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Vier verruchte Gefährten
#6
18. Travia, 18 nach Hal.
Finsterkoppen-Binge, 1. Ebene


So stiegen die vier Männer, nachdem sie sich zwei Tage gekräftigt hatten, in den Berg. Schweigend, doch mit vor Erwartung weit geöffneten Augen schritten sie breite Treppenstufen hinab, während ihnen von vorn durch das bläuliche Schimmern von Karvaks Zauberstab in mattem und beunruhigenden Schein der Weg geleuchtet wurde. Sie durchschritten eine wuchtigen Torbogen und betraten einen geräumigen steinernen Flur, an dessen Ecken große Kohlebecken standen, die bis zum Rand mit schier jahrhundertealter Kohle gefüllt waren. An einer Wandseite erhob sich vor ihnen ein großes Portal mit schweren, abweisenden Torflügeln. Karvak schob den ihm vom Igerimm-Geweihten anvertrauten, güldenen Bingenschlüssel in eine gußeiserne Fassung und drehte ihn mermals um, was ein hallendes Rasseln und Klacken durch die unheimliche Stille des Berges sandte.
Zweifelnd blickte Korbranor über die Schulter. Wir gehen dort nicht hinein ... kamen ihm die Worte des Ingerimm-Geweihten wieder in den Sinn, die gesprochen wurde, als Karvak denselben auf die Binge angesprochen hatte. Als sich die Flügel des Tores geräuschvoll nach innen öffneten und die dahinter liegende Dunkelheit ungewisser Bergeshallen das magische Licht von Karvaks Zauberstab zu verschlingen schien, spannte sich Korbranors Griff um den lederumwickelten Schaft seines Kriegsbeils.
Die Kammer dahinter war von ähnlicher Größe wie diejenige vor dem Portal. Das Schlurfen der Schuhsolhlen und Klopfen genagelter Stiefel auf dem glatten Höhlenboden hallten durch die klamme Luft. Etwas klapperte plötzlich hell auf. Lark von Wolven ließ sich ein verächtliches Grunzen vernehmen, als er das Skelett fand, gegen das er im wabernden Halbdunkel mit dem Fuß getreten war. Karvak aber ging zielstrebig voran und kümmerte sich nicht um das, was womöglich bei den Überresten des augenscheinlich unglücklich verendeten Eindringlings zu finden war.
"Das Tor!" rief Aigur entsetzt, als völlig unvermittelt zuerst ein Quietschen, sodann ein laut dumpfes Schlagen hinter den Männern ertönt war. Die verruchten Gefährten hasteten eilig zurück und mußten schließlich feststellen, daß das Tor der Binge wieder verschlossen war.
"Magisch" murmelte Karvak dunkel, während er vergebens versuchte, den Bingenschlüssel im Schlüsselloch zu drehen. "Das werden wir vorerst wohl nicht öffnen können ..."
"Und weiter?" keuchte Korbranor aufgebracht - vor allen Dingen gegenüber der wortkargen Gleichmütigkeit des Magus.
"Es muß einen anderen Schlüssel geben - oder einen anderen Ausgang." Karvak wies mit dem leuchtenden Ende seines Stabs auf eine niedrige Tür in der westlichen Wandseite der Kammer. "Wir haben keine Wahl als der Dunkelheit des Finsterkopps zu begegnen. Und wir sollten uns beeilen ... ich weiß leider auch nicht, wie weit diese Binge in den Berg hinunter reicht, doch dem Alter der Stadt über uns nach zu urteilen, dürften die Zwerge hier tief geschürft haben."
"Was für wunderbare Aussichten!" knurrte Aigur, während Korbranor selbst im blaufahlen Schein von Karvaks leuchtendem Zauberstab merklich an Gesichtsfarbe verloren hatte.
"Dann vorwärts" knurrte Lark grimmig und warf sich mit der Schulter voran gegen die verschlossene Tür, auf die der Magus gezeigt hatte. Das alte Holz zerbarst lärmend und die Tür schwang nach außen in einen schmalen Gang hinein.
Die Gruppe rückte ein. Karvak sah nach Nord und Süd, drehte sich einmal schnell um die eigene Achse und zeigte schließlich in den südlichen Verlauf des Gangs. "Dort hinunter!"
Zur Linken Karvaks erschien eine neue Tür. Zögernd hielt der Magus inne. "Versuchen wir die!"
Der Edelknecht warf sich von neuem gegen die Tür, doch das Eichenholz hielt stand. Noch einmal stieß er dagegen bis er fluchend zurückwich.
Aigur packte Lark an der Schulter, als der einen größeren Anlauf nehmen wollte. "Schon Deine Kräfte, Edler!" riet der Thorwaler mit einem unverkennbar höhnischem Unterton. "Hier ist die Kraft aus Nord gefragt!" Aigur stellte sich in zwei Schritt Abstand vor die Tür und machte dann eine schwungvolle Bewegung, in der er sich aus der Hocke in einem Bogen aufwärts gegen sie warf. Der dumpfe Knall, der daraufhin durch den Gang hallte, war bei weitem lauter als die vorherigen. Doch das beständige Eichenholz hatte nicht einmal geächzt.
"Haltet ein!" unterbrach Karvak nun den nächsten Versuch Aigurs, auf dessen Miene sich jäh aufwallender Zorn zeigte. "Ich werde Euch ein wenig behilflich sein!"
Aigur starrte den Magus unter zusammengezogenen Augenbrauen unverwandt an, als der sich ihm mit eigenartigem Blick und ausgebreiteten Armen näherte. "Roburem ange!" zischte der Magus energisch.
Aigur wich jählings zurück, die Hand am Griff seines Säbels. "Was habt ihr gemacht, Hexer!?"
"Was ist denn mit Euch?" erkundigte sich Korbranor.
Der Thorwaler sah ungläubig an seinen Armen bis zu den nach oben geöffneten Händen hinunter. "Es kribbelt wie tausend Käfer unter meiner Haut - meine Arme fühlen sich wie nach dem Holzschlagen an."
"Wohlan!" sagte der Magus mit einem Grinsen und zeigte auf die Tür. "Versucht es noch einmal!"
Der Thorwaler schoß Karvak einen warnenden Blick zu als hätte er nicht übel Lust dieses - was es auch immer war - zuerst an dem Geistertreiber auszuprobieren, dann aber warf er sich erneut mit schwungvoller Bewegung gegen die Tür. Mit einem Krachen flog sie nach innen auf.
Als Lark von Wolven hinter dem Magus die dahinter liegende Halle betrat und dabei an dem vor ungläubigem Staunen erstarrten Aigur vorbeizog konnte er sich eine einzige Bemerkung nicht verkneifen. "Das ist also die Kraft aus Nord, wenn sie von den Hexereien der Brabaker genährt wird."
Der Thorwaler ballte im Hinterhergehen die Fäuste, entspannte sich aber, als er das Innere einer hohen Halle gewahrte. Die Wände waren aufwendig beschlagen und mit filigranen Runen verziert. Zwei wuchtige Säulen, geschmückt mit verschlungenen Ornamenten, streckten sich einer gewölbten Decke entgegen. Auf einer Seite prangte einer mannshohe Skulptur, die den breiten Kopf eines bärtigen alten Mannes abbildete. "Ingerimm", bemerkte Karvak tonlos.
"Seht euch das hier an!" tönte die Stimme des Edelknechts von Wolven von der anderen Seite der Halle herüber. Als Karvak näher trat, erkannte er einen beeindruckend verzierten Altar, in dessen Mitte das Symbol des Gottes der Schmiede in die Wand gemeißelt wurde. Die Augen des Edelknechts aber waren indessen auf etwas anderes gerichtet: Ein Opferstock, der prall gefüllt zu sein schien.


Karvaks Augen begannen zu funkeln. "Seht her, Nordmann! Hier ist die Entschädigung für die zwei Tage, die ich Euch warten ließ." Der Thorwaler stand mit verschränkten Armen vor dem Opferstock und blies skeptisch die Luft aus. "Ein Opferstock in einer heiligen Halle! Glaubt Ihr wirklich, Ingerimm ist uns - und vor allem Euch - so wohl gesonnen, daß er einen solchen Frevel ungestraft zuließe?"
Der Edelknecht stand für den Magus ein und schob den Thorwaler beiseite um den Opferstock näher betrachten zu können. "Was seid Ihr nur für merkwürdige Kerle, ihr Söldner aus Thorwal! Erst verlangt es Euch nach Gold und Reichtümern, raubt Bergdörfer und Schiffe aus, und dann ängstigen Euch ein paar Muster von einem Gott, dem Ihr ohnehin nicht huldigt!"
Der Jäger hatte einige Schritte rückwärts gemacht, als der Magus und der Edelknecht dem Opferstock näher rückten. "Das sind bestimmt an die 30 Dukaten!" schätzte Lark flüsternd während er begann mit seinen Fingern durch die klimpernde Geldschale zu fahren. Vor seinen Augen entstand das Bild eines riesigen Schlachtrosses, das er sich bald zulegen würde, wenn ihm das Glück weiterhin so hold war. Der Jäger und der Thorwaler wandten sich ab, als sich der Magus und der Edelknecht an den Opfergaben zu schaffen machten. Unter dem dunklen Kichern Aigurs verschwanden die Goldmünzen schließlich in den Geldsäcken der beiden.
Wortlos durchschritten die verruchten, frevlerischen Gefährten den sich schier endlos durch die Finsternis ziehenden Gang. In einer weiteren Halle fanden sie Werkzeuge, steckten davon eine Kette und ein Seil ein. "Wer weiß, über welche Abgründe wir uns noch hangeln müssen" hatte Aigur nur dazu gemeint. Bald darauf fanden sie zwei kleinere Kammern in denen Truhen standen. Lark konnte sich kaum zurückhalten, sie gewaltsam zu öffnen und begierig nach weiteren Münzen zu suchen. Seine Enttäuschung war groß, als er nur alchimistische Utensilien, zwei kleinere Klingen und eine sonderbare Kristallkugel vorfand. Karvak hingegen kicherte verzückt auf, als er sich diese Dinge näher ansah und besonders die alchimistischen Stücke und Papiere nacheinander in die Hand nahm. Schneller als die Anderen einen Einwand erheben konnten, waren die meisten dieser Dinge auch schon in der Robe und im Rucksack des Magus verschwunden. Den Kukrismengbillar - eine vergiftete Klinge - hatte sich Korbranor angeeignet, was ihn einen abschätzigen Blick des nach dem Ritterstande strebenden Lark einbrachte. "Gedungener Schurke!" entfuhr es ihm. Dann aber entließ der Edelknecht ein rauhes Lachen, in das bald auch Aigur einstimmte, der aus der benachbarten Kammer mit zwei seltsamen, aus Bronze- und Silbergliedern bestehenden Gürteln zurückkehrte. Der Magus verharrte in Erstaunen, Lark zeigte sein Entzücken mit einem wölfischen Grinsen, nur Korbranors Blick huschte fragend umher. "Was sind das für Gürtel?"
"Kraftgürtel" antworteten die Stimmen Karvaks und Aigurs im Chor. "Sie verleihen schlagartig einen beträchtlichen Kraftzuwachs, so Ihr das Wort aussprecht, das dort auf der Schließe geschrieben steht!" erklärte der Magus. "Sie machen Euch gleichsam zu ausgezeichneten Kämpfern."
Korbranors Augenbrauen hoben sich. Der Jäger streckte den Arm aus, doch Lark von Wolven packte ihn. "Was glaubt Ihr, für wen die bestimmt sind!? Für einen Banditen wie Euch?"
Der Jäger entriß seinen Arm dem Griff des Edelknechts. "Sollen sie von denen getragen werden, die bereits erfahrene Kämpfer sind?" warf Korbranor rasch und hitzig zurück. " Das würde der Stärke der gesamten Gruppe wohl kaum zugute kommen!"
"Haltet den Mund, Waldläufer!" raunzte der Thorwaler streitsüchtig, nachdem er sich einen der breiten Gürtel bereits um die Taille gewunden hatte. "Das sind Werkzeuge des Krieges und nicht der Meuchelei!" Karvak hielt seinen Einwand zurück, der die Auffassung des Jägers bestärken sollte. Denn schließlich mußte er das Übergewicht der Gruppe auf seiner Seite wissen, wollte er seinen Führungsanspruch aufrecht erhalten.
"Laßt ihnen nur die Gürtel, Korbranor" sagte Karvak beschwichtigend. "Ihr helft uns besser mit einer schnellen, heimtückischen Klinge." Widerstrebend steckte der Jäger seine neue, gefährliche Beute in seinen Gürtel und schloß den Gefährten auf, die den langen Gang zurückgingen, um über eine Treppe noch tiefer in den Berg hinabzusteigen.
Svellttaler Geschichten
Geschichten und Abenteuer aus dem Svelltland und den Schildlanden


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Vier verruchte Gefährten - von Boronar - 29.08.2011, 22:36
RE: Vier verruchte Gefährten - von Boronar - 29.08.2011, 22:38
RE: Vier verruchte Gefährten - von Hendrik - 30.08.2011, 13:33
RE: Vier verruchte Gefährten - von Rabenaas - 30.08.2011, 20:04
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RE: Vier verruchte Gefährten - von Boronar - 16.10.2011, 23:33
RE: Vier verruchte Gefährten - von Boronar - 07.12.2011, 21:55



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