Fußball-WM 2014 Brasilien

[Kunar]

Den Zwölfen zum Gruße!

Ich weiß gar nicht, wann ich zuletzt eine solche Leistung von der deutschen Mannschaft gesehen habe.

Das Freundschaftsspiel gegen Frankreich Anfang 2013, in welchem man zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg auf französischem Boden gewinnen konnte, das war das letzte Mal, daß ich eine vergleichbar überzeugende Leistung der Nationalmannschaft gesehen habe. Aber in einem Turnier ist das bedeutend länger her. Aus der letzten EM fällt mir da jedenfalls kein Spiel ein.

Stimmt, das symbolträchtige Frankreich-Spiel! Ich hab's doch damals sogar ausdrücklich erwähnt, obwohl ich mich sonst nicht im Sport-Faden äußere.

Irgendwie scheint an den meisten das wichtigste sportliche Ereignis der vergangenen Woche spurlos vorbeigegangen zu sein: Deutschland gewinnt gegen Frankreich im Fußball!

Aber ganz und gar nicht! Das habe ich durchaus gesehen. Und es war das erste Mal seit dem Spiel gegen die Niederlande Ende 2011, daß mich die Leistung der deutschen Nationalmannschaft insgesamt begeistern konnte. Klar spielt dabei auch das Ergebnis eine Rolle. Aber viel wichtiger noch ist, daß man hier den Eindruck hatte, daß jeder Spieler sich voll reinhängt, konzentiert bleibt und gewinnen will; und zwar von der ersten bis zur letzten Minute (und nicht wie beim 4:4 gegen Schweden nur bis zur 60.).

Neben dem Sieg der Niederlande hat Deutschland das bisher beste Ergebnis eingefahren. Gut geschlagen hat sich ebenfalls Italien - zumal gegen einen schwierigen Gegner. Ansonsten fand ich alle Favoriten (oder halben Favoriten) schlechter als Deutschland im ersten Spiel.

Die Situation erinnert mich ein wenig an die Einschätzungen nach der ersten Runde in der WM 2010 in Südafrika: Deutschland hatte Australien furios mit 4:0 in Grund und Boden gespielt. Europameister Spanien hatte gegen die Schweiz überraschend verloren, Frankreich und Italien mühten sich sehr (sicher noch mehr als dieses Mal).

Nein, da sehe ich gleich drei gravierende Unterschiede: Italien hat einen schweren Gegner niedergerungen (also für mich durchaus überzeugend). Spanien hat nicht knapp verloren, sondern ist regelrecht untergangen (was nichts über ihre weitere Leistung sagt, aber es war eben kein reines Pech). Deutschland hat keinen "leichten" Gegner wie Australien besiegt, sondern Portugal mit einem der angeblich besten Fußballer der Welt.

Es folgte ein grandioser Auftritt gegen England (4:1), in dem man allerdings zwischenzeitlich nach 2:0-Führung den Ausgleich zuließ (wenn das 2:2 denn gegeben worden wäre). Das anschließende Argentinien-Spiel soll ja eines der besten gewesen sein, die es gab (ich selbst habe es leider nicht sehen können), gegen den späteren Weltmeister Spanien war man aber wieder völlig chancenlos.

Ja, so etwas wie das 4:0 gegen Argentinien habe ich lange nicht gesehen. In dieser Phase des Turniers einen schweren Gegner so wegzuputzen ist schon beeindruckend. Ich gucke mir heute gerne die Blumentopf-Raportagen von diesen beiden Spielen an. Der Fachausdruck für das englische 2:2 ist übrigens "Bloemfontein-Tor".

Aber das Spiel gegen Ghana sollte man keinesfalls unterschätzen. Die stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand und sind wahrscheinlich auch nicht weniger kämpferisch veranlagt als Serbien seinerezeit.

Das sowieso nicht! Aber die Aussagen der Spieler beruhigen mich dann doch. Eben noch hoch gewonnen, jetzt schon "wir werden nicht jeden Tag so ein Glück haben". Ghana sollte außerdem sowieso als unangenehmer Gegner in Erinnerung sein - beim 1:0 damals stand es ja auf Messers Schneide. Und wer es vier Jahre zuvor bis in Viertelfinale geschafft hat, kann so unfähig nicht sein.

Nein, eine richtige "leichte" Mannschaft scheint es in der Gruppe nicht zu geben. Die USA haben ja ebenfalls Kampfgeist gezeigt. Der Sieg gegen Portugal ist nur psychologische Rückendeckung, mehr auch nicht.

Ich würde das Spiel sogar das beste erste Spiel für Deutschland seit 1990 nennen (2002 gab's ein 8:0 gegen Saudi-Arabien, aber das war ein wirklich deutlich überforderter Gegner).

Ich habe seit 1990 nicht genug erste Spiele gesehen, um das in der Breite beurteilen zu können. Aber ich glaube, der Auftakt 2010 hatte mindestens ebensoviel. Klar war Australien schwächer als Portugal (Nr. 4 der Weltrangliste). Aber damals war mit Ballack auch der wichtigste deutsche Spieler kurzfristig ausgefallen (als Kapitän war er gewiß noch wichtiger als Reus heute). Die Art, in der man das mit Tempofußball kompensieren konnte, hat mich noch mehr beeindruckt als das gestrige Spiel, in dem die deutsche Mannschaft von einem frühen Elfmetertor und einer frühen roten Karte des Gegners profitiert hat.

Naja, das sehen wir offensichtlich anders. Australien erwies sich nicht als so stark wie erwartet (obwohl sie später Serbien besiegten). Ich habe ja bis heute große Antipathien gegen jede Mannschaft, die nur "mit ihrem einen Star" ein Spiel gewinnen kann. Aber zugegeben, Ballacks Leistungen sind unbestritten und um seinen Ausfall wurde ein Rummel gemacht, den ich kurz vor Weltuntergang ansiedeln würde.

Die anderen ersten Spiele Deutschlands von den letzten Malen:
1994: 1:0 gegen Bolivien - angeblich das erste Mal, dass der Weltmeister überhaupt das Eröffnungsspiel gewann
1998: 2:0 gegen USA
2002: 8:0 gegen Saudi-Arabien
2006: 4:2 gegen Costa Rica - guter Sturm, wackelige Abwehr

Übrigens hat auch England weiße Hemden und schwarze Hosen.

Stimmt. Das mit dem Alleinstellungsmerkmal war also nicht ganz richtig. Trotzdem ist diese Kombination deutlich exklusiver als ganz in weiß aufzulaufen. Und sie sieht auf dem Platz durch den Kontrast auch besser aus.

Um noch eine weitere interessante Tatsache in den Raum zu streuen: Brasilien spielte bis zur Heim-WM 1950 ebenfalls ganz in weiß. Dann verloren sie jedoch das letzte entscheidende Spiel gegen Uruguay. Das war der Anlaß, das Trikot zu ändern.

Mich würde ja mal interessieren, wie die Deutschen in dieser Hinsicht auf Brasilianer wirken: Kommen zur WM nach Brasilien und spielen plötzlich ganz in weiß.