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Naturschutz in Selbstjustiz - ethisch gerechtfertigt?
#32
(08.01.2010, 05:02)Wolverine schrieb: Aber ihr scheint völlig zu übersehen, dass all diese Regelungen nur dann greifen, wenn ich oder mein persönliches Eigentum angegriffen werden. Nicht aber, wenn Wale gejagt werden!
Du hast meine Ausführungen mißverstanden, fürchte ich. Ich habe über die unmittelbare Anwendbarkeit der Vorschriften auf den Walfang überhaupt keine Aussage getroffen, sondern nur dargelegt, daß es grundsätzlich Rechte in verschiedenen deutschen Gesetzen gibt, selbst Gewalt auszuüben und daß diese bestimmten Grundgedanken folgen.

Deine Aussage, daß alle diese Rechte nur greifen, wenn Du oder Dein Eigentum angegriffen sind, ist so pauschal auch nicht richtig. Es gibt z.B. die Nothilfe, also die Notwehr- oder Notstandshandlung zugunsten eines fremden Rechtsgutes. Außerdem greift das Recht der vorläufigen Festnahme unabhängig davon, gegen wen die aktuelle rechtswidrige Tat gerichtet ist. Eine eigene Betroffenheit des Notstandshandelnden ist nicht erforderlich.

Gleichwohl hast Du natürlich Recht, daß diese Vorschriften nicht unmittelbar anwendbar sind. Das ergibt sich zum einen formal daraus, daß deutsches Recht gar nicht auf Hoher See gilt, zum anderen aber auch inhaltlich daraus, daß ein rechtswidriger Angriff auf ein wehrfähiges Rechtsgut vorliegen müßte. Die Wale sind herrenlos, sie gehören niemandem. Und ob ein Walfänger rechtswidrig handelt, ist eine Frage des Einzelfalles.

Man kann sich aber eben schon auf Grundlage dieser Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung fragen (und eine schnelle Antwort habe ich hier auch nicht), ob gewisse Prinzipien dieser "Selbjustiz"-Rechte, wenn man sie auf die Situation auf hoher See überträgt, nicht auch ethisch zu einer Rechtfertigung führen können.

So könnte man etwa der Auffassung sein, daß ein Mindestmaß an Tier- oder Artenschutz ein Allgemeingut (= ein Rechtsgut aller Menschen in der Gesamtheit) ist, das auch wehrfähig ist, wenn es gegenwärtig angegriffen ist. Und man kann sich darüber unterhalten, ob ein grob unmoralischer Angriff (was wiederum definitionsbedürftig ist) auf dieses Rechtsgut nicht einem rechtswidrigen Angriff nahekommt, wenn es nunmal kein realistisch durchsetzbares Recht auf Hoher See gibt. Und wenn das annimmt, muß man sich immernoch fragen, wie es mit der Verhältnismäßigkeit steht, was maßgeblich vom Rang abhängt, den man den beteiligten Gütern beimißt (was ist die körperliche Unversehrtheit wert, was der Tier- oder Artenschutz) - Ich sage nicht, daß man hier eine moralische Rechtfertigung annehmen muß, ich meine nur, daß man es sich zu einfacht macht, wenn man sich für die moralische Frage auf die Nichtanwendbarkeit des Not- und Selbsthilferechts beruft. ;)

Und es ist nun mal so, daß es hinsichtlich des Walfanges sicherlich klare rechtliche Regeln gibt, nur sind die zum einen nicht faktisch durchsetzbar, weil es keine Weltpolizei und auch keine Exekutive auf Hoher See hibt. Und zum anderen wurde diese Rechtsordnung auf völkerrechtlicher Ebene nicht von einem vernunftgesteuerten Gesetzgeber (ja, man kann sich fragen, ob es den überhaupt in den Einzelstaaten gibt) geschaffen, sondern durch ein Konglomerat von mühsam ausgehandelten völkerrechtlichen Verträgen, die allzu oft eine Minimalkonsens darstellen und eine Vielzahl von Kompromisse enthalten, weil ein Nein einer Seite dazu führt, daß diese nicht gebunden ist und faktisch machen kann, was sie will. Also hat man im Ergebnis zumeist lieber einen schlechten Vertrag, als gar keinen. Einen Schutz vor sittenwidrigen Verträgen gibt es zudem völkerrechtlich nicht. - So gibt es einfach Materien im Völkerrecht, die himmelschreiend "unfair" sind oder bestimmte Rechtsgüter einfach zu wenig schützen, weil ein Mehr nicht durchsetzbar ist (siehe auch den Klimaschutz). Auf völkerrechtlicher Ebene herrscht nicht das Mehrheitsprinzip, wie im Parlament, sondern das Konsensprinzip. Für keinen Staat gilt eine Regelung, die er nicht so akzeptiert hat (mit wenigen Ausnahmen). Und das ist der Grund, warum man eventuell in gewissen Punkten nicht bei der rechtlichen Beurteilung verbleiben kann, sondern die moralische Bewertung eine Berechtigung hat. Und wenn man der Auffassung ist, daß unsere deutsche Rechtsordnung moralische Maßstäbe ganz gut umsetzt, dann kamm man ja zumindest schauen, ob man nicht bestimmte Prinzipen oder Grundgedanken übernehmen kann - ohne freilich hinterher zu meinen, deutsches Recht direkt anwenden zu können.
"Haut die Säbel auffe Schnäbel."
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RE: Naturschutz in Selbstjustiz - ethisch gerechtfertigt? - von Zurgrimm - 08.01.2010, 10:06
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RE: zum Jubeln - von Edvard - 14.05.2012, 15:00
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