mit einem Knarzen des Stuhls zurück, nahm sein Bier und schüttelte den Kopf. Keldi und Tondar tauschten Blicke.

„Wenn sie anfangen zu murmeln, dauert’s“, meinte Keldi trocken.

„Dann bestell noch ein Bier“, antwortete Tondar.

Die Bedienung stellte die Krüge vor sie ab, während aus der Ecke nur noch das Summen zweier Stimmen zu hören war.

Nach einer weiteren halben Stunde stieß Furka schließlich die Bank zurück. „Ich geh raus. Wer kommt mit?“

„Alles ist besser, als den beiden beim Luftanhalten zuzusehen“, knurrte Keldi.

„Aye“, nickte Tondar und erhob sich ebenfalls.

So kam es, dass die drei Zwerge lachend durch die Tür traten, während im Gemeinschaftszimmer der Schein der Sonne auf Silber fiel und die Stimmen von Althea und Curian fast wie ein einziges Klangband zusammenflossen.

Archon, der hinten am Fenster gesessen hatte, notierte still im Schatten seiner Kapuze.

Die Tür schlug auf, und mit einem Schwung aus Stimmen, Gelächter und dem Geruch von Bier polterten Furka, Keldi und Tondar herein. „Bei Ingerimm, die Thorwaler können weder würfeln noch zählen!“ prustete Furka, klimperte mit ein paar frisch gewonnenen Münzen und ließ sich schwer auf eine Bank fallen. Keldi schnaubte, halb belustigt, halb vorwurfsvoll: „Glück ist keine Kunst, Bruder. Aber immerhin bringt es die Kasse auf Trab.“ Tondar grinste nur breit, während er einen Schluck aus dem letzten Krug nahm, den sie sich von unterwegs mitgebracht hatten.

Am Fenster, abseits des Trubels, war die Stimmung gänzlich anders. Althea hatte die Stirn gerunzelt, das Licht der Kerze spiegelte sich in ihren Augen, während sie die fein gezogenen Linien eines Symbols verfolgte. Curian, den Kopf leicht geneigt, fuhr mit dem Finger eine Passage nach. „Siehst du? – Hier, am Rand. Das ist kein Zufall, das ist eine Verstärkung, eine zweite Schicht.“ Seine Stimme war leise, aber fest, als spräche er von etwas, das zu ernst war, um es mit zu lauter Stimme zu benennen.

Althea schüttelte kaum merklich den Kopf, ihr Haar schimmerte rötlich im Kerzenlicht. „Es ist finster, ja. Aber nicht nur. Das hier… das ist alte Schule. Wer das schrieb, wusste, was er tat.“ Sie tippte auf eine Stelle, und ihre Stimme wurde noch leiser: „Das ist kein Bann. Das ist ein Schlüssel.“

Die Zwerge hatten es mit einem Augenrollen quittiert, als sie sahen, womit sich die beiden beschäftigten. Doch Hurdin, der schweigsame Wächter, blieb in der Nähe, die Arme verschränkt, den Bierkrug im Schatten der Bank. Seine Augen hingen an den Symbolen, auch wenn er sie nicht verstand – vielleicht spürte er etwas, das den anderen entging.

Draußen senkte sich die Dunkelheit über Ljasdahl, und durch die Scheiben war nur noch das Licht der Laternen auf dem Platz zu sehen. Drinnen aber schien das Rotweinglas, das zwischen Althea und Curian stand, fast so sehr zu glimmen wie die Zeichen im Buch.

Der Morgen war hell und klar, die Sonne hing schon hoch genug, um das Pflaster des Platzes vor dem Haus Hjalland warm zu färben. Frischer Wind vom Meer wehte den Geruch von Salz und Tang zwischen den weiß getünchten Fassaden hindurch.

Die Gruppe trat hinaus auf die Stufen vor der Herberge. Althea ging wie immer neben Furka voran, ihren Stab locker in der Hand, das Haar vom Wind ein wenig zerzaust. Keldi führte hinter ihnen seine Brüder Hurdin und Tondar, die noch mit einem Rest Verschlafenheit die Umhänge enger zogen. Den Abschluss bildete Archon, bedächtig und mit dem schrägen Blick eines Mannes, der den Tag schon nach Spuren und Zeichen abtastete.

„Rüber zum Hafen?“ – Furka blinzelte gegen das Sonnenlicht, während er die breite Gasse anpeilte.
„Hm“, brummte Keldi, „hoffentlich liegt was Ordentliches im Wasser. Kein Kahnschrott.“
Althea lächelte kaum merklich und deutete mit dem Stabende zum Meer hinab. „Ihr Thorwaler seid wählerisch. Mir reicht, dass es schwimmt und uns trägt.“

Über den Platz hinweg war das Klatschen von Segeln und das Rufen der Hafenarbeiter schon zu hören. Ein paar Händler schoben Karren mit Waren über das Pflaster, und am Brunnen tranken Möwen gierig aus den Schalen, die das Wasser überlief.

Die kleine Gruppe machte sich gesammelt auf den Weg hinüber zum Hafen – jeder mit seinem eigenen Rhythmus, aber doch deutlich spürbar: die Rast von Ljasdahl war vorbei, es ging weiter.
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