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Unterwegs mit Zwergen
#21
Unterwegs mit Zwergen #19 – Der Name des Schiffs

Zwei Stunden war der Kutter bereits der Küstenlinie gefolgt – träge, schwankend, zäh. Ein schwimmender Husten. Furka stand an der Reling, kaute auf einem zu trockenen Stück Brot und spuckte über Bord, als ihm etwas auffiel: ein rundlicher, verfärbter Fleck auf dem Wasser, nicht größer als ein Teller, aber seltsam... leblos.

Der Kapitän – ein Mann mit schlechten Zähnen und einer noch schlechteren Meinung über das Meer – sah kurz hin, zuckte die Schultern und tätschelte mit einem halben Lächeln den Kopf seiner Enteraxt.
„Das kommt schon mal vor.“

Furka und Keldi tauschten Blicke.
Nicht zustimmend.
Nicht beruhigt.


---

Der Angriff kam in der Nacht.
Halbzeit der Reise.
Die Küste im Dämmerlicht, die Klippen der Hjaldorberge warfen lange Schatten auf das Meer.

Niemand schlief richtig. Der Laderaum war zu modrig, zu muffig, zu... lebendig. Also lag die Gruppe an Deck, in Decken gewickelt, halb dösend.

Dann – dieses Geräusch. Kein Knarzen. Kein Brechen.
Etwas... Zähes.
Und dann das Rucken. Das Schiff lief sacht in etwas hinein.

Furka war der Erste, der die Augen öffnete. Ein Reflex, vielleicht. Er richtete sich auf – und sah, wie sich die Tentakel über die Bordwand schoben.
Dann ging alles schnell.

Die tastenden Glieder griffen zu.
Packten.
Rissen.

Althea, noch halb in ihrer Decke, wurde von einem Fangarm erfasst, Archon gleich mit ihr. Tondar und Hurdin, eben noch dösend, sprangen auf – und wurden ihrerseits gepackt. Nur Furka, der sich gerade hatte aufrichten wollen, duckte sich rechtzeitig unter einem Tentakel hinweg und warf sich zwischen Althea und das schleimige Gliedmaß.

Keldi hatte seine Axt noch nicht ganz in der Hand, da riss der Krakenmolch Archon hoch, schleuderte ihn wie ein Spielzeug zurück aufs Deck – wo er hart aufschlug und liegen blieb.
Dann – eine Welle.
Zwei.
Ein Aufbäumen – und ein zischendes Knacken.
Mit einem einzigen Schlag fegte der Molch Hurdin und Tondar über Bord.

Hurdin schrie nicht. Tondar versuchte zu greifen, verfehlte – und klammerte sich dann doch an die Bordwand.
Ein Zwerg kann nicht schwimmen.
Aber kämpfen? Kämpfen kann er.

Furka und Althea rangen im Zentrum des Chaos mit dem Tentakel, das sie zu verschlingen schien. Ihre Dolche blitzten im schwachen Licht. Es war kein koordinierter Kampf – es war ein Überlebensinstinkt.

Keldi, der zuvor systematisch Tentakel abtrennte, warf schließlich die Axt von sich und griff nach Hurdins Arm.
Althea, die kaum mehr Luft bekam, murmelte verzweifelt ein Wort –
„Ignifaxius.“
Und plötzlich –
Feuer.
Schrei.
Der Tentakel zuckte zurück.

Furka taumelte.
Althea sackte zusammen.
Archon lag noch immer reglos auf den Planken.
Tondar keuchte. Hurdin hustete Meerwasser.
Keldi stand mit gespannter Armbrust am Bug – schweigend, wachsam.

„Der war kleiner als der andere“, murmelte jemand.

„Der Kahn ist aber auch kleiner“, kam es zurück.

„Vielleicht... ein Küstenkrakenmolch?“, fragte Archon, als er mit einem Rest vom Hjallander-Wein in den Kreislauf zurückgeholt wurde.

Niemand lachte.


---

Als die Küste von Skjal in Sicht kam, wurde kein Wort mehr gewechselt.
Die Gruppe verließ das Schiff, ohne sich umzusehen.

Nur Althea drehte sich ganz kurz.
Ein Gedanke formte sich, klar, bitter, wahr:

„Reist doch per Schiff“, hatte Garsvik gesagt.
„Das ist viel bequemer.“

Und dann gingen sie weiter.
Landwärts.
Lebendig.
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#22
Unterwegs mit Zwergen #20 – Skjal, wenn nicht hier

Die Sonne war kaum über die Dachfirste gestiegen, als die Gruppe in Skjal an Land trat. Die salzige Gischt vom nächtlichen Überfall klebte noch in den Falten ihrer Kleidung, das Blut an Archons Stirn war nur notdürftig ausgewaschen. Doch ihre Schritte waren fest. Die Planken unter ihren Füßen hatten sich verändert – nicht mehr das weiche, feuchte Holz von Ottarje, sondern solides Dockwerk, Thorwaler Bauweise, gemacht für echte Stürme.

Skjal war nicht groß, aber es trug sich anders. Nicht besser als andere Orte – nur mit mehr Brust. Selbst die Möwen wirkten hier entschlossener.

Althea warf den Umhang über die Schulter, die Harfe an der Seite, den Stab in der Hand, und schritt voraus. Hinter ihr die Zwerge – nicht als Gefolge, sondern als Wand. Tondar und Keldi gingen breitbeinig, Hurdin und Archon etwas zurückhaltender, Furka wie immer zwischen Spiel und Ernst.

Sie fanden die Taverne schnell:
Der Alte Pirat – wettergegerbt, mit einem echten Walrossschädel über der Tür.
Drinnen war es dunkel, warm, mit dem Duft von Fischsuppe, Rauch und Salz. Der Wirt war stämmig, jovial – aber nicht aufdringlich. Er maß Althea mit einem kurzen Blick und schmunzelte. Vielleicht war es ihr Lächeln. Vielleicht ihr Auftreten. Vielleicht auch die Tatsache, dass nur wenige Gruppen so gemischt und doch so selbstverständlich wirkten wie diese.

„Zweites Haus an der Brücke“, sagte er, als Althea nach Jurge Thorfinsson fragte. „Hat euch der alte Isleif geschickt? Dann solltet ihr ihn nicht warten lassen.“

---

Das Haus war schlicht, aber gepflegt. Althea hob den Stab und klopfte zweimal – hart, aber nicht fordernd. Ein Moment Stille. Dann öffnete sich die Tür.

Jurge war jünger, als sie erwartet hatte – kaum älter als sie selbst. Groß gewachsen, mit klaren Augen und einem Blick, der sich nicht senken ließ. Seine Kleidung war schlicht, aber sein Auftreten hatte etwas von einem Mann, der nicht gehorcht, sondern überzeugt. Althea spürte es sofort – kein Gegner, aber auch kein Untergebener.

Sie nannte den Namen des Hetmanns. Zeigte das Empfehlungsschreiben. Ein kurzer Moment des Zögerns – dann ein Nicken, und ein Lächeln, das sich langsam in sein Gesicht schlich.

„Dann kommt herein.“

---

Der Raum war einfach, aber in den Regalen stapelten sich Karten, Schriftrollen, kleine geschnitzte Holzmodelle. Jurge sprach klar, mit der Sicherheit eines Mannes, der weiß, was er weiß.

Er kannte die Namen, die sie suchten:

– Yasma Thinmarsdotter, in Thoss
– Ragna Firunjasdotter, in Vidsand
– Swafnild Egilsdotter, auf See
– Algrid Trondesdotter, in Hjalsingor

Und dann – das Unerwartete:
Ein weiteres Fragment der Karte.
Althea nahm es mit beiden Händen, ehrfürchtig, als wäre es mehr als Pergament. Jurge beobachtete sie dabei.

„Grüßt den Hetmann von mir“, sagte er am Ende. Dieselben Worte wie der Kapitän der Skjaldbrud.

Althea lächelte.
Skjal. Wenn nicht hier – wo dann?

---

Als sie wieder auf die Straße traten, legte sich für einen Moment die Stille über die Gruppe.

Sie hatten nicht nur Informationen erhalten –
sie hatten Haltung gefunden.
Einen Ort, der sie ernst nahm.
Eine Stimme, die nicht fragte, ob sie Helden waren.
Sondern ihnen einfach zuhörte.

Skjal war kein Zufall.
Skjal war ein Schritt in Richtung Geschichte.
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#23
Unterwegs mit Zwergen #21 – Hafen der Begegnungen

Es war später Vormittag, als die Gruppe Prem erreichte. Der Küstensegler hatte mit straffer Segelstellung das Meer durchpflügt und bog nun um die schroffen Klippen der Trebaner Halbinsel, die wie ein Wellenbrecher in den Golf von Prem ragten. Hoch über ihnen thronte die Trutzburg, das Wahrzeichen der Stadt – mit ihren Zinnen, dem Tempel der Rondra in der Bastion und einem vorgelagerten Swafnirdom, der über die See wachte. Von dessen Kuppel schoss zu jeder vollen Stunde eine Fontäne in den Himmel – ein Gruß an den Gottwal und ein Zeichen für alle Seefahrer, dass sie unter seinem Schutz standen.

Prem war kleiner als Thorwal, aber geschäftiger, weltoffener. Während Thorwal den Eindruck einer stolzen, ruhenden Hauptstadt vermittelte, vibrierte Prem wie eine Drehscheibe – für Handel, für Geschichten, für Zufälle. Schon beim Anlegen fiel Althea auf, dass man sich in Prem mehr beobachtete, einander einschätzte. Nicht mit Misstrauen, sondern mit Neugier.

Sie schlenderten durch das untere Hafenviertel, über den breiten Markt, der zwischen Kai und Klippen lag. Es roch nach frischem Fisch, Gewürzen und kaltem Metall. Keldi und Hurdin ließen sich von einem Händler neuartiger Ballestras beraten, Furka streifte durch die Gassen auf der Suche nach etwas Essbarem, das weder gesalzen noch getrocknet war. Archon hatte nur ein Ziel – „Der Einbeinige“, ein berüchtigter Kräuterladen, versteckt in einem Nebengässchen. Dort erstand er mehrere Phiolen, und seine Augen funkelten wie bei einem Kind vor der Bescherung.

Althea aber blieb am Stand eines Händlers aus Khunchom stehen, ihre Finger strichen über einen Ballen purpurner Seide, und für einen Moment verlor sie sich in Erinnerungen an goldene Dächer, Marmorbögen und die warme Brise der Küstenstadt ihrer Jugend.

---

Die geteilte Nacht

Am späten Nachmittag trennte sich die Gruppe. Althea, Archon und Hurdin wandten sich der Taverne „Bei Hjalskes“ zu – ein ruhiges Haus, etwas erhöht gelegen am Fuße der Klippen, wo sich die Straße nach Skjal in Serpentinen emporwand. Hier kehrten Kaufleute ein, hier wurde leise gesprochen, getrunken, diskutiert. Hurdin schien sich wohler zu fühlen als erwartet, nippte an einem Glas „Premer Feuer“, und als Althea die Harfe zückte, spürte selbst das Personal einen Hauch von Fernweh. Sie spielte eine Weise aus Tobrien, und das Publikum schwieg – andächtig, fast gerührt.

Zur gleichen Zeit tauchten Furka, Keldi und Tondar in den Lärm der „Alle Winde“ ein – eine Hafenkneipe, rau, voll, lebendig. Matrosen, Glücksritter, Händler – alle vereint im Klang von Krügen, Flüchen und Geschichten. Furka fand rasch Anschluss an ein Boltan-Spiel und gewann Runde um Runde, während Keldi und Tondar versuchten, zwischen dem Lärm Gespräche zu führen. Als der Abend kippte, kam es, wie es kommen musste: Streit am Spieltisch. Handgemenge. Tumult. Keldi packte Furka im richtigen Moment, Tondar hielt die Tür auf, und mit einem letzten Faustschlag gegen die Schulter eines übereifrigen Matrosen standen sie wieder draußen – zerzaust, aber stolz.

Die beiden Gruppen trafen sich vor der Herberge „Zur Trutz“, einem Gasthof innerhalb der Vorburg der Trutzburg, direkt neben dem Rondra-Tempel. Ein kurzer Blick, ein Nicken – keine Worte nötig. Nur Altheas leichtes Lallen verriet, dass auch „Bei Hjalskes“ nicht gänzlich alkoholfrei war.

---

Reisepläne

Sie blieben zwei Tage in Prem. Die Stadt hatte sie eingefangen – mit ihrer Offenheit, ihren Gegensätzen. Doch dann, mit frischen Vorräten und wieder gefüllten Beuteln, suchten sie einen Fischer, der sie weiter entlang der Küste bringen konnte. Die nächste Etappe sollte sie zur Insel Runin bringen.

Furka Frage war „Was?“
und
„Was sollen wir denn da?“

Furka ließ sich zurück plumpsen, seufzte und murmelte: „Nächste Mal kaufe ich mir ein eigenes Schiff.“
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#24
Unterwegs mit Zwergen #22 – Die Stille vor dem Sturm

Der Wind stand günstig, und das Wasser war glatt wie poliertes Glas, als der alte Fischer sein Boot ein weiteres Mal in die See stieß – diesmal mit der Trebaner Halbinsel im Rücken, die Gruppe fest an Bord. Aryn verblasste rasch, wie der Nachhall eines Gedankens, der sich beim Aufwachen verliert. Althea saß vorn an der Reeling, ihr Blick zum Horizont gerichtet, wo die dunkle Linie Runins schon zu erahnen war. Neben ihr ruhte Archon mit geschlossenen Augen – der salzige Wind schien ihm mehr zu geben als jede Tinktur.

Furka schnaufte. „Das war Aryn“, sagte er, als müsse er das Kapitel selbst beschließen. Und dann, eine Weile später, als das Meer sanft gluckerte: „Es kann nur besser werden.“ Niemand widersprach.

---

Runinshaven – Der tiefste Punkt

Runinshaven lag wie eine funktionale Geste am nördlichen Zipfel der Insel. Kein Dorf, keine Straßen – nur Kai, Lagerhäuser, ein paar Karren. Und die Taverne. Furka, der sich beim Einlaufen des Bootes bereits misstrauisch vorbeugte, zuckte zusammen, als der Fischer erwähnte, dass es hier keine Herberge gäbe.

„Was?!“, kam es fassungslos. „Was ist das für ein Ort?!“

„Ein Ort, an dem man bleibt, solange das Schiff lädt“, entgegnete der Fischer trocken. Doch bevor Furka seinen Unmut in Worte fassen konnte, hatte Althea bereits den Golddukaten gewechselt – unauffällig, elegant – und der Fischer lächelte. „Ich warte. Aber nicht zu lange.“

Mit diesem Versprechen hellte sich Furkas Stimmung merklich auf. Und tatsächlich – der Hafen war in Bewegung. Ein Schiff hatte soeben entladen, ein anderes lag bereit zum Ablegen. Seeleute zogen fluchend und lachend in die Taverne, und ehe jemand reagieren konnte, war Furka Teil dieses Stroms – ein Tropfen in der Flut.

Die „Taverne zum Golf von Prem“ war laut, warm, überfüllt – aber lebendig. Furka saß bald mit einem halben Dutzend Seeleuten am Tisch, Würfel flogen, ein Becher nach dem anderen wurde geleert, und Keldi und Tondar mussten mehrfach ansetzen, um ihn aus einem sich anbahnenden Streit zu ziehen. Archon versuchte, dem Wirt Informationen über die Insel zu entlocken – doch es blieb bei losen Gerüchten und einem Achselzucken: „Runin? Da gibt’s nur den Leuchtturm. Und das, was dahinter liegt… geht euch nichts an.“

Als die Hafenwachen das letzte Schiff für die Nacht ausriefen und der Wirt die Taverne räumte, fanden sich alle wieder auf dem dunklen Kai ein. Der Fischer wartete unter einem Steg, die Laterne seines Bootes war das einzige Licht weit und breit.

---

Leuchtturm Runin – Der Außenposten

Als sie aufwachten, hatten sie die halbe Insel umrundet. Der Fischer nickte ihnen zu, als sie aus den Decken krochen, und deutete stumm auf das Land voraus. Der Leuchtturm stand einsam auf einem windumtosten Felsen, das Meer der Sieben Winde rauschte dahinter, endlos, formlos. Es war der Rand der bekannten Welt – zumindest für Thorwaler Verhältnisse.

„Hier ist Endstation“, sagte der Fischer. „Ich fahr jetzt fischen.“

„Hütet euch vor dem Krakenmolch!“, rief Keldi ihm hinterher, halb im Spaß, halb in Erinnerung.

Die Gruppe stand da. Nur Wind. Nur Wellen. Nur Stein.

Althea war es, die als Erste die Stille brach. Sie kam aus einem kleinen Versorgungsschuppen zurück, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und ein Schimmer lag in ihren Augen.

„Der Händler dort… er hat es bestätigt. Garsviks Geschichte. Das alte Versteck. Die Piratenhöhle.“

Ein Innehalten. Die Luft knisterte.

„Irgendwo hier auf Runin“, sagte sie leise, „liegt etwas begraben, das nie hätte vergessen werden dürfen.“

Furka fuhr herum, der Wind zerzauste sein Haar. In seinen Augen: Licht. Kein Lachen. Kein Spott. Nur dieser eine Ausdruck: Jagdfieber.

„Na endlich.“

Und mit einem Mal war die Leere verflogen.

Vor ihnen lag die Insel.
Und irgendwo darin:
Die Dunkelheit der Vergangenheit.
Und das Versprechen von Gold.
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#25
Unterwegs mit Zwergen #23 – Asche, Flammen, Finsternis

Runin war still. Der Wind strich kaum hörbar durch das spärliche Geäst, das den felsigen Höhenzug der Insel säumte. Als die Gruppe jenen dunklen Felsspalt erreichte, aus dem der Pfad nach unten führte, war da nicht das Gefühl von Entdeckung. Es war ein Sog. Kein Ruf, sondern ein Ziehen – nach unten, dorthin, wo der Stein nicht nur kalt, sondern... geprägt war.

Die ersten Räume schienen, wie erwartet, von Piraten genutzt worden zu sein. Truhen, Schlaflager, ein schmaler Aufenthaltsraum. Und doch war da dieses Flimmern im Hinterkopf. Dieses leichte Schwanken, als würde sich etwas unter der Oberfläche regen. Zwei Piraten versuchten, den Zugang tiefer in die Anlage zu versperren. Vergeblich. Doch Tondars Bemerkung blieb haften: *„Hier ist seit Langem keiner mehr lang.“*

Sie gingen weiter. Der Gang wurde enger, dann wieder weiter. Hallen taten sich auf – groß wie Schreine, aber leer. Grob behauene Stufen führten tiefer, dann ein kurviger Gang, übersät mit Fallen, deren Konstruktion älter wirkte als jede Piratenkunst. Am Ende ein Vorratsraum – Tränke, alchemistisch und unheimlich rein. Nicht aus dieser Zeit.

Und dann geschah es.

---

Der Dämon

Die Halle war weit und voller Schatten. Zwei Augen leuchteten auf – ein schwarzes Gewand, ein zuckender Lichtblitz: Schwert und Peitsche. HESHTHOT, donnerte es in Altheas Verstand, ein Name, nicht ausgesprochen, sondern hineingebrannt.

Die Zwerge wichen instinktiv zurück. Althea trat vor. Ihre Faust schloss sich, der Zauber entfesselte sich. Der Dämon zerfiel – nicht einfach. Es war, als risse jemand ein Siegel auf. Das Schwert klirrte auf den Boden. Die Peitsche windete sich noch eine Weile.

Niemand rührte sie an.

*„Welche Piraten lassen sich mit Dämonen ein?“* Es blieb unbeantwortet.

---

Die Alkoven

Dann kam der Gang.

Er war nicht breit, nicht lang – aber rechts und links: Nischen. Schatten. Stille. Doch als sie mittig schritten, wurde der Raum lebendig.

Ein Kratzen. Ein Zischen. Bandagen knisterten, Knochen ächzten. Mumien.

Sie kamen von allen Seiten. Furka drehte sich, Keldi wich zurück. Die Zwerge formten ein Quadrat, Rücken an Rücken. Die Dolche klirrten, Bolzen schlugen ein. Und inmitten der Flammen, Asche, Schreie – Althea.

Sie brannte.

Ein Flammenstrahl auf die Mumie vor Furka. Zwei weitere schossen an Archon vorbei, der sich hechtend zu Boden warf. Eine Phiole klirrte auf den Stein. Althea atmete stoßweise. Noch ein Strahl. Noch einer.

Eine Mumie ging brennend zu Boden. Dann war es still. Nur Rauch.

---

Aber es war nicht vorbei.

Ein schleifendes Geräusch. Weitere Mumien schälten sich aus der Schwärze.

Althea warf sich vor Archon. Ein Flammenstrahl. Noch einer – über ihre Schulter. Die Umhüllung brannte, brannte hell, das Holz ihres Stabes glühte. Die Zwerge errichteten eine Linie, rangen mit bloßen Händen und klirrenden Klingen. Keldi wurde in die Enge gedrängt – *„Keldi!“*, schrie Althea. Und der letzte Strahl – der Letzte – verbrannte das Unheil.

Dann – nur noch ihre Stimme.

Nur noch Furkas Hände an ihren Schultern.

Und als Althea aufblickte, waren ihre Augen schwarz.

Nicht verletzt. Nicht verwundet. Nur leer – wie aus einem anderen Ort blickend.

---

Die Basilika

Sie verließen den Gang. Die Luft war stickig, das Licht spärlich. Die große Halle vor ihnen: rau behauen, mit mächtigen Pfeilern. Eine Basilika – keine natürliche Höhle mehr. Archon sprach leise. *„Diese Alkoven... das war keine Piratenkunst. Das war Bannwerk.“*

Im Süden: Kammern. Hinterräume. Räume voller Moder. Und weitere Untote.

Zombies. Skelette. Mumien.
Welle um Welle.
Und diesmal war es anders.

Furka und Keldi warfen sich schützend vor Althea, die zurückhielt – gebrochen? Oder wachsam? Die Zwerge kämpften, formierten sich, das Echo ihrer Bolzen hallte wie Glockenschläge durch das Steinrund.

Keldi schwieg. Seit jenem Gang hatte sich etwas in ihm verändert. Archon zwang ihm Heilkräuter auf, doch seine Augen blieben starr – suchend.

---

Der Abstieg

Ein letzter Raum. Eine weitere Kammer. Kämpfe, enge Gänge, der Geruch von alten Fellen und fauligem Stein.

Dann, eine Tür.

Althea war es, die sie als Erste sah. *„Dort…“*, hauchte sie.
Furka nickte.
Sie traten näher.

Eine Treppe.
Hinab.

Kein Wort. Nur Blicke. Nur das Wissen: *Nie wieder durch die Alkoven.*

Und die Gewissheit: Was sie bis hierher geführt hatte, war nicht mehr Gier. Nicht mehr Auftrag.
Es war die Erkenntnis, dass das, was unter ihnen lauerte, vielleicht… etwas war, das sie nie hätten wecken dürfen.

Aber jetzt waren sie da.
Und niemand wollte mehr umkehren.
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#26
Unterwegs mit Zwergen #24 – Das letzte Licht von Runin

Sie hatten die Tiefe betreten in der Annahme, auf Piraten zu stoßen. Räuber, Halsabschneider, Gold. Vielleicht eine Falle oder zwei. Was sie fanden, war ein anderes Kapitel der Welt.

Es begann mit Schwefel.
Furka war der Erste, der es roch. „Riecht ihr das?“, hatte er gefragt, eher ungläubig als vorsichtig. Doch keiner antwortete, denn alle hörten es: Ein Rasseln, weit unten, wie Ketten auf Fels. Ein Klang, der sich in die Nerven schlich. Kein Klirren, sondern… Geduld.

Die Stufen, die sie dann hinabstiegen, wirkten wie aus einer anderen Zeit. Nicht wie Zwergenwerk, sondern wie etwas, das sich in Stein gebrannt hatte. Sie kamen in eine Höhle, deren Wände das eigene Licht zu schlucken schienen – bis der Raum selbst zu leuchten begann.

Furka war vorgelaufen. Aus Instinkt, aus Gier, aus Pflicht. Aber als er den Schatz sah, vergaß er zu atmen. Es war nicht das Gold. Nicht die Phiolen. Nicht einmal die seltenen Edelsteine, die selbst einen Zwergenmeister hätten weinen lassen. Es war das Wesen, das darauf ruhte.

Ein Drache.
Nicht in Glanz und Zorn. Sondern in Dunkelheit und Würde.
Nicht aus Märchen. Sondern aus Geschichte.

Die Gruppe kam hinzu, stumm. Althea war es, die das Schweigen durchbrach. Der Drache sprach. Und sie antwortete.
Ein Pakt.
Freiheit gegen Schlüssel.
Gnade gegen Mut.

Dann das Geräusch. Schritte. Stimmen. Flüche. Die Piraten, die ihn einst gefesselt hatten, kehrten zurück. Die Gruppe wartete in der Dunkelheit. Die Zwerge mit angehaltenem Atem, Althea mit einem Blick, der Funken trug.

Der Kampf war kurz. Brutal. Archon in den Schatten. Die Brüder in Linie. Althea inmitten der Flammen.
Dann war es vorbei.

Der Schlüssel…
Ein Klick, ein sirrendes Echo wie aus einer anderen Welt – und der Drache war frei.

Er sprach noch einmal. Von Dank. Von Wehmut. Und von Aufbruch. Dann entfaltete er seine Schwingen, erhob sich durch die Höhlendecke und verschwand in der Nacht. Nur der Glanz seines Schatzes blieb.

Die Gruppe blieb zurück.
Kein Weg durch die Decke.
Und… niemand wollte durch die Alkoven zurück.

Sie suchten. Stundenlang. Durchschritten jeden Winkel der Tiefe. Fanden schließlich eine Nische in der südlichen Wand, und eine Treppe, die nach oben führte. Jüngerer Bau, schwer verbarrikadiert. Sie drückten sich hindurch… Und fanden sich wieder:
Am Rand des Alkovenganges.

„Das ist doch der Gang zu den Alkoven!“, flüsterte Althea.
„Aber von dieser Seite“, antwortete Furka trocken.

Sie sahen sich an. Dann stemmten sich drei Zwergenrücken gegen die schweren Türflügel.
Ein Knarren, ein Dröhnen.
Althea trat vor, ritzte mit ihrem Stab ein Zeichen in das Holz. Ein Bann. Kein Schutz. Eine Warnung.

Niemand sollte je wieder hier eintreten.

Dann, Stufen. Grob gehauen. Und oben: fahles Mondlicht.
Sie verteilten Proviant, legten sich nieder.
Unruhiger Schlaf, voller Asche, voller Träume.

Sie verließen Runin am Morgen.
Müde.
Aber verändert.

Und weit hinter ihnen, verborgen im Dunkel, lag ein Tor, das sich nur mit Magie öffnen ließ. Und selbst dann – wer wollte es noch?
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#27
Unterwegs mit Zwergen #25 – Trutzige Tage

Die glühende Kante der Sonne kroch über die Zinnen der Trutzburg, als Althea und die Zwerge nach langen Tagen auf See und dunklen Prüfungen in Runin endlich wieder festen Boden betraten. Prem empfing sie mit dem aufgeregten Puls einer Hafenstadt am Rand der Welt – schwer von Gerüchen, Stimmen, Gewürzen. Hoch über allem: der Dom des Swafnirtempels, dessen stündliche Wasserfontäne das Ankommen feierlich besiegelte.

Tag 1 – Der Aufstieg zur *Herberge Zur Trutz* war zäh, aber erhebend. Althea sprach wenig, lächelte nur sanft bei der Zimmerwahl. Furka bezahlte mit einem Beutel Gold, das noch nach Drachenatem roch. Die Zimmerflucht lag über dem Hafen, mit weitem Blick auf den Strom und die vorgelagerte See. Am Abend sammelte Althea schweigend die besonderen Fundstücke der Höhle ein – Runenstahl, Smaragdring, Kettenhemd. Ihre Augen glänzten im Halbdunkel, ihr Lächeln war geheimnisvoll.

Tag 2 – Während Althea hinter geschlossener Tür in ihre magische Arbeit versank, zogen die Zwerge in die Stadt. Der Verkauf der mundanen Beute ging schnell vonstatten – mit Keldi als Verhandlungsführer war auch der letzte Händler geneigt, die Preise zu „überdenken“. Danach zog es sie zur Rückseite der Taverne der Hjalkes – dorthin, wo Premer Feuer in Fässern verkauft wird. Zwergischer „Fabrikverkauf“, wie Tondar es nannte. Und dann: Zurück zur Trutz. Die erste Flasche wurde noch im Treppenhaus geöffnet.

Nächte 2–5 – Während draußen die Möwen krächzten und die Stadt langsam in die letzten Sommerwochen überging, verköstigten die Zwerge mit wachsender Leidenschaft das Premer Feuer. Furka bestand darauf, jede Flasche zu taufen, Hurdin schrieb eine Liste der „brennendsten Runden“, Keldi trank mit der Ruhe eines Priesters. Althea jedoch war nur ein Schatten. Sie trank abends einen kleinen Schluck Zaubertrank, wandte sich dann den Artefakten zu. Runen leuchteten unter ihrer Hand, ihre Finger strichen sanft über das Kettenhemd, als lausche sie. Der Alltag wurde seltsam zweigeteilt – draußen Schnaps und Anekdoten, drinnen Flüstern, Analyse, tiefe Stille.

Tag 6 – Das Premer Feuer war zur Neige gegangen. Die Stimmung in der Suite kippte ins Rastlose. Althea antwortete kaum noch, selbst Tondars Versuche, sie mit einem improvisierten Zwergenlied aus der Reserve zu locken, scheiterten. Schließlich packten die Zwerge wortlos ihre Sachen. Sie wussten, was zu tun war. Bergausrüstung wurde organisiert – Schaufeln, Helme, Hacken. Die Liste war lang, der Ehrgeiz größer. Nur Keldi murmelte beim Bezahlen etwas von „den Händen Ingerimms“.

Nacht 6 – Althea, noch immer in ihrer Welt, analysierte bis tief in die Nacht. Die Aura des Rings war ihr wie eine Melodie, das Schwert wie ein alter Schwur. Nur die Schatten in ihrem Zimmer wussten, dass sie in jener Nacht mit der Klinge tanzte – Harfe in der einen, Schwert in der anderen Hand.

Tag 7 – Es roch nach Metall, als Althea am Morgen endlich ihr Zimmer verließ. Die „Studierstube“, wie die Zwerge sie inzwischen nannten, lag hinter ihr. Vor ihr: Geschäftigkeit. Hurdin sortierte Werkzeuge, Tondar knüpfte Gurte, Keldi passte Furka den Helm an. „Kommst du mit?“ fragte er schließlich – mit einem Grinsen, das nichts Gutes verhieß. Althea blinzelte, gähnte. „Wohin mit?“ „Der Stollen. Am Fluss. Der gehört doch wohl uns.“

Nacht 7 – Althea saß bei Kerzenlicht, die Ergebnisse ihrer Analyse sorgfältig niederschreibend – der Gürtel, der stärkt. Das Kettenhemd, das schützt. Der Ring, der schweigt. Sie sah auf. Die Zwerge schliefen bereits in voller Montur. Etwas in ihr war erwacht. Vielleicht war es der Sog der Neugier. Vielleicht war es das Schwert.

Tag 8 – Die Stadt Prem war in goldenes Licht getaucht, als die Gruppe aufbrach. Althea, halb wach, halb bereit. Keldi voran. Zielstrebig, als wäre es eine heilige Pflicht, überquerten sie Brücken und Straßen, Märkte und Wege – bis zum westlichen Flussufer, wo der alte, verfluchte Stollen wartete. Vielleicht ein Gerücht. Vielleicht eine Falle. Aber sicher: ein Abenteuer.
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#28
Unterwegs mit Zwergen #26 – Nachklang in Prem

Vierzehn Tage lagen hinter ihnen. Zwei Wochen zwischen dem Erbe des Drachen und dem Blick auf das, was vor ihnen lag. Prem hatte sie empfangen wie ein alter Freund: mit offenen Armen, gutem Essen, festen Betten – und der Ahnung, dass das Leben auch anders sein konnte als kalte Gänge, alte Hallen und finstere Höhlen.

Doch die Zwergenruhe war trügerisch. Als Althea sich weiter in ihre Studien vertiefte – Stunde um Stunde, Tag um Tag – wuchs bei den Zwergen der Drang nach Bewegung. Und so war es Keldi, der schließlich sagte, was alle dachten: „Wenn wir jetzt nicht bald etwas tun, wächst uns noch Moos am Bart.“

Am Ufer des Isleif, dort, wo sich das Land weitete und die Stadt in die Vororte überging, lag ein verlassener Stollen. Die wenigen Planken am Eingang wirkten eher wie Einladung denn wie Warnung. Hurdin musterte die Verstrebungen fachmännisch, brummte anerkennend. Dann verschwanden sie in der Dunkelheit.

Es war, wie Furka es später ausdrückte, ein Abenteuer „fürs Gefühl“. Immer wieder endeten Gänge abrupt oder waren von Erde verschüttet. Dann griffen Schaufel, Hacke und Zwergengeist ein. Dass dabei gelegentlich weitere Gänge einstürzten, wurde eher mit einem schnaubenden Lachen quittiert als mit Sorge. Nur Althea seufzte einmal hörbar – „Zwerge“ – und konzentrierte sich weiter auf ihre Rolle am Rand.

Als sie in die tiefere Kammer vordrangen, die Hurdin ehrfürchtig „die innere Mine“ nannte, wurde das mit Premer Feuer begossen – natürlich. Selbst der Umstand, dass der ehemalige Aufenthaltsraum samt Skeletten nur ein paar verrostete Werkzeuge hergab, konnte die Stimmung nicht trüben. Man hatte es getan. Man hatte sich durchgekämpft. Das war, was zählte.

Zwei Tage später verließen sie den Stollen. Die Zwerge lachten, schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, Althea blickte wortlos auf den nächtlichen Himmel über Prem. Die Monde standen über der Trutzburg wie zwei Wächter über einer Stadt, die ihnen all das geschenkt hatte – Ruhe, Müßiggang, Erkenntnis.

Althea zog sich für zwei weitere Nächte zurück. In ihrer Kammer, die inzwischen niemand mehr betrat ohne anzuklopfen, bereitete sie sich vor. Die Runen auf ihrem Stab leuchteten schwach, als sie den dritten Stabzauber band – ein uraltes Ritual, mit ruhiger Hand und klarer Absicht. Währenddessen verkauften die Zwerge die Ausrüstung aus der Mine, versetzten die Grubenhelme und Schaufeln, tranken einen letzten Becher Premer Feuer auf dem Markt, wo Archon lächelnd den Wurfdolch an sich nahm.

Der Gürtel und das Schwert blieben bei Althea. Noch. Der Ring und das Kettenhemd – zu wenig von Nutzen – wurden versilbert. Das Gold wurde aufgeteilt, aber niemand zählte genau. Prem war nicht Ort des Gewinns gewesen, sondern Ort der Genesung.

Am letzten Tag stand die Gruppe noch einmal auf dem Marktplatz. Archon kehrte mit einem kleinen Päckchen Kräuter zurück – kostspielig, aber notwendig. Althea hob nur eine Braue und murmelte: „Ich hoffe, das sündhaft teure Zeug hält, was es verspricht…“

Dann, am Morgen des fünfzehnten Tages, schulterten sie ihr Gepäck. Der Weg führte hinab, durch vertraute Gassen, am Swafnirdom vorbei, wo der Springbrunnen noch einmal hochstieß, als wollte er sie segnen. Im Hafen wartete ein Seelenverkäufer – 115 Stunden nach Thorwal. Ein Lächeln huschte über ihre Gesichter.

„Das ist doch ein Zeichen“, sagte Tondar.

Althea blickte über den Golf von Prem, als wollte sie ihn ein letztes Mal ganz in sich aufnehmen. Dann trat sie an Bord. Der Weg ging weiter.
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#29
Unterwegs mit Zwergen #27 – Der Tag, der einfach war

Der 5. Travia 15 Hal begann mit dem leisen Grollen alter Schiffsbalken, das langsam in den Erinnerungen der Nacht verklang. Noch war die Gischt des Krakenmolchs nicht aus dem Gedächtnis gewaschen, noch hallte Furkas röchelndes „Kein Fluch, wie…“ in den Köpfen nach – doch der neue Tag in Thorwal ließ all das langsam verblassen.

Während die Zwerge ihren Erholungspflichten nachgingen – Vorräte auffüllen, die Seebeine sortieren, dampfende Frühstücke verschlingen – war Althea schon auf dem Weg. Ihr Umhang umspielte sie wie eine Erinnerung an etwas Leichtes, Freies. Der Weg führte sie bergab durch Thorwals wuchtige Straßen, hinunter zum alten Stoerrebrandt-Kontor, wo sie ihre Schulden tilgte. Silber klirrte, und das Gold des Drachen fand seinen Weg in eine eiserne Kiste – nicht aus Gier, sondern mit der Stimme ihres Vaters im Hinterkopf: "Für Notfälle."

Ein sanftes Licht fiel durch die hohen Fenster des Tsa-Tempels, als Althea später in der Kühle der Steinhalle saß. Zwischen Friesen und duftenden Kräuterbecken verweilte sie, verlor sich in Gedanken, die niemand sehen konnte. Die Geweihten sahen sie kommen – nicht gebrochen, nicht kämpferisch. Gewachsen. Das Mädchen, das einst ihre Mutter am Arm hielt, war noch in ihr, aber sie blickte jetzt anders.

Später trat sie durch die Nebentür in die Taverne des Hotel Vier Winde. Vormittagslicht tanzte auf Pergamenten. Althea saß allein am Fenster, die Finger suchten nach alten Einträgen im Reisetagebuch, nach Linien auf Karten, nach Logik in einer Welt, die ihr immer wieder Rätsel aufgab. Es war still, so angenehm still.

Als sich der Gastraum zu füllen begann, zog sie sich zum Kamin zurück. Dort, in einem Licht-Schatten-Spiel aus Glut, goldenem Haar und angedeutetem Lächeln, nahm sie ihre Harfe. Der Klang war leise, intim – nicht für die Zuhörer gespielt, sondern für sie selbst. Doch der Raum hörte zu. Immer mehr.

Und dann kamen sie. Die Zwerge. Ihre Stiefel polterten weniger als sonst. Keldi ließ sich zuerst nieder. Der Tisch in der Ecke, erhöht, abgeschirmt – ein Kommandozentrum in friedlicher Mission. Bierhumpen kamen, heiß. Dokumente wurden ausgerollt. "Keine Schiffe mehr", sagte Keldi. Und alle nickten.

Über Karten hinweg, zwischen dampfenden Schüsseln und dichten Rauchschwaden, wurde entschieden: Es geht nach Norden. Nach Thoss. Über Berge. Natürlich über Berge.

Und als sie gegen Mitternacht die Stufen zur Herberge hinaufstiegen, war etwas beschlossen worden, das größer war als ein nächstes Ziel: Althea hatte sich gefunden. Für einen Tag lang. Und vielleicht war das alles, was sie wirklich brauchte.
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#30
Unterwegs mit Zwergen #28 – Herbstwind über dem Golf von Prem 

Es war der Morgen des 6. Travia 15 Hal, als Althea und die Zwerge die Tore Thorwals hinter sich ließen. Zwei Nächte im „Vier Winde“ hatten ihre Spuren der Seereise verwischt, der Klang der Harfe hatte die Schatten des Krakenmolchs vertrieben. Nun lockte die Straße – und das unbekannte Land dahinter. 

Der Herbst lag in der Luft, doch der Sommer hielt noch stand. Zur Linken funkelte immer wieder das Meer zwischen den Bäumen, zur Rechten leuchteten Felder in sattem Grün. Ein stiller, klarer Tag, an dem die Welt größer schien als sonst. 

Die erste Rast kam früh – ein Wäldchen nahe der Küste bot Schutz für die Nacht. Am nächsten Morgen erreichten sie Vaermhag, wo sie sich noch einmal stärkten, um am dritten Tag die Herberge "Golfblick" hoch über der Küste anzusteuern. Es war ein guter Ort, ein freundlicher Ort – vielleicht der letzte dieser Art auf dieser Route. 

In Varnheim füllten sie ihre Vorräte auf. Heilkräuter fanden sie, aber keine Bolzen. Die Stirnen der Zwerge legten sich in Sorgenfalten, doch es musste reichen. „Thorwaler“, brummelte Keldi missbilligend. „Alles Jäger. Kein Kriegervolk.“ 
Althea schwieg – aber sie merkte sich den Mangel. 

Der Weg nach Norden wurde rauer. Als sie Daspota erreichten – oder besser, die Aussicht darauf – berieten sie sich kurz und entschieden dann, die verfluchte Stadt weiträumig zu umgehen. Kein unnötiges Risiko. Kein Stolz, der den Verstand trübte. Nur der gerade Weg, und das Überleben. 

In einem Wäldchen westlich des Flusses Rybossl verbrachten sie eine Nacht, weit abseits aller Siedlungen, unter einem Dach aus Sternen. 
Der nächste Tag brachte Veränderung: 
Die Bäume traten zurück, das Land stieg an, und die Hjaldorberge wuchsen vor ihnen empor, ein Bollwerk aus Stein und Eis, das den Himmel zu stützen schien. 

Und dann: die Begegnung mit der sterbenden Abenteurerin. 
Ihr flüchtiger Bericht von einem Schatz, von Fallen und Tod, hallte noch in Altheas Gedanken nach, als sie sie am Hang beerdigten. 
Ein Schwert als Grabstein. Ein stilles Versprechen an einen Geist, der nicht umsonst gefallen sein sollte. 

Schließlich erreichten sie Rybon – einen geisterhaften Ort, der mit Einbruch der Dunkelheit in sich selbst verkroch. Aber der Wirt der kleinen Herberge hatte ein Herz für Altheas Lächeln, und so fanden sie doch noch ein warmes Lager für die Nacht. 

Am nächsten Morgen – heute – standen sie an der Schwelle. 
Vor ihnen nur noch Pfade, Geröll, Schneefelder. 
Und vielleicht, irgendwo da draußen, ein Schatz, der einer verlorenen Seele den Frieden bringen würde. 

Doch all das war Zukunft. 
Jetzt zählte nur, dass sie gemeinsam hier standen. 
Und dass sie bereit waren, weiterzugehen.
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#31
Unterwegs mit Zwergen #29

(Rybon–Thoss: Abschnitt 1 – Das Geheimnis der Berge)
Sie waren aufgebrochen bei erstem Licht, 
das silberne Band der Rybossl stets an ihrer Seite. 
Bäume wurden seltener, 
die Felsen griffen nach ihnen, 
und in der Kühle des beginnenden Herbstes 
zogen sie tiefer hinein in das wilde Herz der Hjaldorberge.

Dann — 
eine Entdeckung, fast übersehen: 
Ein gewebtes Geflecht aus Weidenruten, 
schlecht verborgen zwischen Stein und Wurzel. 
Ein versteckter Zugang, der abseits des rauen Passes lag.

Altheas Stab tauchte die Dunkelheit in fahles Licht, 
und einer nach dem anderen traten sie ein 
in das, was unter der Erde lauerte.

Kaum hatten sie die erste Biegung genommen, 
stürzten drei Piraten aus einer Nische auf sie zu, 
verzweifelt, roh, aber schlecht vorbereitet. 
Der erste Schlag, die erste Salve, 
und die Stille kehrte zurück.

Hinter dem ersten Widerstand: 
Wohnbereiche, Vorratskammern, eine Waffenkammer, 
die von einem Leben zeugten, das sich im Verborgenen eingerichtet hatte. 
Gerüche von altem Bier, feuchtem Stein und kaltem Eisen lagen in der Luft.

Sie stießen auf weitere Grüppchen — 
völlig unkoordiniert, 
überrascht von der Entschlossenheit der Eindringlinge. 
Furka vorneweg, 
Keldi und Tondar an den Flanken, 
Althea in der Mitte, 
Archon wie ein Schatten in ihrem Rücken, 
Hurdin, das Bollwerk.

Dann: 
Türen, schwer und verriegelt, 
Fallen, die mit geübtem Blick entschärft wurden, 
oder, wo nötig, mit sanfter Magie bezwungen. 
Ein weiteres Gefecht, eine weitere Hürde.

Eine Treppe, die in die Tiefe führte — 
und dort, eine Fallgrube mit aufragenden Speeren. 
Nicht alle entgingen ihr; 
Hurdin musste aus dem Abgrund gezogen werden, 
sein knurrendes Fluchen war lange nicht zu überhören.

In einem großen Raum schließlich, 
wartete die wahre Prüfung: 
Ein Piratenkapitän, breitschultrig und wettergegerbt, 
und seine besten Männer. 
Es dauerte nicht lange. 
Altheas Magie, Archons blitzender Dolch, 
und der Kreuzfeuerhagel der Zwerge 
machten der Sache ein schnelles Ende.

Der Schatz — 
ein feines Kettenhemd, Gold, starke Tränke, 
und ein Betrag, der die Mühen mehr als lohnte.

Doch der Weg hinaus war kein Triumphzug: 
Weitere versprengte Piraten, 
eine eingekesselte Keilerei, 
blitzende Dolche, grimmige Gesichter.

Und als sie endlich, in Hast, den Ausgang wieder erreichten, 
der Wind ihnen frische Luft ins Gesicht blies, 
wussten sie: 
Dies war nur der erste Schritt über die Hjaldorberge gewesen.

Und hinter ihnen — 
lag eine Tiefe, 
die sie nicht so schnell vergessen würden.


(Unterwegs über den Rybon-Thoss-Pass – Abschnitt 2)
Nachdem sie den Schatz von Daspota geborgen und die heimliche Höhle verlassen hatten, stieg der Pfad rasch steiler in die Berge.
Die bewaldeten Hänge, die ihnen bisher noch Schatten gespendet hatten, wichen langsam nacktem Fels und staubiger Erde.
Der Pfad schlängelte sich, mal nach links, mal nach rechts, schmiegte sich an schroffe Wände, führte über schmale Kämme, wo ein falscher Tritt den Absturz bedeutete.

Irgendwann erreichten sie ein gewaltiges Geröllfeld – ein toter Ort, in dem nur der Wind zwischen den steinernen Brocken spielte.
Der Weg war hier völlig verschwunden, und sie mussten sich Tondars scharfem Blick anvertrauen, der eine Passage suchte, wo kaum eine war.
Stein für Stein, Schritt für Schritt, arbeiteten sie sich hindurch, bis sie jenseits des Gerölls wieder etwas wie einen erkennbaren Pfad fanden.

Am Rand einer Felsformation, geschützt vor dem schlimmsten Wind, schlugen sie ihr Lager auf.
Der Hunger nagte, und Tondar gelang ein seltener Fang: eine Bergziege, die er von einer Anhöhe erlegte.
Hurdin stieg den steilen Hang hinab, barg die Beute und brachte sie ins Lager.
Am Feuer, unter dem kalten Sternenhimmel, brieten sie das Fleisch – und für einen Abend schien der entbehrungsreiche Aufstieg fast vergessen.

Am nächsten Morgen wurde der Pfad freundlicher.
Die Steigung ließ nach, der Weg führte stetig bergab.
Am späten Nachmittag entdeckten sie eine Berghütte – windschief zwar, doch trocken, am Ufer eines klaren, kleinen Bergsees gelegen, umgeben von ersten grünen Wiesen.
Althea, der die schroffen Nächte an die Substanz gegangen waren, war sichtlich erleichtert, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben.

Nach einer Nacht ruhigen Schlafs setzten sie ihren Abstieg fort.
Sie seilten sich an einer Klamm über einen reißenden Gebirgsbach ab – einen der Quellarme der Thossel, die weit unter ihnen zwischen Felsen und Moos dahinbrauste.

Am Oberlauf der Thossel angelangt, folgten sie dem jungen Fluss, der sie weiter talwärts führen würde.
An einer breiten Stelle, wo große Steine das Wasser bremsten, rasteten sie erneut.
Tondar meinte schmunzelnd, dass hier zur rechten Zeit des Jahres die Lachse förmlich aus dem Wasser sprängen – doch es war zu früh im Jahr, und so blieb ihnen nur der Anblick.

Die Landschaft öffnete sich zusehends.
Das Tal wurde breiter, die Berghänge zur Rechten und Linken fielen in dichten Wald zurück.
Ein letzter Rastplatz am bewaldeten Ufer, dann, am späten Nachmittag des nächsten Tages, endlich:
Die ersten Häuser von Thoss.

Ein kleines, lebendiges Dorf am Fluss, umgeben von Wäldern und den schützenden Armen der Berge, empfing sie –
und mit ihm ein Gefühl, dass das Schlimmste der Überquerung hinter ihnen lag.


(Abschnitt 3: Über die Hjaldorberge nach Thoss – und der Ruf der Berge)
Es war der 18. Travia, als sich endlich die Lichter von Thoss im Tal der Thossel zeigten.
Nach den endlosen, kargen Hängen, nach dem mühsamen Pfad durch Geröll und über flache Felskuppen, nach kalten Nächten unter offenen Sternen war der Anblick der kleinen Stadt eine Wohltat für Herz und Augen.

Die Gruppe kam erschöpft an, aber die Stimmung im Ort war... lebendig.
Nicht wie in Rybon, wo sich nach Sonnenuntergang jedes Fenster verschlossen hatte.
Hier strömten die Menschen noch spät am Abend aus den beiden Tavernen, Lachen und Stimmen lagen über den Gassen.
Furka ließ keinen Zweifel daran, wo ihr nächstes Ziel lag – und so fanden sie sich wenig später bei Bier und deftigem Eintopf in einer der Tavernen wieder.
Die Geschichten der Einheimischen drehten sich um Fischfänge, um Tjanset am Hjaldingolf, um Orvil als größeres Handelszentrum – aber auch, leiser, um Rybon und den Pass, den sie gerade bewältigt hatten.
Und mittendrin fiel ein Name, der sie aufhorchen ließ: Yasma Thinmarsdotter.

Am nächsten Morgen, mit schweren Gliedern aber neuer Entschlossenheit, machte sich Althea auf den Weg.
Sie fand das richtige Haus gegenüber der Herberge – ein schief stehendes, leicht verfallenes Gebäude.
Mit einem kurzen Griff richtete sie ihren Umhang, zog die Kapuze zurück und klopfte an.
Fast fühlte es sich an wie damals, in Felsteyn, bei Isleif Olgardsson.

Yasma war eine Frau in den besten Jahren, mit einem offenen Gesicht, das von Sorgenfalten durchzogen war.
Sie kam, so berichtete sie, aus Clanegh. Das Chaos des Umzugs war noch überall sichtbar, aber sie war bereit, zu reden.
In der kleinen Stube fanden Althea, Furka, Keldi, Tondar, Hurdin und Archon Platz, wenn auch etwas verstreut und improvisiert.

Und Yasma erzählte:
Ihr Vater hatte zwei Kartenteile in Händen gehabt, die auf Hyggeliks Schatz deuteten.
Doch eines war vor kurzem gestohlen worden – von einem gewissen Schurken und seinen Leuten, die sich bei einer alten Ruine in den Bergen verschanzten.
Das zweite Teil sei in den Händen eines gewissen Hjore Ahrensson aus Ottarje.
Vielleicht könnte auch der alte Umbrik aus Orvil mehr sagen. Der kenne fast alles, was diese Lande betraf.

Althea spürte, wie sich ein neues Netz spann – neue Namen, neue Wege.
Aber vor allem: Zurück in die Berge.
Noch ehe die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, verabschiedete sich die Gruppe.
Ein kurzer Imbiss, letzte Wasserschläuche aufgefüllt – dann Aufbruch.

Zurück in die Berge.
Furka grinste, als hätte er es schon geahnt, Keldi rückte seine Rüstung zurecht, und Tondar führte sie sicher aus dem Ort hinaus.
Sie verließen die Thossel, der sie bislang gefolgt waren, und schlugen einen schmalen Seitenpfad ein, der sich in die grünen Hügel schlängelte.
Mit jedem Schritt wuchs die Wildheit der Umgebung, wurde das Land steiler, rauer.
Kaum jemand war hier unterwegs.

Dann – Harpyien.
Der Überfall kam plötzlich, aus den Wolken, ein abgestimmter Angriff.
Kampf, Krallen, Klingen, Federn und Schmerz.
Aber sie standen zusammen – Zwerge, Althea, Archon – ein Kreis aus Entschlossenheit gegen die wütenden Kreaturen des Gebirges.
Wunden, Flüche, Atemlosigkeit – doch am Ende siegten sie.

Und in der Nacht ein weiteres Ungemach – ein Rudel von Raubkatzen, die durch den Geruch ihrer Lagerstelle angelockt worden waren.
Ein wüstes Handgemenge in Dunkelheit und Flammenschein, zerrissene Mäntel, schimmernde Klingen.
Aber auch hier – Sieg, wenn auch auf wankenden Füßen.

Am nächsten Morgen, müde, mit geschärften Sinnen und gezogenem Dolch, erreichten sie schließlich den höchsten Punkt.
Vor ihnen öffnete sich eine breite Mulde.
Zwischen Gebüsch und Gras stachen die Ruinen einer alten, verfallenen Burg empor.
Ein einzelner Turm ragte stolz gegen den Himmel.
Das Ziel, das Yasma ihnen gewiesen hatte – ein Ort, an dem sich vielleicht Antworten fanden.
Oder Tod.

Althea sog die kühle Herbstluft tief ein, schloss einen Moment die Augen.
Es gab keinen anderen Weg.


(Abschnitt 4 – Die Schwarzmagierruine)
Der Pass hatte sie weit in die Berge geführt, als sie, abseits des eigentlichen Weges, auf ein Relikt aus dunkleren Zeiten stießen:
Die zerfallene Burgruine lag schweigend unter dem grauen Himmel. Nur der alte Turm trotzte noch Wind und Wetter – oder das, was in seinem Inneren lauerte.

Im Inneren breitete sich eine dunkle Halle aus, weit größer als der Turm vermuten ließ. Ihr Licht verlor sich in der Weite.
Die Schritte hallten auf dem nackten Stein, und aus der Dunkelheit stürzten plötzlich orkische Wachen auf sie zu.
Gut ausgerüstet, diszipliniert – keine Plünderer, sondern Soldaten eines dunklen Herrn.
Die Gruppe schlug sie nieder, doch die Begegnung ließ keinen Zweifel: Hier unten war mehr verborgen.

Eine versteckte Falltür führte sie in die Tiefe, wo Furka, der kleine, unbeugsame Fallensteller, auf Stufe 4 aufstieg.
Das Labyrinth darunter war ein verzerrtes Spiegelbild der Oberwelt – verwirrende Gänge, tückische Wände, Geheimnisse, die nur auf scharfe Augen und ruhige Hände warteten.

In diesen dunklen Korridoren stellte sich ihnen der erste feindliche Zauberer entgegen.
Althea, noch jung in ihrer Macht, schleuderte die Flammen direkt aus ihrer Seele und ließ ihn in Rauch aufgehen.
Weiter unten, tiefer im Gewirr, ein zweiter Kampf: Diesmal ein schneller Zauberwechsel, ein Schutzschild aus purer Entschlossenheit – der Feind flüchtete, nur um Archons tödlicher Klinge zu erliegen.

Dann die letzte Kammer:
Der wahre Schwarzmagier, mit leuchtenden Augen und dem Hass vergessener Jahrhunderte.
Seine Magie schleuderte Althea auf die Knie, doch sie erhob sich –
und sandte brennende Gerechtigkeit aus.
Die Zwerge stürzten sich auf ihn – ein wildes, schmutziges Handgemenge aus Faustschlägen, Dolchstichen und donnerndem Willen.
Der Schwarzmagier fiel.

Was blieb, war Reichtum:
Ein weiteres Kartenstück, 500 Dukaten – schweres, schimmerndes Gold.
Und das stille Wissen: Sie hatten überlebt.

Doch Furkas Unachtsamkeit beim Durchsuchen eines alchemistischen Labors löste eine Katastrophe aus:
Flammen, Rauch, giftiger Dunst.

Sie rannten, keuchend, blindlings durch das Labyrinth, während ihnen die giftige Wolke im Nacken saß.
Treppen, Hallen, Echos ihrer fliehenden Schritte.
Althea brach zusammen, doch Hurdin und Archon trugen sie weiter.
Der Burghof, der freie Himmel, der eiskalte Wind – ein Schrei aus rauen Kehlen, als sie sich aus dem würgenden Qualm retten.

Auf dem Hang unterhalb der Ruine, während die Überreste des Turmes eine letzte Rauchwolke in den Himmel schickten,
kamen sie zu Atem.
Archon kochte Wirselkraut, die Zwerge tranken schweigend, und Althea, blass aber lebendig, öffnete langsam wieder die Augen.

Sie hatten die Schwarzmagierruine bezwungen.

Und das Tal der Thossel – und die kleine Stadt Thoss – lag wieder vor ihnen


(abschluß)
Am Abend des 20. Travia saßen sie erneut in der vertrauten Taverne von Thoss,
schwiegen, tranken, aßen.
Kein großer Jubel, kein Ausbruch von Übermut.
Nur dieses stille Wissen:
Sie hatten den Rybon–Thoss-Pass bezwungen.
Hatten Geheimnisse gehoben, Reichtum errungen, Feinde besiegt – und sich selbst wieder ein Stück neu gefunden.

Sie verließen Thoss einen Tag später, am 21. Travia.
Der Herbst hatte Einzug gehalten,
die Nächte wurden frischer
und die Bäume an den Hängen der Hjaldorberge begannen sich rot und gold zu färben...
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#32
Unterwegs mit Zwergen #30 – Die Hügel von Orvil

Die spätsommerlichen Hjaldorberge lagen hinter ihnen, und mit jedem Tag auf der Straße, die sich nördlich der Berge von Thoss aus nach Westen und dann langsam nach Südwesten wand, senkte sich der Herbst deutlicher auf das Land. Die Hänge färbten sich in warmen Rot- und Goldtönen, das Licht schien weicher, fast als würde es sich durch ein dünnes Tuch brechen. Noch war es angenehm kühl, aber der Wind roch bereits nach Wandel. Die Gruppe war in guter Stimmung. Die Reise verlief ruhig, das Wetter war freundlich und die Gespräche, besonders beim abendlichen Lagerfeuer, drehten sich wieder öfter um Vergangenes, Pläne und Träume – ein sicheres Zeichen dafür, dass sich der Druck der letzten Wochen etwas gelöst hatte.

Der Weg führte sie über bewaldete Hänge, durchsetzt von moosbedeckten Steinen, vorbei an einzelnen, längst verlassenen Schutzhütten. Sie passierten das kleine Holzfällernest Ala – nicht viel mehr als ein paar blockige Häuser, ein armseliger Schankraum, eine rauchende Holzsägerei. Die Leute dort wirkten reserviert, aber nicht unfreundlich. Niemand hatte etwas Konkretes zu berichten, aber die Blicke, die sie der Gruppe hinterherwarfen, blieben hängen. So, als wüsste man mehr, als man sagen wollte.

Hinter Ala begann sich die Stimmung zu wandeln. Die Bäume standen dichter, das Licht war gedämpfter, schien irgendwie fahler. Geräusche trugen sich seltsam durch die Luft – Vogelrufe klangen weit entfernt, das Rauschen der Blätter zu laut, das eigene Atmen zu deutlich. Irgendetwas lag in der Luft. Die Natur wirkte schwer atmend, als würde sie etwas verbergen.

Als sie an einem kühlen, klaren Bachlauf rasteten, kam es zum Angriff. Tondar war gerade damit beschäftigt, seine Beute zu verschnüren, als er das Knacken von Zweigen hörte. Er hob den Kopf – zu spät. Eine Meute wilder Hunde stürzte aus dem Gebüsch.

Chaos brach aus.

Althea stürmte vor, zu weit, Furka an ihrer Seite. Hurdin brüllte eine Warnung und drehte sich zur linken Flanke, wo weitere Tiere durchs Dickicht brachen. Tondar warf die Beute beiseite, zog seinen Dolch, während Keldi bereits den Bogen hob. Einer der Hunde sprang Althea an – sie drehte sich, riss den Stab hoch, ein Flammenstrahl zuckte auf, der Angreifer kreischte und fiel. Doch die Flammenlanze war versiegt.

Ein zweiter Hund brach durch die Linien – Archon war da, sein Dolch ein kurzer Lichtblitz. Althea wurde erneut angesprungen, duckte sich, prügelte mit dem Stab auf das Tier ein, das sich auf Furka stürzte. Hurdin und Keldi deckten den rechten Flügel ab, Tondar kämpfte sich durch, bis sie schließlich die Oberhand gewannen. Es war kurz, brutal – und vor allem: unnatürlich.

"Das ist kein normales Verhalten," keuchte Keldi. "Nicht zu dieser Jahreszeit."

Tondar stieß den Kadaver mit der Stiefelspitze an. "Was auch immer das war, irgendetwas treibt sie."

Am nächsten Morgen erreichten sie nach kurzer Strecke den Punkt, an dem die Straße einen kleinen Bach querte – hier begann der Abstieg nach Orvil. Der Wald lichtete sich, die Zeichen von Holzschlag verschwanden. Der Weg wurde offener, doch die bedrückende Stimmung blieb. Dann, kurz vor dem Ort, begegneten sie einem Reiter – ein Mann mittleren Alters, sauber gekleidet, auf einem kräftigen Pferd. Der Austausch war höflich, doch der Mann sprach mit Bedacht.

"Man sagt, etwas treibt die Tiere hier um. Ein alter Zirkel vielleicht. Oder schlimmeres. Wenn ihr mehr wissen wollt – der Siebenstein in Orvil hat ein Ohr für solche Dinge."

Dann ritt er weiter, ließ die Gruppe nachdenklich zurück.

Als sie den Ortsrand von Orvil erreichten, war da dieser Moment. Keine Menschenseele war zu sehen. Der kleine nördliche Platz lag still und seltsam entrückt in der Nachmittagssonne, als sei ein Schleier darübergelegt. Kein Laut, keine Bewegung. Die Gruppe spürte das – stand einen Moment lang still, als hielte die Welt den Atem an. Und dann, wie auf einen Schlag, trat das Leben zurück in den Ort. Kinderlachen, Marktgerufe, der Klang von Hämmern und Gesprächen.

Sie traten weiter vor und fanden sich auf dem Hauptplatz von Orvil wieder – voller Leben. Tavernen, Händlerstände, der Travia-Tempel, der auf die Brücke zum Fjord hinausblickte. Ein charmanter kleiner Ort, wie aus einem anderen Buch. Die Dunkelheit lauerte vielleicht in den Hügeln, aber hier – hier war Licht. Noch.
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#33
Unterwegs mit Zwergen #31 – Der Schatten von Orvil

Der Herbst war gekommen, leuchtend und wachsam, als die Gruppe aus den Hjaldorbergen ins Hügelland von Orvil trat. Die Landschaft war schön, doch irgendetwas stimmte nicht – als würde das Land selbst flach atmen. In Ala noch schien alles ruhig, doch hinter dem kleinen Holzfällernest wurde das Licht fahler, die Wälder stiller, der Wind seltsam suchend.

Dann, ein Überfall: Ein Rudel wilder Hunde stürzte sich auf die Gruppe, ohne Hunger, ohne Angst. Die Zwerge formierten sich, Althea trat vor, Flammen in den Händen. Die Hunde wichen nicht. Als der Kampf vorüber war, schwieg der Wald umso mehr. Etwas stimmte hier nicht.

In Orvil selbst erlebten sie diesen Moment noch einmal – anders. Beim Eintritt in den Ort lag ein seltsamer Schleier über allem, als sei die Stadt für einen Moment in ein anderes Licht getaucht. Dann: Stimmen, Lachen, Gerüche. Der Marktplatz, voller Leben. Orvil war da. Und doch: irgendetwas lauerte draußen.

Umbrik Siebenstein war barsch. Hilfsbereit, ja – aber nicht aus Überzeugung. Ein Runenknochen sei es, was die Gruppe ihm bringen solle, aus den Hügeln. Von einem gewissen Gorah, einem finsteren Druiden. Mehr nicht. Kein Dank, kein Vertrauen. Nur die Aufgabe.

Also verteilten sie sich. Suchten Hinweise, Meinungen, Stimmungen. Furka würfelte sich durch die Taverne, Keldi sprach mit den Händlern, Hurdin mit dem Schmied, Archon mit dem Heiler. Althea ging zum Tempel. Überall dieselbe Ahnung: Das Land war nicht mehr im Gleichgewicht.

Sie brachen nach Rovik auf – ein Umweg, aber kein vergeblicher. Der Wind wehte schärfer am Golf von Prem, die Menschen dort wortkarg. In einem Seitental trafen sie auf einen Schäfer, von Wölfen überfallen. Es war keine gewöhnliche Jagd. Die Tiere flohen erst, als Gorahs Name fiel. Die Richtung war klar.

Zurück in Orvil, und dann hinaus – Richtung Süden. Weißdorn war es, der den Ort markierte. Gorah war vorbereitet. Der Kampf tobte zwischen Wölfen, Harpyien und Feuer. Archon brachte den finsteren Mann zu Fall – doch nicht ohne Preis. Althea wurde vergiftet, taumelte, sank. Erst Archons Kräuterkunst – und ein altes, sündhaft teures Heilmittel – retteten sie.

Eine Welle ging durch die Lichtung, wie ein tiefer Atemzug des Landes. Die Wölfe flohen. Die Schatten zogen sich zurück.

Mit dem Runenknochen kehrten sie nach Orvil zurück. Umbrik nahm ihn schweigend entgegen. Und dennoch: Es war getan.

Ein Tag verging. Dann zwei. Und dann kamen sie – Bürger, Händler, die Geweihte. Sie baten die Gruppe, nach draußen zu treten. Der Marktplatz war voller als je zuvor. Es war der 1. Boron – und der Schatten war gewichen. Der Jubel war laut, das Bier stark, die Worte warm. Furka war längst mitten unter den Feiernden, und als die Harfe erklang, wurde Orvil für einen Abend ein Ort der Geschichten.

Sie blieben noch einen Tag. Dann rüsteten sie sich. Die Wälder färbten sich, die Nächte wurden kalt. Die Berge riefen. Und Oberorken wartete.
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#34
Unterwegs mit Zwergen #32 – Schatten über Stein und Pfote

3. Boron, 15 Hal – der Tag, an dem sich das Licht über Orvil veränderte. Die Sonne ließ die von Efeu umrankten Mauern des Wohnviertels warm aufleuchten, während sich hinter der Gruppe die Spuren ihres Tuns schlossen. Das Land war leichter geworden, die Luft klarer, der Blick weiter. Die Ernte war eingebracht, der Schatten gebannt – doch ihre Reise führte weiter. Der Goldene Herbst lag hinter ihnen, das Blätterdach wurde braun, und der Wind trug nun jenen Ton, der mehr versprach als nur Regen. Sie zogen aus – den Zufluss des Rovikfjords entlang, hinein in die südöstlichen Ausläufer der Hjaldorberge.

Der Pfad war schmaler, unmittelbarer als der, den sie einst zwischen Rybon und Thoss beschritten hatten. Steil zog er sich hinauf zwischen grauem Gestein und herbstmüden Bäumen, und während der Aufstieg sie verlangte, begann sich das Land zu wandeln. Wo einst Schatten lasteten, lag jetzt nur Stille. Doch gerade in der Stille verbarg sich manchmal das letzte Echo eines alten Rufes.

Tondar und Keldi führten, gefolgt von Althea und Furka, dahinter Hurdin und Archon, wie ein Gedanke, der sich nie ganz greifen ließ. Die Gespräche waren spärlich, der Blick meist nach vorn gerichtet, nur ab und an schweifte Altheas Blick zurück auf das friedlich liegende Orvil in der Ferne. Dort unten war die Ernte eingebracht. Hier oben begann ein anderes Kapitel.

Am frühen Nachmittag erreichten sie den Scheitel des Passes, wo der Wind bereits den Ton von Winter trug. Der Weg wurde wieder sanfter, ein schmaler, geschwungener Pfad, der sich zwischen Fels und Buschwerk hindurchwand. Es war dort, wo Tondar plötzlich die Hand hob und auf eine Spur wies. „Geröll“, sagte Keldi knapp. Tondar schüttelte den Kopf. „Eine Fährte.“ Eine, die nicht von diesem Morgen war, aber auch nicht alt genug, um vergessen zu werden.

Abseits des Weges fanden sie ein kleines, verstecktes Tal, wo sich eine Quelle sammelte. Dahinter – eine Öffnung im Gestein. Niedrig, aber tief atmend. Es roch nach Fell und altem Blut. „Das riecht nach Wölfen“, murmelte Tondar. „Wir mögen aber keine Wölfe“, kam es trocken von Furka, während er die Armbrust spannte.

Altheas Stab erhellte den Eingang, flackerte an feuchten Wänden empor. Ein grollendes Knurren antwortete aus der Tiefe. Die Formation war schnell bezogen: Tondar und Furka an der Spitze, dahinter die schwereren Kämpfer, Althea beschützt im Zentrum. Archon glitt seitlich wie ein Schatten.

Die Wölfe, die ihnen begegneten, waren nicht wie die, die einst die Rast unterhalb Orvils gestört hatten. Diese hier waren hungrig, aber matt – als hätte etwas sie zurückgelassen, nicht mehr gebraucht. Die Kämpfe waren schnell, aber nicht mühelos. Die Zwerge bildeten eine schlagkräftige Linie, während Altheas Zauber in kurzen, konzentrierten Ausstößen Licht und Flammen brachte. Hurdin hielt die Linie, Archon stieß immer wieder tief in die Schattenräume vor.

Tiefer im Bau fanden sie, was sie unbewusst erwartet hatten: eine Kammer, erfüllt vom süßlichen Gestank des Todes. Reste von Kleidung, zerschlissene Taschen, ausgeleerte Proviantbeutel – menschliche Überreste. Tondar stand lange vor einem blutigen Mantelzipfel. „Hier begann es“, sagte er leise. „Das war ihr Ursprung. Das war das Rudel.“

Es folgten weitere Kammern, weitere Wölfe – kein Rudel mehr, nur noch versprengte Schatten. Die Magie war zerbrochen, das Band gerissen. Archon murmelte etwas über gebrochene Bindungen, über den langsamen Zerfall eines verfluchten Willens.

In einer versteckten Nische fanden sie schließlich das, was geblieben war: ein Silberhelm, einige Münzen, ein verbogenes Messer – Zeichen von Wanderern, die es nicht geschafft hatten. Keldi betrachtete den Helm lange, dann legte er ihn schweigend beiseite.

Als sie schließlich aus der Höhle traten, hatte sich der Himmel gewandelt. Die Sonne verschwand hinter den Gipfeln, und das Abendlicht färbte die Felsen bernsteinfarben. Der Schatten war auch hier gewichen, still, ohne Worte, aber spürbar.

Und die Gruppe? Sie sagte nichts. Manchmal ist das Schweigen das deutlichste Zeichen, dass etwas abgeschlossen wurde.

Als die Gruppe wieder ins Freie trat, verschwand gerade die Sonne hinter den Gipfeln, und sie setzten ihren Weg auf dem Pfad fort.
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#35
Unterwegs mit Zwergen #33
(Versatzstücke)

Als sie in Ottarje eintrafen hatte sich bereits die Dunkelheit über die Küste gesenkt. Ihr Abstieg hatte sie über bewaldete Hänge dunklen Herbstlaubs und dann durch die Hügel des Vorgebirges geführt, von deren Kuppen nach und nach ein dunkler Streifen am Horizont sichtbar wurde, das Meer, der nördliche Teil des Golfs von Prem. Wahrscheinlich wäre ihnen auch ein blick auf die vorgelagerte Insel Hjalland vergönnt gewesen, wenn es nicht zu dunkel gewesen wäre.

Sie kamen zum nördlichen Ortseingang herein, wenn man das so nennen durfte und machten sich auf dem Weg zum Hafen. In der Taverne Ljasdahlssprung, lies Althea all ihren Charme spielen und der Wirt deutet sie zu einem Haus nahe dem unbenutzten Ortsausgangs Richtung Dapsota. Als sie die Taverne verließen, schaute Althea zum Himmel hinauf, an dem dunkle Wolken vor der Sichel des Mondes lagen. "Zu spät, um den alten Mann noch zu stören". Archon schüttelte unbemerkt den Kopf. "Dann suchen wir besser schon einmal nach einer Überfahrt nach Hjalland", in die Herberge hier möchte ich nicht einmal einen Fuß setzen... Im Hafen lag ein langgestrecktes thorwalsches Handelsschiff, schwer aber mit schlanke Linien. Der Kapitän inspizierte alles für die Nacht, als die Gruppe bei im vorsprach. "Hinüber nach Ljasdahl, natürlich, wir legen morgen früh ab" brummte er, nicht unfreundlich. "Wir haben in der früh noch etwas zu erledigen", sagte Althea, "legt nicht ohne uns ab". "Ich werde sehen, was ich tun kann", brummte der Kapitän gutmütig. Sie verbrachten die Nacht zwischen Fässern unter Öltuch auf den harten Bohlen des Schiffs, und begaben sich mit Aufgang der Sonne zurück in die Stadt...

Hjore Ahrensson ist alt, wie die Geschichte Yasmas schon vermuten ließ. Althea wendet wie immer ihren ganzen Charme auf, aber es sinddie Zwerge, deren Ehrfurcht vor dem Alter die Szene bestimmt. Auf Hyggelik angesprochen, schien sein Blick in die Ferne zu streifen... Er erinnert sich an einen Beorn Hjallasson in Angbodirtal, ein Name, den Umbrik Siebenstein schon nannte. Dann etwas undeutlich an einen Alrik Derondan in Phexcaer, sowie noch einen weiteren, an den er sich nicht genau erinnere. Dann verschwindet er für eine geraume Weile im Haus und kommt mit einem Pergament zurück, ein weiterer Teil der Karte! Dies muss der Teil von Yasmas Vater gewesen sein, damals, als sie noch in Clanegh lebte. Zum Ende hin wirkt er immer müder, und Furka ist fast versucht ihn zurück ins Haus zu geleiten.

Unter dem Eindruck des gerade erlebten kehrt die Gruppe zum Hafen zurück, wo sie rechtzeitig wieder an Bord gehen. Die Überfahrt nach Hjalland, weg von den Hjaldorbergen, die ihre Reise die letzten Wochen bestimmt haben. Hinter ihnen liegt ein goldener Herbst, der sich südlich der Berge vollends in braunes Laub, kahle Äste und bedeckten Himmel gewandelt hat. Das Meer vor dem Bug wogt grau, eine Ahnung der Stürme des kommenden Winters...

Das Schiff stellte sich dem rauen Wind und schnitt durch die grauen Wogen. Die Überfahrt des schwerbeladenen Handelsschiffes dauerte einige Stunden, während derer die Sonne es schaffte, die Wolken zu vertreiben. Hjalland empfing sie mit einer Ahnung dessen, was Sie bei Ihrem ersten Besuch im Sommer erlebt hatten. Wie schritten die lange Gasse hinunter zum großen zentralen Platz, gut gepflastert und von guten Gebäuden umgeben und wandten sich dann zum Kontoreiviertel seitlich des Hafens. Hier konnten sie endlich den Rest der Beute ihrer zurückliegenden Abenteuer verkaufen, Insbesondere die schimmernden Phiolen. Das Gold füllte die Beutel der Gruppe schwer, Es waren jetzt über 2.000 Dukaten. Manch einer würde sagen, sie hätten ihr Glück gemacht, aber abgesehen vom angenehmen Klang der Goldmünzen war Gold für unsere Reisenden nur a means to an end. Haus Hjalland empfing sie wieder mit exzellentem Essen, und nicht nur Archon steckte seinen Kopf tiefer in den Weinkeller. Manch einer der Gruppe kreuzte verstohlen die Finger hinter dem Rücken, in der Hoffnung, dass ihre Passage nach Varnheim noch etwas auf sich warten ließe. Der Wunsch ward ihnen erfüllt, und sie verbrachten drei Tage in Ljasdahl. Althea tat sich im Kontoreiviertel um und spürte nach den langen Wochen im Gebirge wieder den Hauch der weiten Welt, Hurdin stumm an ihrer Seite. Furka machte die Tavernen unsicher und festigte seinen Ruf als gebuffter Kartenspieler. Archon saß da über der ein oder anderen Flasche Wein und studierte wieder und wieder die alchimistischen Dokumente, die er auf der Reise aufgesammelt hatte. Ihre Passage schließlich war ein schneller Kutter, dessen Kapitän ihnen eine schnelle Überfahrt vor dem morgendlichen Westwind versicherte.

Wie versprochen spritzte die Gischt nur do vor dem Bug des Kutters, der sie nach Varnheim übersetzte. Mit Hjalland hinter ihnen schien eine letzte Wärme zu schwinden, der scharfe Wind auf dieser Deckpassage zwang sie dazu, sich tief in ihre Umhänge zu verkriechen und den Schutz der Bordwand zu suchen. Als nachmittags die Küste bei Varnheim als Streifen am Horizont auftauchte, war der Himmel wieder bedeckt wie wenige Tage zuvor in Ottarje. Der Wind pfiff schroff von See, als sie von Bord gingen und folgte ihnen durch die Gassen zum Zentrum der Stadt. "Ein Sturm wird kommen" stellte Tondar mit fachkundigen Blick auf den Himmel fest...

...und niemand widersprach.

Der Platz von Varnheim lag seltsam verlassen da, fast zu leer für die Größe der Stadt. Ein paar Seile flatterten zwischen den Masten der vertäuten Schiffe, und irgendwo klapperte ein Fensterladen im Wind. Der Geruch von Salz, Fisch und altem Holz hing über allem, als wäre er von der Brandung selbst in die Häuser getragen worden. Althea zog den Mantel enger und betrachtete die Ausleger der Docks, die sich langsam in der beginnenden Dämmerung verloren. „Wir sollten nicht lange bleiben“, sagte sie, mehr zu sich als zu den anderen.

Hurdin nickte stumm. Keldi prüfte im Gehen die Riemen seines Rucksacks, während Archon mit zusammengekniffenen Augen ein hölzernes Schild mit Handelszeichen betrachtete, als könne es mehr verraten als nur Preise für Pökelfisch und Reisebrot. Furka wirkte wie immer unbeeindruckt, doch sein Griff um die Tasche mit dem Kartenmaterial war fester als nötig.

Sie würden vielleicht noch ein Dach für die Nacht suchen. Vielleicht aber auch nur eine warme Mahlzeit. Die Frage war nur, ob Varnheim sie aufhalten würde – oder ob der Sturm sie hinaustrug, weiter über die Straße von Vilnheim, weiter in Richtung Heimat. Weiter... nach Oberorken.

Keldi und Tondar besprachen sich kurz, dann verschwanden sie beim Händler am Marktplatz, um Vorräte aufzufüllen. Die Gruppe kehrte in der zentral liegenden Herberge ein und besprach beim abendlichen Essen die weitere Reiseroute. Ihr Weg würde sie weiter nach Westen führen, von der Küste weg zum Bodir. Der Pfad nach Auplog führt durch ein Hochland, das sich aus den südlichsten Ausläufern der Hjaldorberge erstreckt. Erst die Hügel des Anstiegs von der Küste, dann die wilden Hügel, bevor sich der Weg wieder ins Bodirtal hinab neigt. "Zwei Tage" schätzte Tondar...

„Zwei, wenn das Wetter hält“, ergänzte Keldi und rührte mit ernstem Blick in seinem Eintopf. Der Geruch von Kümmel und Wurzelgemüse stieg aus den dampfenden Schalen, aber niemand aß mit echter Hingabe. Der Tag war zu lang gewesen, der Wind hatte zu sehr an den Nerven gezerrt, und das Wissen, dass es noch einmal über Höhen gehen würde, bevor das Tal des Bodir erreicht war, lag wie ein Gewicht über der Runde.

Althea saß seitlich am Tisch, das Kinn auf die Hand gestützt, und ließ den Blick durch die Herberge schweifen – solide, trocken, aber schlicht. Ein Ort zum Rasten, nicht zum Bleiben. „Dann brechen wir morgen früh auf“, sagte sie leise, und die anderen nickten, als sei längst alles gesagt.

Archon saß mit verschränkten Armen und musterte den Flammenlauf der Kerze, die in der Mitte des Tisches stand. Furka leerte sein Bier mit einem leisen Brummen und streckte die Beine aus. „Zwei Tage“, wiederholte er, „und dann ist der Bodir wieder unter unseren Stiefeln. Und dann... nur noch ein Fluss bis Oberorken.“

„Ein Fluss, und ein ganzer Winter“, ergänzte Hurdin ruhig. Aber in seinem Blick lag Vorfreude – auf das Vertraute, das Verlässliche, das Warme.

Die Gruppe blieb an diesem Abend nicht lange auf. Jeder prüfte still für sich die Ausrüstung, den Stand der Bolzen, die Nähte der Umhänge. Draußen schlug der Wind gegen die Fensterläden. Und als sie später in ihren Betten lagen, hörte man das Heulen nicht mehr von der Küste, sondern vom Hochland, das vor ihnen lag.

Der Wind strich über die Hügel, zerrte an der Vegetation und brachte das Heidegras dazu sich wellenförmig zu bewegen. Der ehemals gute Karrenpfad bei Varnheim wurde zu einem Fußpfad, als sie die Felder hinter sich ließen und die Weiler und Gehöfte weniger wurden. Nichts Bemerkenswertes auf diesem Weg, "Nichts Bemerkenswertes", dachte Althea, außer der Kälte. Sie war sich nicht sicher, was sie jemals gegen Reisen im Sommer gehabt hatte und dachte wehmütig an den Nachmittag in der Sonne zurück, den sie weiland bei den Bienenstöcken des Hjallandhofs verbracht hatten, im Herz der Insel Hjalland. Als die Nacht fiel, rasteten sie mit Blick auf die sich auftürmenden Hügelkuppen des Hochlands. Am nächsten Tag ging es weiter, über Stock und Stein. Der Pfad folgte den Hügeltälern, durchrissen von kleinen Bächen, Zumindest boten die Täler einigermaßen Schutz vor dem immerwährenden Wind, der über das Land pfiff und die Vegetation zerzaute. Wenn das Tal nicht direkt von Westen auslief...

So war sie dankbar, als sie am späten Vormittag von einem reißenden Bach gestoppt wurden, der die darüber führende Brücke mit sich gerissen hatte. Furka hatte bereits fachmännisch Maß genommen, und kurz darauf waren die Zwerge geschäftig unterwegs, Tondar mit der Axt, Furka mit dem Hammer, während Hurdin die Seilbündel abspulte, die er seit Anbeginn aufgeladen hatte - Althea hatte fast den Eindruck, die Zwerge wären glücklich über dieses Hindernis... Zwei Stunden später waren die Reste der alten Brücke beseitigt und eine niegelnagelneue Hängebrücke querte den Bachlauf. Keldi kam gerade aus der kleinen Klamm wieder hinauf, während Furka zufrieden brummelte. "Die hält." verkündete er. "Da haben wir dem Land Thorwal einen Dienst getan." Ohne Probleme erreichten sie die andere Seite...

…und als sie den neuen Steg überquerten, war es, als ob nicht nur der Bach, sondern auch etwas in ihren Gedanken überbrückt worden wäre. Der Hochnebel hatte sich zurückgezogen, ließ mattes Licht auf das Land fallen, und für einen Moment wirkte selbst der Wind stiller.

Archon blickte einen Moment lang zurück, prüfte die Spannung der Seile mit einem kritischen Griff – und nickte dann fast unmerklich. „Nicht alles, was wir tun, muss im Kampf geschehen“, murmelte er.

Althea blieb einen Herzschlag lang stehen, blickte hinunter auf das schäumende Wasser, das unter ihnen tost. Der Bachlauf verschwand zwischen den zerzausten Weiden, den abfallenden Steinen – und führte, irgendwann, in den Bodir.

*Der Bodir*, dachte sie.

Noch zwei, vielleicht drei Tage. Dann würden sie wieder hinabsteigen, in die tiefer liegenden Lande. In die Gewissheit des Winters. In den Ort, der ihnen für die nächsten Monde Wärme, Schutz und vielleicht sogar ein wenig Ruhe versprechen sollte.

Noch trug das Land Spuren ihrer Reise – Spuren von Gold, Blut, Wind und Feuer. Aber es würde bald schweigen. Bald. Nicht jetzt.

Jetzt war nur der Wind, das Gehen, das flüchtige Lächeln zwischen den Kapuzen –
und das gleichmäßige, sichere *Klonk* von sechs Paar Stiefeln auf frischem Holz.

Der Pfad wand sich weiter durch das Hochland, als sie die Säume eines Waldes erreichten, der von Norden heranreichte. Nach einer kurzen Mittagsrast kam Tondar in seiner üblich berherrschten aber nachdrücklichen Art zu ihnen - Spuren einer Herde. Von seiner Begeisterung angesteckt, pirschten sie in ein bewaldetes Tal hinein, bis sie eine große Herde Karene vor sich grasen sahen. Tondar gelang es, mit seiner ganzen inzwischen gewonnenen Routine, zwei Tiere zu erlegen (auch wenn Furka beinahe im Gebüsch einschlief, während Tondar auf Pirsch war) - Probleme mit Nahrung sollte es auf dieser Reise nicht mehr geben... Am Abend blickten sie von den letzten Höhen des Hochland auf den Abstieg über bewaldete Hänge hinüber zu den Hügeln die die westliche Seite des Bodirtals säumen, der Fluss noch nicht sichtbar, aber als stummes Versprechen hinter dem Horizont... Am nächsten Morgen brachte sie in strenger Marsch durch die Hügel hinüber zum Fluss. Der Wind war weniger scharf hier, abgehalten durch das Hochland in ihrem Rücken. Als die Nacht eintrat, sahen sie schließlich das breite Band des Bodir auf dem Weg nach Süden, zur Küste und dann die ersten Gebäude von Auplog.

Und mit dem Anblick der ersten Dächer von Auplog, tief unten im Tal des Bodir, kehrte eine eigentümliche Ruhe in die Gruppe ein. Nicht Erleichterung – nein, das war zu früh – aber eine Art innerer Einkehr. Der Blick zurück zeigte zerzauste Wälder, windzerfurchtes Gras, eine Brücke, die sie selbst gebaut hatten. Der Blick nach vorn zeigte einen Strom, dessen Wasser in der Abenddämmerung wie geschmolzenes Zinn wirkte.

„Das Tal hat uns wieder“, murmelte Hurdin.

Furka gähnte. „Und es hat Appetit.“

Althea lächelte still, während sie die letzten Schritte des Abstiegs tat. Der Wind hatte sich gelegt. Nur noch ein feuchter Hauch zog über das Land – der Hauch eines Winters, der in den Höhen lauerte, aber das Tal noch verschonte. Vor ihnen: Auplog, ein Grenzort zwischen Wildnis und Zivilisation, zwischen dem rauen Norden und der Verheißung der Städte, die jenseits des Winters liegen mochten.

Doch was jetzt zählte, war das Licht in den Fenstern. Der Geruch von Rauch. Die Aussicht auf ein Bett.

Und das Gefühl, dass jede Stunde, die sie sich tiefer ins Tal bewegten, sie näher zu dem Ort brachte, der – für eine Weile – *ihr Ort* sein würde.
Oberorken wartete. Bald. Bald.

Sie blieben Durchreisende, eine Abendmahlzeit, eine Nacht im Schlafsaal und schon ging es weiter, den Bodirsteg nach Norden, nach Vilnheim. Die Handelsstraße war selbst im Herbst gut begehbar, und eine Weile schritten sie neben einem Handelszug, der auf dem Weg nach Norden war. Irgendwann ließen sie die Ochsenkarren hinter sich, und trieben als eine von kleinen Reisegruppen Vilnheim entgegen, durch einen Herbst, der die Blätter über die Straße trieb, hinein in den Bodir, auf denen immer wieder Flöße zu sehen waren. Vilnheim, mit malerischem Ortskern zeigte den Beginn der letzten Bastion der Zivilisation - neben Oberorken - hier wo sich die Handelsstraße teilte, in das Orkland hinein, gen Phexcaer, und Richtung Oberorken mit dem dahinter liegenden Pass über die Hjaldorberge bei Felsteyn. Namen, die sie kannten, wie sie feststellten. Doch auch in Vilnheim waren sie Durchreisende, und fanden sich am nächsten Morgen auf der Handelsstraße entlang der Vrala, die bei Vilnheim in den Bodir mündete...

Mit 'Gallia est omnis divisa in partes tres, ...' würde ich in solchen Fällen gerne beginnen, auch wenn es nicht immer passt.

Wir stehen in Vilnheim am Reisepunkt Oberorken, die Stadt ist gut bis nach Mittag erreichbar. Wir betreten jetzt unseren Home Turf, und ich habe Going Home von Mary Fahl im Kopf, und mir kommen die Tränen. Hier im Oberen Tal des Bodir liegt unsere Heimat.

Lass uns die Umgebung beschreiben, die uns die nächsten Vier Monate Zuhause sein wird. Die Fluten des Bodir wälzen sich aus dem Nordosten heran, aus dem Orkland, ein Weg führt jenseits von Vilnheim an dessen Ufer weiter nach Phexcaer, ein ungewisser aber lukrativer Weg, wie man sagt. Von Norden, aus den Hjaldorbergen kommend mündet die Vrala bei Vilnheim in den Bodir. Oberorken, ein Stück die Vrala hinauf gelegen ist der letzte Ort am Ende der breiten Handelsstraße aus Thorwal.

Vilnheim und mehr noch Oberoken bilden einen Hort der Zivilisation nach den kleinen Dörfern zwischen Thorwal und Vilnheim.

Vilnheim ist folgendermaßen beschrieben:
Ist ein Zentrum der Thorwalschen Bodirflößer. Die etwa 500 Einwohner haben fast alle mit Handel und Transport ihre Beschäftigung gefunden - und sie verdienen nicht schlecht dabei.

Oberorken so:
Hier merkt man, dass nicht nur Orks und Nordmänner diese wilden Lande bevölkern. Unter den etwa 930 Einwohnern befinden sich gut 100 Zwerge, die hier Kohle und Erz abbauen und für teures Geld nach Thorwal verkaufen.

Im Gegensatz zu Vilnheim ist Oberorken eine richtige Stadt, eine der vier großen Städte auf der Karte (die anderen sind Thorwal, Prem, und Phexcaer).

Das Mündungsgebiet des Vrala bildet die letzte fruchtbare Ebene dieser Region. Während die westliche Seite des Flusses, an dem die Handelsstraße entlang läuft, von bewaldeten Hügeln flankiert wird, breiten sich vom Ostufer aus weite Kornfelder aus, soweit das Auge reicht. Am fernen Horizont ist bisweilen die dunkle Linie der Wälder zu erahnen, hinter denen die Wildnis des Orklands beginnt. Diese Gegend ist mit kleinen Weilern und Gehöften gespickt, die Handelsstraße ist belebt und geschäftig.

Die Hjaldorberge im Norden sind von Vilnheim aus nicht einmal zu erahnen, erst bei Oberorken, wo die Wildnis das Tal schließt, glitzern schneebedeckte Gipfel in der Ferne. Bei Oberorken wird die Vrala westlcih von den bewaldeten Hügeln, östlich von Wald umschlossen, der Weg wird hinter Oberorken zu einem ein Pfad, der bis Felsteyn und dann nach Orkanger über das Gebirge führt.

Es ist der 13 Boron 15 Hal, Square Herbst. Es ist noch über einen Monat bis zum Winter, und auch wenn das Wetter nicht so rau ist wie an der Küste, kommt es hier in der Nähe des Gebirges selten zu milden Wintern. Dennoch erscheint dieses letzte Stück die Vrala hinauf wie ein Hauch goldenen Herbstes, als späten Vormittag die Sonne durch die Wolken bricht, und den Wanderer einen Moment Wärme beschert. Der Wind hat einen Moment nachgelassen, bevor er wieder anhebt, als sie nach kurzer Rast aufbrechen. Die Felder stehen in vollen Korn, und jenseits des Flusse ist die Ernte im vollen Gange. Auf dem Fluss sind Barken unterwegs, mit Korn Richtung Oberorken, mit Kohle den Fluss hinab. Eine Reisegemeinschaft Zwerge kommt ihnen entgegen, geschäftlich aus Oberorken Richtung Vilnheim. Es kommt zu brummelndem Austausch, den Althea trotz ihrer langen Reise mit den Zwergen nur schwer nachvollziehen kann. Es ist nach Mittag, als die Straße eine Hügelkuppe erreicht, und dort, vor ihnen, liegt - wieder - Oberorken.

Der Weg nach Oberorken war kein Ankommen – er war ein Erinnern.

Als sie sich am späten Vormittag wieder auf den Pfad machten, war das Licht verändert. Nicht so scharf wie im Sommer, nicht so bleiern wie in der beginnenden Dunkelheit des Spätherbstes. Es war ein mildes Gold, das die Felder berührte, als wüsste selbst die Sonne, dass dies ein besonderer Moment war. Die Ähren standen hoch im Wind, der kurz verstummte, nur um dann, mit neuer Kraft, über die Landschaft zu streichen – wie eine Hand, die noch einmal prüft, ob alles bereit ist.

Die Straße war alt, aber trug sich gut. Der Fluss zur Linken war lebendig, Barken zogen wie Adern den Lebenssaft dieses Landes. Korn flussabwärts, Kohle flussaufwärts – Arbeit, Alltag, die Jahreszeiten in Bewegung. Als die Gruppe auf eine Gemeinschaft von zwergischen Händlern traf, war es kein Ereignis, sondern ein weiterer Takt in einem Lied, das sie nun kannten. Grummelnde Stimmen, kräftige Hände, das Geräusch von Metall an Leder – Althea verstand die Worte nicht, aber sie verstand den Ton.

Als der Weg sich hob und eine letzte Hügelkuppe erreichte, hielten sie unwillkürlich inne.

Oberorken lag vor ihnen – nicht mehr als Ziel, sondern als Vertraute. Eingebettet in das goldene Tal, an den Flanken des Stroms, mit dem ersten silbrigen Glanz der Schneeberge am Horizont. Kein Fanal, kein Trompetenstoß – nur ein leiser, stiller Blick, ein tiefer Atemzug. *Wir sind zurück.*

Die Pause hat ihren Platz.
Denn was jetzt kommt, braucht Ruhe.
Ein Winter, ein Ort. Und Geschichten, die nur im Verweilen geboren werden.
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#36
Unterwegs mit Zwergen #34
(Versatzstücke)

Die Gruppe steht gerade am südlichen Ortseingang von Oberorten, dort wo die große Handelsstraße ankommt. Sie blicken nach Norden, in Richtung des zentralen Marktplatzes. Sie sind angekommen. Bei jedem Schritt durch die Stadt lassen Sie Ihre Blicke nach rechts und links streichen, die Straßen hinunter, Blicke in die Viertel, als Sie sich auf den Weg zum Ingerimm Tempel machen. Bitte beschreibt mir das. Es ist kurz nach Mittag, ich glaube 14 Uhr. Das Wetter ist ein Herbsttag, der einen Hauch von Wärme mit sich bringt, wenn die Sonne durch die Wolken lugt. Oberorken liegt vor Ihnen, liegt um sie herum. Der Markt ist vielleicht ein klein bisschen langsamer jetzt nach Mittag. Sie schreiten in Anschluss der Handelsstraße hinaus zur linken und rechten die Südvorstadt und betreten dann das Zentrum. Den großen Platz in der Mitte der Travia-Tempel weiter zur Linken der Ingerim-Tempel in den Häuserzeilen der Zwergischen Bevölkerung. Zur rechten strecken sich die zwei Straßen hinunter zum Fluss, zur Vrala...

Es war kurz nach Mittag, als die Gruppe am südlichen Ortseingang von Oberorken zum Stehen kam. Die Handelsstraße lag hinter ihnen – staubig, belebt, ein Band aus Erinnerung und erlebtem Wandel. Vor ihnen aber: Oberorken. Keine Durchgangsstation mehr. Ein Ort mit Gewicht. Vielleicht: ein Zuhause.

Die Luft war klar, der Wind mild, und zwischen den Wolken ließ sich immer wieder ein Streifen blauen Himmels erahnen. Die Sonne brach hier und da durch das graue Gewölk, und in diesen Momenten legte sich ein sanfter Glanz auf die Dächer der Stadt. Ein Hauch von Wärme – fast wie ein letztes Versprechen des Herbstes, bevor der lange Winter käme.

Der Weg führte sie die breite Straße hinauf, auf der noch vor Kurzem Fuhrwerke und Reisende unterwegs gewesen waren. Jetzt war es ruhiger. Zur linken streckten sich die Häuser der Südvorstadt – bescheiden, wohlgeordnet, mit kleinen Gärten hinter steinernen Mauern. Zur Rechten lagen die alten Viertel, jene, deren Straßen hinunter zur Vrala führten. Hier wehte aus den Fenstern der Häuser der Duft von Brot, von geröstetem Korn, ein Hauch Stall – Leben, das nicht eilig war, sondern fest verankert.

Mit jedem Schritt ließ die Gruppe die Stadt auf sich wirken. Tondar, vorn, hob immer wieder leicht das Kinn, als prüfe er die Winkel der Dächer, die Biegungen der Wege. Keldi ging neben ihm, schweigend, aber in seinen Augen lag der Blick eines Mannes, der etwas wiedererkennt, das er nicht benennen muss. Althea, einen halben Schritt hinter den beiden, ließ ihre Hand an den Hausfassaden entlanggleiten – nur ganz leicht, als wolle sie spüren, was für Geschichten im Stein lebten. Furka und Hurdin musterten alles – Türen, Läden, Mensch und Mauer – mit der pragmatischen Neugier von Leuten, die wissen, wie man sich zurechtfindet. Archon ging zuletzt. Nicht aus Vorsicht, sondern weil seine Gedanken schon tiefer griffen, in das, was diese Stadt ihnen bedeuten könnte.

Dann öffnete sich vor ihnen der Marktplatz. Kein Gedränge, kein Lärm – aber ein stetiges Murmeln. Händler saßen auf Kisten, Ziegenkäse und Bolzen wurden verhandelt, Kinder trugen Körbe heim. Der Markt war nicht leer, nur... gesättigt. Wie ein Herz, das nicht mehr schlagen musste, um zu leben.

Zur linken der Travia-Tempel, schlicht, aber mit offenem Tor, aus dessen Innerem Kerzen flackerten. Weiter zur rechten, über die schmalen Dächer der angrenzenden Häuser hinweg, erhob sich der Ingerimm-Tempel: ein massiver Bau aus dunklem Stein, mit einem Schlot, aus dem sich ein dünner Streifen Rauch in den Himmel zog. Die Häuser ringsum wirkten gedrungener, robuster – hier wohnte das zwergische Handwerk, das in dieser Stadt mit jedem Schlag auf den Amboss sprach.

Und geradeaus – zwei Straßen, die sich zum Fluss hinabzogen, dem Band der Vrala folgend. Der Klang des Wassers war nicht zu hören, aber man spürte seine Nähe. Vielleicht in der Art, wie der Wind von dort heraufzog, oder in den Körben, die von dort hochgetragen wurden.

Sie standen einen Moment still.

Und dann setzte sich Tondar wieder in Bewegung.

Zielstrebig, aber nicht hastig.

Denn sie waren angekommen.

Die Strapazen der Reise, die Gefahren der Abenteurer, das Gewicht des Goldes in ihren Beuteln. Sie waren nicht mehr die selben, die damals hier durchgereist waren. Sie wählten ihren Weg bestimmt durch die Marktstände vom Travia Tempel vorbei in Richtung der Stätte des Ingerimms...

…und jeder Schritt über das Pflaster schien ihnen mehr zu sagen, als Worte es vermocht hätten.

Es war nicht mehr die Unruhe der Reisenden, die sie trugen, nicht das vorsichtige Umschauen, das jeden neuen Ort begleitete. Es war das Wissen, dass sie zurückkehrten – nicht als Gäste, sondern als solche, die etwas zu erzählen hatten.

Die Menschen auf dem Marktplatz nahmen sie wahr, wenn auch nicht mit Rufen oder Gesten. Es waren die Blicke, die ihnen folgten – ein leichtes Nicken, ein kurzes Innehalten im Gespräch. Die Zwerge, die an den Ständen standen, musterten sie mit einem prüfenden, fast anerkennenden Blick. Vielleicht erkannten sie nicht die Gesichter, aber sie sahen das, was auf der Haut geschrieben stand: Kampf, Marsch, Entscheidung.

Althea ging einen Schritt langsamer. Nicht aus Müdigkeit – sie sog den Moment ein. Der Herbst, das Volk, das leichte Spiel des Windes, der an ihrer Robe zupfte. Der Ingerimm-Tempel vor ihnen war kein Versprechen, sondern eine Antwort.

Furka schulterte seine neue Tasche etwas höher. Hurdin trat unwillkürlich aufrechter. Und Keldi… Keldi legte eine Hand an den Griff seines neuen Kurzschwerts, nicht als Drohung, sondern als Gruß an den Ort, den er kannte – und der ihn nun als einen der Seinen erkennen sollte.

Als sie die breite, leicht rußgeschwärzte Freitreppe des Tempels erreichten, war das Klopfen der Hämmer im Inneren bereits wie ein Herzschlag in der Luft. Warm, stetig, tief.

Sie waren nicht mehr die, die gegangen waren.

Und Oberorken war nicht mehr nur ein Ort auf der Karte.

Sie betraten den Tempel, eine große Halle, in der das ewige Schmiedefeuers brannte. Die rußgeschwärzte Decke strahlte Wärme aus. Althea blieb im Hintergrund, als die Zwerge ihre Last absetzen und sich vor dem Feuer versammelten. Keldi schüttete einen Beutel schimmernder Münzen in die Rinne, die das Feuer umgab. Ein In glosendem Orange gekleideter Geweihter stand abseits und nickte stumm...

Der Klang der Münzen, als sie über die Rinne rollten, war anders als jeder Klang draußen auf dem Markt – tiefer, fast ehrfürchtig. Das Glühen des Feuers war nicht bedrohlich, sondern umhüllend, wie eine Flamme, die nicht zerstört, sondern bewahrt.

Keldi neigte den Kopf. Nicht tief, aber mit der Haltung eines Zwerges, der seinen Platz kennt. Tondar trat einen Schritt zurück, legte eine Hand auf den Rand der steinernen Feuergrube. Hurdin zog das Amulett unter seinem Umhang hervor, eine kleine Arbeit aus Kupfer, und ließ es durch die Finger gleiten. Archon beobachtete schweigend, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, als sei er selbst aus Schatten gemacht.

Furka murmelte etwas – vielleicht ein alter Spruch aus den Minenschächten, vielleicht ein Liedvers. Niemand fragte nach.

Althea blieb ein paar Schritte zurück, nahe dem Eingang, die Hände vor dem Körper gefaltet. Sie wusste, dieser Ort war nicht ihrer – und doch fühlte sie sich nicht ausgeschlossen. Das Feuer spiegelte sich in ihren Augen, während sie die Zeremonie beobachtete, in der kein Wort gesprochen wurde, aber alles gesagt war.

Der Geweihte trat schließlich vor, seine Hand kurz über das Opfer hebend, dann senkte er sie wieder. Kein Segensspruch, kein Ritual mit Pomp – nur ein Nicken, so knapp wie mächtig.

Dann wandten sie sich ab, und für einen Moment war es, als würde die Halle hinter ihnen den Atem anhalten.

Draußen war Oberorken.
Drinnen war Ingerimm.
Und für einen kurzen Moment dazwischen, waren sie daheim.

…und sie spürte es bei jedem Schritt, den sie hinter ihnen ging. Nicht weil sie es musste, sondern weil es richtig war. Althea war keine Zwergin, und dies war nicht ihr Tempel, aber sie war *ihre* Magierin, und sie war es geworden auf einem Weg, der durch Schnee, Feuer und Schatten geführt hatte.

Sie kannte ihre Schwächen, aber sie kannte auch die der anderen. Sie hatte Furka im Rausch gesehen, Keldi im Zorn, Archon im Zweifel. Sie hatte Tondars Schweigen getragen, Hurdins Müdigkeit geteilt. Sie hatte ihnen das Licht gereicht, wenn sie im Dunkeln standen, und sie hatte ihnen vertraut, wenn die Welt um sie wankte.

Jetzt stand sie in der Schwelle zwischen Feuer und Stein, und etwas in ihr sagte: *Ich habe sie hierher geführt. Ich werde sie auch weiterführen.*
Nicht mit Befehl. Nicht mit Macht. Sondern durch das stille Wissen: *Sie gehören zusammen.*

Als die Zwerge sich vom Feuer abwandten, trafen sich ihre Blicke. Kein großes Zeichen, kein Nicken, kein Wort. Aber Furka grinste. Und Keldi legte den Kopf leicht zur Seite, so wie er es tat, wenn er etwas verstanden hatte, das nicht gesagt wurde.

Und Althea trat aus dem Schatten des Tempels zu ihnen. Ihre Verantwortung. Ihr Weg. Ihre Familie.

Sie verließen den Tempel eine Weile später und machen sich auf dem Weg über dem Marktplatz die Straße in Richtung des Flusses. Die Herberge Glücklicher Prospektor, die ihnen schon einige Nächte Unterkunft geboten hatte, lag näher zum Marktplatz, denn zum Fluss. Drei Etagen unter einem spitzen Dach aus blauen Schindeln.

Das heißt, selbst war mit dunklem Holz getiefelt, still.Sie betraten den Gastraum. Zur linken die Treppe, die nach oben führte, zur rechten die kleine Gaststube neben der Küche. Der wird schließlich wiederzuerkennen. Auf jeden Fall kam er mit einem lächeln auf sie zu. Wie lange Sie bleiben wollten. Bis zum Frühling gab Althea mit einem sanften Lächeln zurück. Keldi legte einen schweren Beutel mit Gold auf den Tresen, dem zwei weitere folgten. Der Wirt erst etwas verdutzt, wurde geschäftig, singt der Angestellte zu sich. Er könne Ihnen Zimmer bieten im zweiten Stockwerk. Mit gutem Blick über den Marktplatz, wenn Sie wünschten.

Das Haus selbst war mit dunklem Holz getäfelt, dunkel und ruhig. Sie bezogen die Zimmer, die zweite Treppenstiege hinauf. Drei große Räume und ein Eckzimmer, eine weitere kleine Kammer. Die meisten Räume blickten über die Dächer der Häuser, über den Marktplatz und die Tempel in Richtung der Hügel im Westen. Das Eckzimmer und das anschließende Zimmer blickten auf die Straße vor dem Haus nach Norden...

…und aus dem Fenster des Eckzimmers konnte man sehen, wie der Wind das Laub über das Kopfsteinpflaster trieb, über den Weg, den sie vor einer Stunde noch beschritten hatten – als Gäste. Nun waren sie hier angekommen. Nicht nur körperlich.

Furka war der Erste, der sich fallen ließ. Mit einem wohlig-knarzenden Laut sank er auf das breite Bett in der Mitte des nördlichen Zimmers und streckte sich wie ein zufriedener Hund. „Ich bleib bis zum Tauwetter“, murmelte er.

Keldi überprüfte die Fensterläden, ließ den Blick über die Dachlinie wandern. Er schien jeden Ziegel zu taxieren, als würde er einschätzen, wie sicher dieses Dach vor dem kommenden Winter schützen würde. „Das ist gut hier“, sagte er leise.

Archon stellte seine Tasche ab, zog sie aber gleich wieder zu sich heran, als sei sie ein Teil seines Körpers geworden. Im nächsten Moment war er schon im Nebenraum verschwunden – dem kleinen, abgeschlossenen Kämmerlein mit Blick auf die Straße –, seine Gedanken bereits bei Phiolen und Rezepten.

Hurdin lehnte sich im Türrahmen zurück und sah Althea an. „Zuhause?“ fragte er nicht, sagte es nur.

Sie trat langsam in den Mittelraum. Ihre Finger glitten über die Lehne eines der Stühle. Kein Artefakt, keine Aura, keine fremde Macht. Nur Holz, Handwerk, Wärme. *Das hier ist nicht Kunchom. Aber vielleicht... ist es mehr.*

Althea trat an das Fenster. Unter ihr lag Oberorken, in den letzten Stunden des Nachmittags. Händler schlossen erste Stände, Kinder rannten mit Laub in den Händen über den Platz. Ein einzelner Hammerschlag klang vom Ingerimm-Tempel herüber. Und in ihr breitete sich ein Gefühl aus, das weder Triumph noch Erleichterung war.

Es war Ruhe.

Sie drehte sich um. „Wir sind angekommen. Lasst uns auspacken.“
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#37
Unterwegs mit Zwergen #35
(Versatzstücke)

Am nächsten Morgen begab sich die Gruppe auf den Weg zum Marktplatz. Ein kurzes Stück die Straße hinunter unter einem bedeckten Himmel. Hinter den Marktständen war das Dach des Traviatäppels mit den großen Fenstern, hinter denen das Herdfeuer einladend loderte, zu sehen. Sie machen sich auf den Weg zum Familienbetrieb der Söhne des Grufalm, Tardosch, Morka und Rodar. Morka empfing sie mit einem Nicken und musterte sie eingehend. Nicht mehr dieselben, die die Stadt vor einigen Wochen verlassen hatten... "Wir sind gekommen, um aus dem Besten zu schöpfen, was eure Geschäft zu bieten haben..." begann Keldi. Er hielt seine Armbrust empor. "Diese mittelreichische Ware ist zwar in Ordnung, aber sie kann sich mit nichts aus Zwergenhand messen." "Hört, hört", kam es vom Durchgang zur Schmiede, in der Rodar aufgetaucht war, die Faust zum Gruß gereckt. "Und neue Kleidung..." Althea hielt missmutig den zerschlissenen Saum ihres purpuroten Umhangs empor. Furka ging zum Tresen hinüber und begann methodisch Goldmünze auf Goldmünze zu stapeln. Morka schickte nach Tardosch und eine Weile später war die Gruppe umringt von den Zwergen und ihren Gehilfen. Sie wurden eingekleidet mit dem Besten, das die Söhne des Gruffam zu bieten hatten. Robuste Kleidung aus zwergischer Herstellung, Reisemäntel aus thorwalschem Filz, aber auch Ware von weit her, herangeschafft über die Handelsstraße. Feine Stoffe aus dem Süden für Alteas neue Robe, die sich mit dem Angebot des Marktplatzes in Prem messen konnten. Keldi und Tondar beurteilten die verschiedenen Modelle von Armbrüsten aus zwergischer Fertigung, diskutierten mit Morka über die Balestras aus dem Süden, die sie in Prem begutachtet hatten. Rodar und Hurdin legten ein Set ganz hervorragender Dolche bereit. Aus Rodars Esse, mit seinem eigenen Zeichen markiert. Furka und Archon waren derweil im Geschäft Tardoschs verschwunden, neue Werkzeuge aussuchen. Schaufel und Hacke, Rollen guten thorwalschen Seils, Aber auch feinmechanische Utensilien aus einem nahen Bergkönigreich und ein Alchemie Set, Glas aus dem Lieblichen Feld. Als sie zurückkamen, begutachteten die anderen bereits eine große Auswahl an Klingen. Keldi wählte ein Kurzschwert mit breiter Klinge, Hurdin einen Schweren Dolch, Furka findet einen Ogerfänger, einen schweren Trickdolchmit ausklappenden Haken, Althea sucht sich eine Basiliskenzunge aus, einen Dolch mit gewundener Klinge, den sie "sehr kleidsam" findet, Tondar begnügte sich mit zwei Dolchen aus dem Set. Archon spricht unter vier Augen mit Morka. Als er zurückkommt, ist, was auch immer er gekauft hat, unter seinem Umhang verborgen. So vergehen die Stunden, und als sie sich wieder auf den Marktplatzes begeban, brummelte Hurdin zustimmend zur Passung der neuen Stiefel...

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Der Himmel war bedeckt, als die Gruppe in den Marktplatz einbog. Die Luft trug den Geruch von Schmieröl, warmer Wolle, frischem Brot – und dem ersten Hauch des nahenden Winters. Aber da war auch etwas anderes in der Luft: eine stille Erwartung. Die Art von Stimmung, wenn vertraute Wege nicht nur wiedergefunden, sondern als die eigenen erkannt werden.

Sie kamen nicht wie Fremde zurück.

Morka, Sohn des Grufalm, trat aus dem Schatten seiner Halle, die Arme vor der Brust verschränkt, die Stirn in Falten. Doch seine Augen blitzten, als er Keldi sah, dann Furka, dann Althea.
„Ihr seht aus wie welche, die das Land umgegraben haben.“
Keldi hob die Armbrust. „Es war Zeit, die Mittelreich-Ware zu ersetzen.“
Ein Knurren, das ein Lachen war, kam aus Morkas Kehle.
„Dann kommt rein – der Staub der Straße soll auf unserem Boden enden.“

In der Schmiede trat Rodar aus der Glut wie ein Lied aus Eisen. Sein Blick fiel auf Althea. „Ihr tragt noch immer die Robe von Prem.“
Althea senkte den Blick auf den Saum. „Nicht mehr lange.“
Rodar nickte – das bedeutete: Es ist gut, dass ihr wieder hier seid.

Tardosch kam herbeigeeilt, als das Klirren von Münzen aus Furkas Händen erklang. „Na, wenn das kein Festtag wird“, murmelte er. Und dann wurde gearbeitet. Nicht wie zwischen Händler und Kunde – sondern wie unter alten Bekannten.

Sie maßen, prüften, diskutierten.
Althea probierte Stoffe, deren Farben selbst den bleichen Himmel über Oberorken übertrafen.
Keldi und Tondar führten hitzige Fachsimpeleien über Abzugskraft und Spannhaken.
Furka verschwand mit Tardosch in die hinteren Räume – man hörte Lachen und das Kratzen von Federkielen.
Archon sprach mit Rodar unter vier Augen. Was auch immer in jenem Gespräch gesagt wurde, verschwand so still wie das, was Archon später unter seinem Umhang barg.

Rodar präsentierte schließlich eine Auswahl Dolche, jeder ein Gedicht aus Stahl.
Und ohne viele Worte war klar: Dies war kein bloßer Einkauf.
Dies war das Schmieden einer Erinnerung.
Dies war das Erkennen der Rückkehr.

Als sie auf den Platz zurücktraten, glänzte ihr neues Equipment noch nicht – Oberorken war kein Ort für glänzende Dinge. Aber es saß. Es passte. Es gehörte zu ihnen.

Rodar, Morka und Tardosch blieben im Schatten ihrer Werkstätten stehen, blickten ihnen nach.
Es war nichts Großes, kein Handschlag, kein Versprechen.
Aber es war ein stilles Einverständnis:

Wer hier wiederkehrt, wird Teil der Geschichte.

Oberorken – 14. Boron 15 Hal
Nachmittag und Abend nach dem Besuch bei den Söhnen des Grufalm

Nachdem die Gruppe mit volleren Taschen, aber leichteren Herzen aus den Geschäften der Söhne des Grufalm getreten war, ließ sie sich über den Marktplatz treiben. Es war kurz nach Mittag, die Wolken hatten sich etwas verzogen, und goldenes Licht brach durch die Lücken, wie ein spätes Geschenk des Herbstes. Kinder jagten zwischen den Ständen einem zerzausten Drachen nach, Händler räumten langsam ihre Waren zusammen, doch es war noch Leben im Platz – ein ruhiges, sattes Leben.

Archon und Tondar lösten sich von der Gruppe und schlenderten gemächlich zur kleinen, etwas versteckt gelegenen Kräuterhändlerin an der Südseite des Marktplatzes. Ihre Auslage war so unspektakulär wie solide – getrocknete Blätter, Wurzeln, verschnürte Bündel, die an der Holzfassade hingen. Archon, mit der Gründlichkeit eines Mannes, der weiß, was er sucht, erstand eine große Menge Wirselkraut. Tondar nickte nur und trug die Beutel.

Der Rest der Gruppe nutzte die verbleibenden Stunden bis zur Öffnung der Taverne, um über den Platz zu flanieren, einen weiteren Blick auf den Ingerimmtempel zu werfen, ein paar Schritte an die beiden Straßen zu wagen, die zum Fluss hinabführten – doch ohne Ziel. Es war dieses ziellose, warme Treiben, das nur jene genießen können, die ihr nächstes Lager schon sicher wissen.

Gegen vier Uhr nachmittags trat die Gruppe schließlich in die Taverne „Ingerimms Feuer“ ein. Ein zweiflügeliges Holztor, eingerahmt von rußgeschwärzten Balken und geschmückt mit einem geschnitzten Ingerimm-Symbol, öffnete sich in einen gemütlichen, niedrigen Schankraum. Die Wände waren mit alten Werkzeugen verziert, die Bänke und Tische aus dunklem Holz, das Licht kam von schweren Öllampen.

Der Wirt, ein älterer, glatzköpfiger Mann mit einer Stimme wie geraspelter Bernstein, begrüßte sie mit einem anerkennenden Blick – er kannte sie von früher. Bald stand dampfendes Essen auf dem Tisch: geschmorter Hammel, dicke Gerstensuppe, gebratene Wurzeln, dazu dunkles Brot und Butter in dickem Holzgeschirr.

Die Gruppe lehnte sich zurück, der erste Krug Bier folgte dem zweiten, und irgendwann tauchten auch die drei Brüder auf: Tardosch, Morka und Rodar. Ohne großes Aufsehen, aber mit schwerem Schritt und echtem Gruß. Es war kein offizielles Treffen, sondern ein Abend unter Bekannten, fast schon Freunden.

Und dann wurde erzählt.

Über Thorwal, den Sturm auf die Kaiserin der Winde.
Über Prem, den Markt, die Runenhalle, den Ritt durch das Tal.
Über das namenlose Dorf bei Daspota, den grausamen Kult, den dunklen Strand.
Über Orvil, den Nebel, den Druiden, den Schmerz, der noch nachklingt.

Die Zwerge hörten zu. Fragten selten, aber merkten sich jedes Wort. Und als der Premer Feuer in kleinen Keramikbechern kreiste und das Lachen zwischen den Balken der Taverne aufstieg, da wusste jeder: Das war mehr als nur eine gute Geschichte. Das war ein Pfad, den sie gemeinsam gegangen waren.

Als schließlich draußen die Laternen entzündet wurden und der Marktplatz in bernsteinfarbenes Licht getaucht wurde, erhob sich die Gruppe.
Althea, beschwingt, sang die ersten Verse eines alten Heldenliedes – und Keldi und Furka mussten schmunzelnd eingreifen, ehe sie ganz in Gesang zerfloss.
Tondar und Hurdin hielten sich zurück, der eine schweigend, der andere gedankenschwer.
Archon, mit müdem Blick, sagte nichts – aber er blieb am längsten auf den Stufen der Taverne stehen, als sie gingen.

Es war spät, als sie durch die Nacht zurück zur Herberge „Glücklicher Prospektor“ gingen.
Und es war still.
Nicht weil nichts gesagt werden wollte.
Sondern weil *alles* gesagt war.
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#38
Unterwegs mit Zwergen #36
(Versatzstücke)

Oberorken – 15. bis 18. Boron 15 Hal
Die Tage danach

Der Trubel des großen Markttages lag hinter ihnen. Das Gold war gewechselt, die Klingen geschärft, die Mäntel neu gefüttert. Und nun trat etwas ein, das selten war in ihrem Leben: Zeit.

Die folgenden Tage in Oberorken vergingen ohne Takt und ohne Ziel. Ein Morgengrauen wie das andere. Der Regen wechselte mit Sonne, das Pflaster glänzte einmal von Nässe, einmal von Licht. Die Gruppe verweilte – nicht aus Trägheit, sondern weil sie konnte.

Althea saß oft mit aufgestütztem Kinn am Fenster des Eckzimmers, ihre Pergamente entrollt, die alten Notizen aus Prem, die Runen aus dem Tal, die Schatten aus Orvil. Ihre Handschrift ergänzte leise die Ränder der Seiten. Manchmal, wenn Hurdin unten den Holzboden knarzen ließ, hob sie nur eine Braue.

Archon hatte sich das kleine Zimmer am Ende des Flurs genommen. Dort, bei gedämpftem Licht und sorgfältig kontrollierter Zugluft, arbeitete er – mit Reagenzgläsern, getrockneten Kräutern, dünnen Messern. Kein Lachen, kein Schnauben, nur das gelegentliche leise *Klick* von Glas auf Holz.

Keldi wurde mehrfach mit einem Stadtplan gesehen, den er mit einer Genauigkeit studierte, als sei er ein Kriegsdokument. Furka verschwand mittags und kehrte abends mit Geschichten zurück, die kaum zu glauben waren – von einer Spielrunde mit drei Schiffsbauern, von einem Armwrestling mit einem Schafhirten. Tondar wurde gelegentlich im Gespräch mit einem Händler beobachtet, der Salz, Wein und Geschichten verkaufte.

Hurdin besuchte täglich zur selben Zeit den Ingerimmtempel. Er sagte wenig. Aber seine Rüstung glänzte jeden Tag etwas mehr.

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Die Nacht des vierten Tages

Die Laternen waren schon lange entzündet, und der Regen hatte sich wieder über die Dächer der Stadt gelegt, ein beständiges Trommeln auf Holz und Schiefer. Die Herberge war still geworden. Nur der alte Wirt spülte noch unten Krüge.

Dann kam das erste Flackern.

Ein rötlich-violettes Licht zuckte im oberen Stockwerk durch die Ritzen der Türrahmen. Ein dumpfer Laut wie das Brechen von Luft. Murmelnde Worte, rhythmisch, fremd. In der Stille hallten sie wie fernes Donnergrollen.

Zwei Gäste aus dem Süden, spät zurückgekehrt aus der Taverne, blieben im Treppenhaus stehen, als sie das Licht durch den Spalt unter der Tür sahen – jenes Zimmer mit dem Fenster Richtung Westen.

Altheas Zimmer.

Ein letzter Lichtstoß durchbrach den Regen. Dann Stille.

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Am nächsten Morgen war das Zimmer leer. Nur Kreidezeichen auf dem Boden. Runen, die nicht in dieser Welt beheimatet waren.
Der Stab stand aufrecht in der Ecke, eingewoben in dünne Silberlinien, getränkt mit der Aura der Nacht.

Althea war beim Frühstück.
Sie sagte nichts.

Aber ihre Augen glänzten –
nicht vom Schlaf,
sondern von dem, was sie mit der Welt geteilt hatte.

Denn nun war er vollständig.
Der vierte Stabzauber.

Keldi und Archon, die an Fenster saßen, das Geschirr ihres Frühstücks bereits von sich geschoben, winken ihr zu. "Wir müssen einmal nach Vilheim hinunter." begann Keldi. "Archon sagt, die Kräuterhändlerin vor Ort hat nicht alles, was er benötigt. Hurdin hat mit einem der Minenbetreiber gesprochen. Wenn wir uns beeilen, können wir eine Barke nehmen, die heute mit Eisenerz flussabwärts aufbricht..."

Althea stand noch in der Tür des Gastraums, den frischen Morgenduft in den Kleidern, ihre Haare halb geflochten, halb vom Schlaf zerzaust. Als Keldi sprach, legte sie den Kopf leicht zur Seite – aufmerksam, aber noch nicht ganz angekommen in diesem Tag.

„Vilnheim?“ wiederholte sie langsam, während sie sich an ihren Tisch begab und sich neben Archon niederließ, der in seinem ledergebundenen Notizbuch etwas nachzulesen schien. Keldis Blick war ruhig, aber fest, seine Worte deutlich: „Wir wollen nicht lange wegbleiben. Zwei Tage vielleicht. Drei, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Aber das ist eine Gelegenheit – für Archon, für Hurdin, und ehrlich gesagt… auch für mich. Ich will sehen, was unterhalb der Stadt wirklich läuft.“

Archon nickte knapp. „Ich brauche getrocknetes Mordkorn. Es wächst wild in den Felsspalten bei Vilnheim – hier in Oberorken finde ich es nicht. Und das Kräuterweib am Marktplatz erkennt den Unterschied zwischen Gifthauch und Graupelmoos nicht einmal, wenn man sie beißt.“

Ein leises, kehliges Lachen war aus dem Hintergrund zu hören – Hurdin, der mit Tondar gerade in der Ecke der Gaststube eingetroffen war, die schwere Axt über die Schulter geschlungen. „Außerdem haben die in Vilnheim gutes Schwarzbier. Und verdammt gute Bolzen. Rodar meinte, der Zwergenschmied dort schulde ihm noch eine Lieferung. Ich seh mir das mal an.“

Althea sah jeden von ihnen nacheinander an. Ihre Finger fuhren wie in Gedanken über die silberne Spirale an ihrem Stab, während sie sagte: „Dann geht. Ich bleibe. Ich habe zu tun – Träume zu fassen, Gedanken zu ordnen. Und Prem wartet auch noch darauf, dass ich unsere Erlebnisse in eine Form gieße, die Bestand hat. Ich bin eine Weile hier… vielleicht muss ich das auch sein.“

Furka, der gerade mit einem dampfenden Becher Zimttee hereinkam, setzte sich langsam dazu. „Vier Tage. Nicht mehr“, sagte er schlicht. „Wir kehren zurück, bevor die nächste Lieferung von Rodar fertig ist.“

„Wenn es Ärger gibt“, sagte Keldi leise, „bist du bereit?“

Althea lächelte sanft. „Ich war noch nie bereit. Und doch immer da.“

Archon klappte sein Buch zu, steckte es in seine Umhängetasche und stand auf. „Dann hol ich meine Tasche. Ich will vor Mittag an Bord sein.“

Die Gruppe zerstreute sich für den Moment, und Althea blieb einen Augenblick allein zurück, das Morgenlicht auf dem Tisch, das Gespräch noch in der Luft. Ein Abschied auf Zeit – nicht das erste Mal, nicht das letzte.

Aber diesmal, so fühlte sie, ging jeder einen Schritt tiefer in diese Welt. Und vielleicht, in sich selbst.

...die Türe fällt leise hinter ihr ins Schloss, und einen Moment lang steht Althea im dämmrigen Flur der Herberge. Ihre Schritte hallen leise auf dem Steinboden, während sie langsam die Treppe hinaufsteigt, vorbei am Geruch nach frischem Brot und dem schwachen Aroma von geschmolzenem Wachs, das irgendwo im unteren Gang von einer der kleinen Altarlampen stammt.

Oben angekommen lehnt sie sich für einen Moment an den Türrahmen ihres Zimmers, sieht hinaus auf die regennassen Schindeln gegenüber. Ihre Finger spielen kurz mit dem Stoff ihres Umhangs, dann löst sie ihn und lässt ihn auf den Stuhl sinken. Der Raum atmet Stille, vertraut, ein bisschen klamm vom Wetter draußen, aber voller Erinnerung an die letzten Tage – an das Knistern von Magie in der Nacht, an das leise Summen ihrer Stimme, während sie mit Kreidelinien sprach.

Sie zieht die schweren Vorhänge etwas auf, lässt das matte Licht des Vormittags herein. Unten, auf dem Marktplatz, geht das Leben seinen langsamen Gang – ein Händler rollt Fässer an den Rand seines Standes, ein Junge jagt einer übermütigen Ziege hinterher, und aus der Ferne ist der dumpfe Klang eines Hammers zu hören – vermutlich Rodar, der wieder an seiner Esse steht.

Althea setzt sich an den kleinen Tisch im Zimmer. Der Dampf des Teekessels kräuselt sich an der Luft, sie gießt sich ein. Die Wärme breitet sich in ihren Fingern aus. Ihre Gedanken aber wandern weiter: zu Keldi und den anderen, die jetzt wohl auf der Barke sitzen, den Blick flussabwärts gerichtet. Wie es wohl dort sein wird? Welche neuen Düfte, welche Schatten, welche Augenpaare sie in Vilnheim erwarten?

Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Nicht Neid, eher eine leise Sehnsucht – doch auch ein Wissen: Nicht heute. Heute ist sie hier, im Schutz der Mauern, mit Zeit. Zeit für Gedanken, für die Ordnung im Kopf, für das Studium – und vielleicht für einen stillen Spaziergang entlang des Flusses, wenn der Regen nachlässt.

Dann erhebt sie sich, richtet ein paar der Pergamente neu aus, streicht eine kleine Notiz glatt, die sie letzte Nacht mit zitternden Fingern geschrieben hatte. „Stabzauber IV abgeschlossen“, steht dort. Und darunter, klein: In mir glüht noch immer etwas.

Und dann, leise, fast lautlos, beginnt sie zu lesen.
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#39
Unterwegs mit Zwergen #37
(Versatzstücke)

Die Fahrt nach Vilnheim hinunter verläuft recht unproblematisch und geschwind. Die Zwerge sehen die Straße an ihnen vorübergleiten, auf der jetzt linken Seite des Ufers die abgeernteten Felder. Ein kurzer Regenschauer, kurz nach Mittag, kann die Stimmung nicht trüben, als die Zwerge in Vilnheim von Ort gehen. Eine kurze Orientierung auf dem Verladeplatz vor dem Swafnir Tempel, und sie begeben sich zur Ortsmitte, zum großen Platz am Travia-Tempel. Hier trennen sich kurz die Wege. Kelldi Hurdin und Tondar streben dem Schmied Argo, Sohn des Almar, zu, während Archon und Furka zum Kräuterhändler abbiegen.

Sie betreten den Laden, etwas größer als der in Oberorken. Archon konsultiert seine Rezepte und kauft, was er benötigt, um seine alchemistischen Studien fortzuführen. Dann holt der Händler noch aus dem hinteren Teil des Ladens, wo einige Waren in Vitrinen lagern, einige in Blätter verpackte Bündel - das "sündschaft teure Zeug", wie Furka trocken kommentiert, als Archon 100 Dukaten auf den Tresen legt... Er selbst kauft im Auftrag Alfeas noch eine Phiole mit Zaubertrank.

Die anderen haben inzwischen die Schmiede erreicht, aus der das helle Klirren von Metall auf Metall zu hören ist. Der zwergische Schmied hält ein, als sie seine Schmiede betreten. Sie unterhalten sich eine Weile über die Qualität von Waffen, über die Bolzen, die er in Auftrag für Morka in Oberorken fertigt. Sie begutachten die Waren genauer und sprechen über die mangelnde Qualität thorwalschen Stahls, kein Vergleich zu dem aus den Tiefen der Zwergenbingen...

Am Nachmittag treffen dich alle Zwerge wieder an zentralen Platz, und betreteten die Taverne Orkschädel. Obwohl die Taverne gerade erst geöffnet hat, ist sie bereits gut besucht. Viele Bürger nehmen hier eine kleine Mahlzeit ein oder treffen sich nach früh angefangenem, vollbrachtem Tageswerk. Die Zwerge setzen sich erst einmal zu einem großen, verspäteten Mittagsmahl nieder, Dann verschwindet Furka weiter nach hinten, wo er eine Runde Boltan entdeckt hat. Keldi Und die anderen versuchen, ins Gespräch mit dem Wirt zu kommen. Mehr schlecht als recht. Also beobachten sie die Umgebung um sich herum und die Reaktionen der Leute. Als die Abenddengung hereinbricht, nehmen Sie ein Abendbrot, "wohl gerechtfertigt", wie Hurdin brummt, ein. Danach schaffen Sie es dann, sowohl den Wirt als auch einige der Anwesenden ins Gespräch zu vetwickeln und einiges mehr über den Ort die Umgegend zu erfahren. Nach einer angemessenen Mitternachtsmahlzeit, "angemessen", wie Hurdin brummt, bleiben sie noch bis Zum letzten Bier, bevor Sie in die kalte Nachtluft hinaustreten und sich der Herberge Glockenspiel zuwenden.

Der nächste Morgen, die andere Flussseite... "Hier ist wirklich nicht mehr viel...", stellte Tondar fest. Außer ein paar Gebäuden am Fluss besteht Bodon aus Gehöften, die die Felder vor den Hügeln, die zum Steineichenwald hinaufsteigen, bewirtschaften. "Es heißt, es gäbe alle zwei Wochen einen Bauernmarkt." Furka blickte über den leeren Platz "Nicht heute...". "Aber bestimmt gibt es ein gutes Frühstück in der Bauernkneipe da vorne..." Hurdin nickte zu einem Gebäude an Rande des Platzes...

…„Wär’ auch mal was anderes als gebratener Speck und trockenes Brot“, murmelte Keldi und kratzte sich den Bart. Die fünf Zwerge überquerten den stillen Platz, auf dem einige Hühner umherstolzierten, und näherten sich der kleinen Bauernkneipe. Das Holz war wettergegerbt, die Fensterläden schief, aber aus dem Schornstein stieg Rauch, und der Geruch nach warmer Milch und geröstetem Getreide lag in der Luft.

Innen war es ruhig, fast heimelig. Eine alte Bäuerin hinter der Theke sah auf, nickte knapp. „Setzt euch, Jungs. Noch warm vom Herd.“
Sie stellte einen Krug mit Rahmmilch auf den Tisch und begann, Brote mit dick geschnittener Butter, frischem Schnittlauch und einem Krug Apfelmost zu servieren.

Archon ließ den Blick durch die Stube gleiten. An der Wand hingen getrocknete Kräutersträuße, neben dem Kamin stand eine angelaufene Kupferwaage. Er wirkte wach, aber still.
„Sag mal, Hurdin“, begann Furka mit vollem Mund, „wären die Hügel da hinten nicht das ideale Gelände für eine kleine Einsiedelei? Fern, aber nicht zu fern.“
„Wenn du meinst, du brauchst 'nen Ziegenstall und einen Aussichtspunkt auf Nichts“, brummte Hurdin und trank.
Keldi lachte trocken. „Wenn du's baust, komm ich zur Einweihung.“

Draußen hatte sich der Nebel verzogen. Die Vrala glitzerte im Sonnenlicht, und über den Feldern stieg Rauch aus vereinzelten Schornsteinen.
Ein ruhiger Morgen, einer, der atmen ließ.

„Noch ein Becher, Jungs?“ fragte die Bäuerin.
Tondar nickte. „Der Tag ist noch jung.“
Und für einen Moment hatte niemand es eilig.

Währendessen, in Oberorken...

In der Taverne „Am Bodir“ herrscht eine andere Art von Wärme. Sie ist nicht so lebendig und voll wie der *„Glückliche Prospektor“*, aber genauso einladend. Die Gäste hier sind oft älteren Semesters, die mehr an der Ruhe des Lebens interessiert sind als an den geschäftigen Gesprächen des Marktplatzes. Menschen, die hier in Oberorken geblieben sind, die ihre Geschichten kennen und zu erzählen wissen, ohne dass man ihre Neugier für andere noch so schnell entfachen könnte.

Die Wände sind mit dunklem Holz vertäfelt, der Duft von geräuchertem Fleisch hängt in der Luft, und das Rauschen des Flusses ist immerzu in der Nähe, als würde er in die Taverne hinein fließen. Bei Altheas Ankunft bemerkt der Wirt, ein etwas beleibter Mann namens Boris, mit einem schiefen Lächeln, dass sie nicht wie die anderen Reisenden aussieht. Es dauert nicht lange, bis die ersten Gespräche entstehen, vor allem, wenn sie nach dem Wetter fragt, den Fluss und die Schifffahrt ansprechen oder einfach nur den Blick über die Wirbel von goldenen und braunen Blättern wirft, die sich vor der Tür entlangdriften.

Die anderen Gäste – allesamt ein wenig zerknittert vom Leben, mit weichen, tiefen Stimmen – sprechen gerne, teilen ihre Erfahrungen mit einem Kippen des Kopfes, einem langsamen Lächeln. Es sind keine stürmischen Gespräche, aber mehr das Knacken und Knirschen von Erinnerungen, die sich im stillen Raum wie ein vertrautes, lang gezogenes Murmeln breiten. Vielleicht fragt der alte Fischer nach der Reise, nachdem er Althea beim Eintreten aus den Augenwinkeln beobachtet hat, oder ein ehemaliger Soldat murmelt von den Kriegen, die lange zurückliegen.

Althea fühlt sich sofort weniger wie eine Fremde. Die Gespräche sind anfangs verhalten, aber irgendwann, wenn sie sich eine Tasse heißen Tee oder ein dünnes Bier bestellen lässt, ist sie nicht mehr nur die „Magierin von außerhalb“, sondern einfach eine weitere, die das Leben in diesem kleinen Teil der Welt teilt. Die Zeit fließt anders hier.

Und so, während der Regen gegen das Fenster prasselt und das Knistern des Feuers in der Ecke flackert, lässt Althea die Geschichten der anderen um sich herum wehen, sich in die vertraute Stille des Ortes hineinziehen. Kein Trubel, keine Fragen, keine Magie. Nur die gewohnten Gesichter und die Worte, die sie miteinander teilen. Sie fühlt, dass sie hier gut aufgenommen wird – ein winziger Moment des Friedens in dieser weiten, rauen Welt.

Natürlich. Hier ist der Text basierend auf deinen Stichpunkten, retrospektiv und stimmungsvoll gehalten:

Der Tag danach, zwischen Vilnheim und Oberorken...

Furka streicht sich die Kapuze zurück und fährt sich mit der Hand durch das schweißnasse Haar. Irgendwie ging es ihm gar nicht gut. Jeder Schritt schien doppelt zu wiegen, und er atmete schwer, als hätte sich der morgendliche Dunst in seiner Brust eingenistet.

Vielleicht hätten sie doch nicht so viel von dem Eichelschnaps kosten sollen, den die Bäuerin nach dem Mittagsmahl unter der Theke hervorgeholt hatte – eine zähflüssige, grünliche Brühe mit bitterem Nachklang, die mehr nach Rinde als nach Frucht schmeckte. Er war sich nicht einmal sicher, ob er am Ende tatsächlich mehr davon geschafft hatte als Keldi... aber zumindest schien dieser es deutlich besser weggesteckt zu haben, wie er nun mit grimmiger Miene neben dem Karren herstapfte.

Sie eskortierten – wie am Vortag mit Argo, Sohn des Almar, vereinbart – eine frisch geschmiedete Lieferung Bolzen zurück nach Oberorken. Zwei mal zwölf Dutzend, hatte Keldi mit einem schiefen Grinsen festgestellt, „ein Zwergenmaß für den Zwergenkrieg“ gemurmelt und losmarschiert.

Keldi und Tondar gingen vorneweg, in kurzen, entschlossenen Schritten, den Weg kennend. Hurdin ließ seinen prüfenden Blick regelmäßig über die Ladung gleiten, wachsam wie immer, und Furka selbst – nun ja, er schleppte sich eher mit. Fast wie Archon, wenn dieser sich in Gedanken über einen alchemistischen Trank verlor. Nur war es bei Furka heute weder Konzentration noch Studium – es war dumpfer Nachhall. Von Rausch, von Müdigkeit, von einem leisen Grollen im Schädel, das sich wie ein pochender Hammer gegen die Schädeldecke legte.

Er hustete einmal, blechern und trocken.
Aber nichts, was ein guter Schluck Premer Feuer in Ingerimms Feuer nicht wieder zurechtbiegen könnte. Hoffentlich.

Heimkehr nach Oberorken

Die Sonne stand bereits im Zenit, als die Gruppe – müde, staubig und zu großen Teilen leicht lädiert – durch das untere Stadttor von Oberorken zog. Der Karren rumpelte über das Pflaster, Bolzen ordentlich gebündelt auf der Ladefläche. Die Söhne des Grufalm, bereits benachrichtigt, nahmen ihnen am Lagerplatz hinter dem Ingerimmtempel die Lieferung ab. Ein kurzes Nicken, ein paar Worte über Schmiedekunst und Qualität – dann trennten sich die Wege.

Tondar, der sich nie lange mit Übergaben aufhielt, hatte schon auf dem Rückweg an Bier und Boltan gedacht. Er bog in Richtung "Glücklicher Prospektor" ab, öffnete die Tür mit einem angedeuteten Gruß und steckte im Obergeschoss kurz den Kopf durch den Türspalt von Altheas Zimmer.

"Wir sind zurück. Furka hat... naja, reden wir später."

Althea stand zu dem Zeitpunkt bereits auf dem Absatz der Treppe, barfuß, eine Hand am Geländer. Ihr Blick glitt über Keldi, Archon und Hurdin, die gerade eintrafen – und dann fiel ihr Blick auf Furka.

Er saß auf einem niedrigen Schemel in der Ecke, keuchend, bleich, mit glasigem Blick. Die Kapuze war ihm tief in die Stirn gerutscht, der Bart klamm und leicht verfilzt. Ein kaum merkliches Zittern lief über seinen Rücken, und seine Stirn glänzte schweißnass.

"Was habt ihr mit meinem Furka gemacht!?", rief sie, die Stimme zwischen Zorn und Sorge, und Keldi, der gerade einen Witz auf den Lippen hatte, erstarrte.
"Althea... es war... er hat sich ein wenig übernommen."
"Ein wenig?"
"Der Eichelschnaps war... kräftiger als gedacht", murmelte Hurdin.

Doch sie hörte gar nicht mehr zu. Archon hatte sich – wie immer – schon still und kommentarlos davongemacht, eine Einkaufsliste im Kopf, wahrscheinlich bereits beim nächsten Trank. Also blieb es an Keldi und Hurdin hängen, Altheas Blick zu ertragen.

Sie richtete sich auf. "Ihr lasst ihn allein, in diesem Zustand? Alleine in diese Suppe, und dann das da?"
Keldi öffnete den Mund, schloss ihn wieder.
"Na gut", sagte sie trocken. "Dann nehme ich eben Tondar."

Bevor dieser protestieren konnte, hatte sie ihn bereits am Ellbogen gepackt, die Tasche mit der Reiseapotheke entrissen und war mit entschlossener Miene die Treppe hinaufgestiegen.
"Ich... ich wollte eh hoch", murmelte Tondar, leicht überrumpelt.

Oben angekommen, schloss Althea hinter sich die Tür. Furka hob leicht den Kopf, ein müdes, schiefes Lächeln auf den Lippen.
"Du bist zurück", flüsterte er heiser.
"Sei still", sagte sie sanft. "Du bist ein Idiot, aber meiner."

Sie zog ihm die Stiefel aus, tastete vorsichtig seine Stirn ab und schob ein Kissen unter seinen Kopf. Tondar überreichte ihr kommentarlos eine kleine Flasche, Alraunenextrakt, dann eine zweite, ein beruhigender Sud mit Weidenrinde. Sie nickte dankbar.

Draußen, unten vor dem Prospektor, standen Keldi und Hurdin noch eine Weile.
"Ich sag's dir", brummte Hurdin. "Die Magierin hat mehr Zunder als der ganze Eichelschnaps von Bodon."
Keldi seufzte.
"Und wir kriegen jetzt auch noch die Liste ab, was Archon alles vergessen hat."
"Zutaten, oder was?"
"Zutaten, Geduld, Mitgefühl – such dir was aus."

Dann zogen sie los, mit einem letzten Blick zur Tür – als müssten sie sich vergewissern, dass die Standpauke wirklich vorbei war.

Und oben, im dämmrigen Zimmer, flüsterte Althea, während Furka endlich die Augen schloss:
"Nie wieder allein mit Keldi, hast du gehört?"
Ein kaum wahrnehmbares Nicken.
Dann legte sie eine feuchte Kompresse auf seine Stirn, strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und blieb einfach sitzen. Nur für den Fall.

Der Tag war lang gewesen, und der Abend schlich sich über Oberorken wie ein müder Gast, der seine Jacke schon in der Hand hält, aber doch noch eine Geschichte erzählen will. Althea war damit beschäftigt, Furka wieder auf Temperatur zu bringen – mit nassem Lappen, sanften Worten und einem Kessel, in dem Belmart und Weidenrinde zu duften begannen.

Archon hingegen war ganz woanders.

Nicht räumlich – der Raum am Ende des Flurs war eng, kalt, muffig. Aber sein Geist war tief versunken in Zahlen, Dämpfen und Wirkungsgraden. Die kleine Kammer – kaum groß genug für ein ordentliches Bett – hatte sich in ein Labor verwandelt. Reagenzgläser reihten sich auf einem ausbalancierten Regal, Mörser lagen neben Pergamenten, in denen penible Notizen über „extraktive Sättigung in halbtrockener Umgebung“ standen. Ein Heizstein glühte schwach, neben ihm brodelte etwas, das streng nach vergorenem Estragon und Essig roch.

Archons Stimme murmelte Formeln, als könne allein das Flüstern chemische Reaktionen lenken. Dann… ein Zischen. Ein Laut, wie von einem Schluckauf der Welt. Und schließlich: ein Geräusch, wie wenn eine Taverne im Nebel ertrinkt – dumpf, glasig. Ein Klirren. Ein dumpfes fupp.

Der Nebel kam zuerst aus dem Türschlitz. Grau-grün. Zäh wie Suppe. Und roch nach erkaltetem Bienenwachs und verbranntem Apfelwein.

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Im Flur:

„Was zur…“, begann Hurdin. „Das ist Archon“, sagte Keldi nur. Tondar: „Das ist… typisch.“

Der Wirt, vorneweg mit seiner Kerze, wich zurück. „Das ist… das ist... ein Alchemistenunfall! Ich hab’s gleich gesagt, ich hab’s doch geahnt, der mit dem Blick wie’n nasser Schatten…“

Keldi stieß die Tür auf.

Archon stand aufrecht. Seine Haare standen in alle Richtungen, das Gesicht mit Ruß beschmiert. Um ihn herum der Dunst wie ein nachtragender Geist. Zwei Phiolen tropften aus einem zerbrochenen Gestell auf den Boden.

„Ich habe“, sagte Archon sachlich, „einen stabilen Zwischenzustand unterschätzt.“

„Was hast du gemacht?!“, blaffte der Wirt. „Nichts Gefährliches. Nur eine Reaktion zwischen Feldermoos, Finkenscheitelstaub und… eventuell… etwas zu viel Glyrin aus der Reserve.“

„Du kannst nicht Glyrin in einem Wohnhaus verdampfen!“, fauchte Keldi. Archon: „Aber doch in kleiner Dosierung…“ Tondar: „Ernsthaft, wir kriegen nie wieder ein Zimmer in dieser Stadt.“

---

Eine Stunde später:

Die Kammer am Flurende war leer. Fenster geöffnet, Tür ausgehängt. Der Teppich draußen im Hof über dem Zaun.

Archon arbeitete nun im Schuppen.

Zwischen alten Heugabeln, einem verrosteten Fass und einer Ziege, die ihn aus der Ecke misstrauisch beäugte, richtete er seine Retorte neu aus. Es war nicht bequem, aber – wie er Althea später erklärte – „wesentlich besser belüftet“.

Althea nickte nur. Dann warf sie ihm eine Decke zu.

Vier Tage war es still gewesen im „Glücklichen Prospektor“. Still – abgesehen vom gelegentlichen Rumpeln aus dem Schuppen im Innenhof, dem Klappern von Phiolen und dem gedämpften Fluchen eines Mannes, der sich der Logik der Elemente nicht immer beugen wollte.

Dann kam Archon.

Nicht triumphierend – das lag ihm fern. Aber mit einem Beutel aus dunklem Leder, in dem es klirrte wie in einem Heilerhaus zur Mittagszeit. Sechs Phiolen, gefüllt mit farbloser Flüssigkeit, die bei genauem Hinsehen wie flüssiges Licht aussahen. Keine Spur von Nebel. Keine Spur von Unsicherheit.

„Fertig“, sagte er nur, als er die Tür zum Obergeschoss öffnete.

Und Althea – die in den letzten Tagen wieder mit Keldi Karten über das Umland studiert, Vorräte durchgesehen und sich erkundigt hatte, ob das Gasthaus auch für Notfälle gerüstet sei – nickte nur.
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#40
Unterwegs mit Zwergen #38
(Versatzstücke)

Am Abend saßen sie im Gemeinschaftsraum.

Furka lehnte an der Wand, bleich, aber wach. Hurdin hielt ein frisches Stück Brot in der einen und ein Stück Käse in der anderen Hand. Tondar hatte die Stiefel ausgezogen. Archon saß abseits, die Finger an der Kante seines Stabes, das Gesicht neutral.

Und Althea trat vor. Die neue Robe – das tiefe Dunkelrot mit goldenen Stickereien – war nicht prunkvoll, aber sie stand ihr mit einer Art wacher Klarheit. Ihr Blick glitt durch den Raum, dann sagte sie:

„Es kommen kaum noch Reisende durch den Pass. Die, die noch unterwegs sind, sind zu spät dran oder zu arm, um sich einem Konvoi anzuschließen.“

„Wir müssen etwas tun!“ – Altheas Stimme war ruhig, aber der Funke darin ließ keinen Widerspruch zu. Es war nicht Bitten. Es war Aufruf.

Keldi lehnte sich zurück, verschränkte die Arme. „Dann sag’s deutlich, Magierin. Du meinst den Felsteyn-Pass.“

„Ja. Ich mein den Felsteyn-Pass.“

Tondar runzelte die Stirn. „Da drüben, jenseits der Hjaldorberge – bei Orkanger...“

„Genau da“, warf Hurdin ein. „Wir haben von den Räubern gehört. Damals in Felsteyn. Und dann waren da noch die Geschichten mit den Goblins – Überfälle, brennende Wagenzüge, verschwundene Söldner.“

Archon hob langsam den Blick vom Rand seiner Tasse. „Die Spur des Druidengiftes in Orvil. Das Zeichen auf der Klinge. Die Splitter der Maske.“ Er sagte es, als spräche er von einem inneren Muster, das sich nun vollständig abzeichnete.

„Also gut“, sagte Furka leise, „dann hört auf mit dem Halbschatten. Was ist der Plan?“

Althea trat einen Schritt näher. Ihre rechte Hand ruhte am Griff ihres Stabes. Ihr Blick war wach, hell, klar. „Noch ist der Pass offen. Noch ist kein Schnee gefallen. Aber die letzten Händler, die’s versuchen, werden leichte Beute sein – und sie wissen es nicht.“

Sie blickte in die Runde.

„Wir werden nicht patrouillieren. Wir werden nicht ‘helfen’, wie Tavernenhelden das nennen. Wir werden es zu Ende bringen.“

Ein kurzes Schweigen. Dann Keldi, leise: „Wie in Orvil.“

Althea nickte. „Wie in Orvil.“

Archon stand auf. „Dann brauche ich drei Stunden. Ich habe etwas vorbereitet.“

„Ich geh die Stiefel wachsen“, sagte Furka, „aber wehe, ich darf diesmal nicht in die Front.“

„Niemand bleibt zurück“, brummte Hurdin.

Tondar erhob sich. „Wir nehmen den alten Aufstieg über die Waldpfade bei Morgunshöhe. Weniger Sicht, aber schneller.“

Und Keldi? Keldi sagte gar nichts. Er stand nur auf, und das Geräusch, als er seinen Gürtel mit dem neuen Kurzschwert festzog, war Antwort genug.

Es war der 26 Boron, als sie aufbrachen, das Tal der Vrala hinauf. Herbst, mit einem Hauch des Winters, der bereits auf den Hängen der Hjaldorberge lag. Die Tage konnten hier unten im Tal noch mild sein, doch die Nächte waren kühl.

Sie waren gut ausgestattet mit warmer Kleidung aus Oberorken, bepackt mit dem besten, was die Lager und die Schmiede der Söhne des Grufalm zu bieten hatten. Die neuen Armbrüste eingeschlagen gegen die Widrigkeiten des Wetters außer bei Todar oder Keldi, die wir immer voranggingen. Gefolgt von Althea und Furka, der begiering die saubere Luft der umgebenden Wälder einsog. Hurdin und Archon bildeten, schwer bepackt, das Ende der kleinen Gruppe.

Sie kannten den Weg das Vrala Tal hinauf bereits, den Karrenpfad zur linken des Flusses. Etwas über einen Tagesmarsch mit einer Nachtrast in den Wäldern vor Felsteyn.Auf halber Strecke gerieten sie in den Hinterhalt einer Bande Goblins, wobei der Hinterhalt schnell zum Nachteil der Goblin geriet. Als die letzten geflohen waren, kommentierte Keldi nur "Diese Goblins können es ja nicht gewesen sein..." In Felsteyn nächtigten sie eine letzte Nacht unter einem Dach vor dem Anstieg in die Berge. Hier direkt am Gebirge ragten die Berggifel beindrucken empor, die Spitzen ewig im Griff Firuns, das Weiß, das begann sich die Hänge hinunter zu ziehen.

Der Pfad verließ hier den Fluss, wand sich durch den Wald, der schnell in steile bewaldete Hänge überging. Der Pass schlängelte sich ein tief eingekerbtes Tal hinauf, ein böiger Wind trieb ihnen die Kälte des Winters entgegen. Mehr als einmal war Althea dankbar für ihre dicken Handschuhe und die fellgefütterte Kapuze.
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