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Vier verruchte Gefährten
#14
16. Travia, 18 nach Hal.
Finsterkoppen-Binge, 6. Ebene


Lark hatte die Brechstange früher weggeworfen als irgendjemand unter seinen Gefährten hätte sehen können, daß er es war, der mit diesem groben Werkzeug hantiert hatte.
Dennoch:
"He", lallte der Thorwaler mit einem teils trägen teils spöttischen Grinsen. "Uuuser Ridder hat mid der Brechstange die Falltür da jeöffned ... Eyn neues Ritterschwert brauch er nich mehr!" Nach einem häßlichen Rülpser ließ sich der mäßig betrunkene Thorwaler ein inbrünstiges Lachen vernehmen, wie man es nur von seinesgleichen aus längst vergessener Sagenzeit vermutete.
Korbranor stimmte nach einer Weile in dies Lachen ein, obwohl seine Stimme weniger als halb so laut durch die vergessenen Gewölbe der Finsterkoppen-Binge hallte. Selbst Karvak gestattete sich, seine Mundwinkel zu einem erahnbaren Lächeln heraufzuziehen. Der Edelknecht ging nicht darauf ein, sondern stieg als erster die merkwürdig aufwendig geschliffenen Treppenstufen hinunter.
In neuer Dunkelheit angekommen, durchdrang mattblaues Licht aus der erneurten magischen Quelle Karvaks einen weiteren, langen Gang. Der Edelknecht stand schon lange schweigend und still, Aigur war die Lust am Schnapsgenuß vergangen, denn er schwang nur noch mit kritisch angetaner Miene leicht vor und zurück. Karvak blickte zwar nicht entschlossen, doch weitaus weniger ernüchtert drein als seine Begleiter. "Was ist Euch ..." hallte die raunende Stimme des Geisterbeschwörers stumpf im weiten Gewölbegang. "Ein paar Schritt sind es noch ..."
"Wieviele!" fuhr ihn Korbranor, der Jäger, plötzlich an. "Wieviele
dieser götterverfluchten Gänge sind es noch?!" Die Stimme Korbranors war kurz davor sich zu überschlagen.
Selbst Karvak und Aigur starrten nur noch regungslos geradeaus. Der Magus nickte verstehend und sah dann dem Jäger in die Augen. "Wir sind am Ziel, Freund. Der Salamanderstein ist hier. Und wenn wir den geholt haben, geht es wieder nach Hause ... "
"Freund" wiederholte Korbranor verächtlich. Dann hob sich seine Stimme wieder in Zorn. "Niemand ist mein Freund, Geistertreiber! Wo hast Du uns hingeführt?!"
Karvak unterdrückte die Antwort, die ihm auf der Zunge brannte. Stattdessen schob er sich an dem Jäger vorbei und schritt fest aus, als er dem Korridor efferdwärts folgte. Aigur schritt, nein torkelte, unbedacht weiter, während Lark sich widerstrebend, aber im zügigem Schrittempo vorwärtsbewegte.
Bald hatte der Magus die erste Tür zu seiner Linken erreicht. Statt Aigur ein Zeichen zu geben, warf er sich selbst dagegen - und abermals geschah nichts. Er warf sich nochmals dagegen und als dann die Tür zerbarst, sahen Lark und Korbranor ganz verdutzt aus; Aigur kicherte kopfschüttelnd vor sich hin.

* * *

Die Suche in den dahinter liegenden Gängen dauerte an. Wann immer Karvak eine Sackgasse auszumachen glaubte, drehte er sich ruckartig um und lief wieder in die Gegenrichtung. Lark, Korbranor und Aigur folgten schweigend - weil sie keine andere Wahl hatten -, doch ihre Ungeduld schlug bald in gefährlichen Zorn über und die Ehrfurcht vor den Zauberkünsten des Geisterbeschwörers schwand alle Dutzend Schritt in jenem aussichtslosen Dunkel der Binge dahin.
"Es kann doch nur eine Halle sein ... hier irgendwo muß es sein ..." murmelte der Magus dann und wann vor sich hin.
"Was bei den Dreigehörten" entfuhr es Karvak. Vor den Gefährten lag ein breiter Gang, dessen Boden mit großen, in kurzen Abständen eingelassen Platten durchsetzt war. Karvak hielt den Edelknecht, der einfach voranschreiten wollte, gerade noch zurück. "Nicht! Es sind Fallen ... und ich vermag noch nicht zu sagen, was sie anrichten ..."
In einer Ecke entdeckte Korbranor eine Truhe. Ohne einen Widerstand schlug er den Deckel zurück und griff hinein. Der Jäger hielt einen Lederwams und ein paar Lederschuhe hoch. Karvak nickte plötzlich, als sei ihm etwas wichtiges dazu eingefallen. "Das ist es!" Der Magus nahm Korbranor den Lederwams ab und hielt ihn herum. "Diese Platten glühen heißer als ein Stück Schmiedeeisen im Feuer! Mit diesen Sachen könnten wir dennoch an das andere Ende dieses Gangs gelangen."
Lark von Wolven hob eine Augenbraue. "Wie kannst du dir da sicher sein? Wenn diese Platten glühen, kann auch dieses Lederzeug nicht mehr davor schützen, zu einem Häufchen Asche zusammenzufallen."
"Diese Dinge hier sind nicht einfaches Lederzeug", versicherte Karvak und holte noch ein paar Stiefel heraus, die er dem Edelknecht vor die Nase hielt. "Dieses Leder hat eine besondere Behandlung erfahren und ich schätze, daß der Gott der Schmiede da irgendwie seine Finger im Spiel hatte ..."
"Dann sollten wir das hier wohl besser liegen lassen, häh?" johlte Aigur.
Karvak schüttelte den Kopf. "Nein ... nicht die Lederkleidung ist es wovor Ihr Euch fürchten müsstet ob Eurer Taten." Der Magus reckte sein Kinn in Richtung der Bodenplatten. "Der zürnende Ingerimm wird sich eher dort bemerkbar machen, sollten wir ihn allzusehr geärgert haben."
Der Thorwaler verzog eine finstere Miene, während er sich noch einmal die Platten besah. Korbranor stad starr vor der Truhe. Nur der Edelknecht schien entschlossen, seine Gottgefälligkeit auf die Probe zu stellen.


"Also los", drängte der Magus, der die Lederkleidung vollständig angelegt hatte. Der Edelknecht war bald neben ihm, ebenso gehüllt in das geheimnisvolle Leder aus der Truhe. Zögerlich trat Korbranor heran und als Letzter torkelte Aigur schnaufend neben seine Gefährten.
Karvak machte den ersten Schritt allein.
Der Magus betrat die erste Platte, die daraufhin schwach aufglomm.
Mit einem Laut des Entsetzens prallten die anderen Drei vom Rand der ersten Bodenplatte zurück. "Habt keine Furcht!" rief ihnen Karvak zu. "Es ist nichts!"
Aigur knurrte und trat vorwärts, ebenso Lark. Widerstrebend setzte schließlich auch Korbranor seinen Fuß auf die erste Platte. Als nichts weiter geschah, traten die verruchten Gefährten auf die nächste Platte. Die aber glühte feuerrot auf.
"Nein ..." keuchte Korbranor und kehrte auf der Stelle um.
Auch Aigur hatte Mühe, seinen Blick geradeaus zu zwingen, und diesen nicht über die gefährlich glimmenden Platten unter seinen Sohlen streifen zu lassen. Der Geruch verbrannten Leders stieg langsam vom Boden auf. Der Gang bog ein weiteres Mal rechts um die Ecke.
Die nächste Platte glühte auf wie die Glut in einem Schmelzofen.
Aigur wirbelte herum und rannte zurück.
Nur noch Karvak und Lark von Wolven machten einen Satz von der letzten Platte hin zum steinernen Boden des Gangs ... der in ein paar Schritten wiederum in einer Sackgasse endete. Lark atmete tief ein und funkelte den Magus dabei unheilvoll an. Karvak aber deutete auf ein prächtiges, goldumrahmtes Symbol, das zu seiner Linken, an der Westseite des Gangs, prangte: Es zeigte einen Amboß unter zwei gekreuzten Hämmern, durchbrochen von einer runden Einfassung. Der Edelknecht schüttelte verständnislos den Kopf. Karvak hingegen nestelte ein Schriftstück aus seiner Robe und begann gespannt, das Geschriebene mit dem Symbol an der Wand zu vergleichen. Da bat er den Edelknecht um eine Fackel und daß er sie ihm angezündet geben solle. Noch immer ahnungslos, förderte Lark aus seinem Rucksack bald seine einzige Fackel zutage entzündete sie und übergab sie dem Geisterbeschwörer.
Karvak hielt die lodernde Fackel erst vor das Symbol - dann noch etwas näher ...
... Und wo eben noch das mit dem Symbol belegte Wandstück gewesen war, bot sich den beiden Verruchten nun der Zugang über ein kleines Gangstück in einen hohen Saal.
"Wir sind nah an unserem Ziel", sagte der Geisterbeschwörer. Ein gewisser Stolz in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Doch noch mehr beeindruckt als von der Kundigkeit des Brabakers war Lark von Wolven schließlich von der Gestalt des großen Saals. Der erschien ihm wie das Innere eines riesigen, mehrere Stockwerke emporragenden Schmelzofens. Nur daß Schmelzöfen im Inneren für gewöhnlich nicht vier wuchtige, runde Säulen in der Mitte hatten. Lark mit heruntergefallener Kinnlade; Karvak mit weit geöffneten, wachsamen Augen, so durchmaßen die beiden dunklen Gefährten die große Schmiede in der tiefsten Tiefe der Binge. Da hallten plötzlich dumpfe Schritte durch die Schmiede:
Eine riesenhafte klobige Gestalt, die einen Oger sicher überragt hätte, begab sich in diesem Moment mit einem übergroßen Schmiedehammer zur Mitte des Saals, wo sich auf einer Sockel der Beckenrand eines mächtigen Schmelztiegels befand. Erst erstarrte Lark vor Schreck, dann fuhr seine Hand zum Heft seiner Waffe.
"Bist du wahnsinnig!!" schalt Karvak den Edelknecht heftig. "Du magst mit aller Mächte Deres Beistand vielleicht einen Steingolem bezwingen. Doch was dir danach widerfährt, wölltest du die Binge mit dem Stein wieder verlassen, weißt du nicht." Langsam lockerte der Edelknecht seinen Griff.
Noch bevor Karvak ihm seinen Plan eröffnen konnte, wie weiter vorzugehen sei, war der mächtige Hüter des Berges schon ein paar unglaublich feste Schritt auf die beiden Neuankömmlinge zugetreten. Mit einer langsamen, hellen Stimme fragte der Golem dann: "Habt ihr das Pfand?" In seiner vorgebeugten Haltung verharrte der Golem so, als wollte er sich erst wieder bewegen, wenn er eine befriedigende Antwort erhielte.
" J ... ja ja, wir haben es" gab Karvak zerstreut zurück, derweil er mit seinen knochigen Fingern in den tiefen Taschen seiner Robe nach einem Gegenstand nestelte.
Noch fassungsloser als zuvor sah Lark dem Geisterbeschwörer dabei zu, wie der ein steinernes Medaillon hochhielt und es wie selbstverständlich seinem Gegenüber reichte. Der warf das Stück, nachdem er sich zu seinem Schmelztiegel begeben hatte, in die Glut als sei es ein Stück Erz von den großen Haufen, die jeweils die Säulen flankierten. Der Golem vollbrachte in der Mitte des Saals sodann die Arbeit eines Schmieds und die beiden Gefährten wagten nicht, ihn dabei zu stören.
"Was nun?" raunte der Edelknecht dem Magus zu. Lark von Wolven zeigte mit einem Mal großen Respekt vor dem Wissenden, der nur ihn so weit in die Nähe des legendären Artefakts gebracht hatte.
Karvak zuckte mit den Schultern. "Wir warten ab bis er fertig ist."
"Das meint Ihr nicht ernst?"
"Warum sollte ich das nicht? Wollt Ihr schon eigenmächtig an den Schätzen Ingerimms bedienen und dabei glauben, Ihr könntet vor den Augen des Golems ungeschoren aus der Binge flüchten?"
Zögerlich gab der Edelknecht nach. Die beiden Gefährten lehnten sich an einer der Säulen und betrachteten das außergewöhnliche Schauspiel in der Mitte der ehernen Schmiede mit einem etwas beklommenen Gefühl.

* * *

Nachdem einige Zeit verstrichen war, die weder Karvak noch Lark hätten wenigstens schätzen können, wandte sich der Golem wieder an die Fremden. Beinahe hätte man der auf ewig starren Miene des steinernen Riesen etwas feierliches anerkennen können, als dieser sich hinabbeugte, um den beiden Menschlingen das Werk seiner auf göttliche Weise beschleunigten Arbeit darzureichen. In seinen Händen lag die rot schimmernde Klinge eines seltenen Schwerts, das nur die hohen Alchimisten überhaupt benennen konnten. Mit seiner ungewönhlichen langsamen Stimme erklärte der Golem, daß dies Artefakt behalten oder später erneut in einen Tausch gebracht werden könne.
Karvak ließ Lark vorgehen, der das Asthenilschwert mit großen Augen entgegennahm. Er betrachtete die Wafffe von allen Seiten: das kunstvoll ausgearbeitete Gefäß, die zangenförmig nach vorn gewundene Parierstange und die sonderbare, aber bereits fein geschliffene Klinge, von der man meinen könnte, sie würde durch jede Rüstung fahren wie durch weiches Brot.
"Was ist, willst du hier so stehenbleiben und dem Golem die nächsten hundert Götterläufe so Gesellschaft leisten?" zog der Magus den Edelknecht aus seinem verzückten Staunen. "Wir sollten uns nun nach dem Salamanderstein umsehen, der Golem zieht sich zurück."
Etwas benommen schüttelte Lark den Kopf. "Von mir aus holt Euch Euren lächerlichen Stein. Ich habe heute mehr bekommen, als ich mir hätte vorstellen können." Wie sein wichtigstes Kleinod strich Lark über die Klinge des Schwerts und brachte es umständlich in sein Waffengehenk. Karvak verzog die Mundwinkel zu einer überlegenen Miene. "Dann wartet hier auf mich, wenn Ihr wohlbehalten an die Oberfläche zurückkehren wollt. Dort ist die Schatzkammer der Binge und ich werde dort den Salamanderstein finden und an mich nehmen." Karvak kicherte dunkel, dann sagte er noch mit einem verschwörerischen Grinsen: "Seid aber so klug und haltet Euer neues Schwert vor den Augen Eurer Freunde verborgen ... sollten Sie noch leben ..."
Svellttaler Geschichten
Geschichten und Abenteuer aus dem Svelltland und den Schildlanden


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Vier verruchte Gefährten - von Boronar - 29.08.2011, 22:36
RE: Vier verruchte Gefährten - von Boronar - 29.08.2011, 22:38
RE: Vier verruchte Gefährten - von Hendrik - 30.08.2011, 13:33
RE: Vier verruchte Gefährten - von Rabenaas - 30.08.2011, 20:04
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RE: Vier verruchte Gefährten - von Boronar - 14.10.2011, 13:27
RE: Vier verruchte Gefährten - von Boronar - 16.10.2011, 23:33
RE: Vier verruchte Gefährten - von Boronar - 07.12.2011, 21:55



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