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Unterwegs mit Zwergen #19 – Der Name des Schiffs
Zwei Stunden war der Kutter bereits der Küstenlinie gefolgt – träge, schwankend, zäh. Ein schwimmender Husten. Furka stand an der Reling, kaute auf einem zu trockenen Stück Brot und spuckte über Bord, als ihm etwas auffiel: ein rundlicher, verfärbter Fleck auf dem Wasser, nicht größer als ein Teller, aber seltsam... leblos.
Der Kapitän – ein Mann mit schlechten Zähnen und einer noch schlechteren Meinung über das Meer – sah kurz hin, zuckte die Schultern und tätschelte mit einem halben Lächeln den Kopf seiner Enteraxt.
„Das kommt schon mal vor.“
Furka und Keldi tauschten Blicke.
Nicht zustimmend.
Nicht beruhigt.
---
Der Angriff kam in der Nacht.
Halbzeit der Reise.
Die Küste im Dämmerlicht, die Klippen der Hjaldorberge warfen lange Schatten auf das Meer.
Niemand schlief richtig. Der Laderaum war zu modrig, zu muffig, zu... lebendig. Also lag die Gruppe an Deck, in Decken gewickelt, halb dösend.
Dann – dieses Geräusch. Kein Knarzen. Kein Brechen.
Etwas... Zähes.
Und dann das Rucken. Das Schiff lief sacht in etwas hinein.
Furka war der Erste, der die Augen öffnete. Ein Reflex, vielleicht. Er richtete sich auf – und sah, wie sich die Tentakel über die Bordwand schoben.
Dann ging alles schnell.
Die tastenden Glieder griffen zu.
Packten.
Rissen.
Althea, noch halb in ihrer Decke, wurde von einem Fangarm erfasst, Archon gleich mit ihr. Tondar und Hurdin, eben noch dösend, sprangen auf – und wurden ihrerseits gepackt. Nur Furka, der sich gerade hatte aufrichten wollen, duckte sich rechtzeitig unter einem Tentakel hinweg und warf sich zwischen Althea und das schleimige Gliedmaß.
Keldi hatte seine Axt noch nicht ganz in der Hand, da riss der Krakenmolch Archon hoch, schleuderte ihn wie ein Spielzeug zurück aufs Deck – wo er hart aufschlug und liegen blieb.
Dann – eine Welle.
Zwei.
Ein Aufbäumen – und ein zischendes Knacken.
Mit einem einzigen Schlag fegte der Molch Hurdin und Tondar über Bord.
Hurdin schrie nicht. Tondar versuchte zu greifen, verfehlte – und klammerte sich dann doch an die Bordwand.
Ein Zwerg kann nicht schwimmen.
Aber kämpfen? Kämpfen kann er.
Furka und Althea rangen im Zentrum des Chaos mit dem Tentakel, das sie zu verschlingen schien. Ihre Dolche blitzten im schwachen Licht. Es war kein koordinierter Kampf – es war ein Überlebensinstinkt.
Keldi, der zuvor systematisch Tentakel abtrennte, warf schließlich die Axt von sich und griff nach Hurdins Arm.
Althea, die kaum mehr Luft bekam, murmelte verzweifelt ein Wort –
„Ignifaxius.“
Und plötzlich –
Feuer.
Schrei.
Der Tentakel zuckte zurück.
Furka taumelte.
Althea sackte zusammen.
Archon lag noch immer reglos auf den Planken.
Tondar keuchte. Hurdin hustete Meerwasser.
Keldi stand mit gespannter Armbrust am Bug – schweigend, wachsam.
„Der war kleiner als der andere“, murmelte jemand.
„Der Kahn ist aber auch kleiner“, kam es zurück.
„Vielleicht... ein Küstenkrakenmolch?“, fragte Archon, als er mit einem Rest vom Hjallander-Wein in den Kreislauf zurückgeholt wurde.
Niemand lachte.
---
Als die Küste von Skjal in Sicht kam, wurde kein Wort mehr gewechselt.
Die Gruppe verließ das Schiff, ohne sich umzusehen.
Nur Althea drehte sich ganz kurz.
Ein Gedanke formte sich, klar, bitter, wahr:
„Reist doch per Schiff“, hatte Garsvik gesagt.
„Das ist viel bequemer.“
Und dann gingen sie weiter.
Landwärts.
Lebendig.
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Unterwegs mit Zwergen #20 – Skjal, wenn nicht hier
Die Sonne war kaum über die Dachfirste gestiegen, als die Gruppe in Skjal an Land trat. Die salzige Gischt vom nächtlichen Überfall klebte noch in den Falten ihrer Kleidung, das Blut an Archons Stirn war nur notdürftig ausgewaschen. Doch ihre Schritte waren fest. Die Planken unter ihren Füßen hatten sich verändert – nicht mehr das weiche, feuchte Holz von Ottarje, sondern solides Dockwerk, Thorwaler Bauweise, gemacht für echte Stürme.
Skjal war nicht groß, aber es trug sich anders. Nicht besser als andere Orte – nur mit mehr Brust. Selbst die Möwen wirkten hier entschlossener.
Althea warf den Umhang über die Schulter, die Harfe an der Seite, den Stab in der Hand, und schritt voraus. Hinter ihr die Zwerge – nicht als Gefolge, sondern als Wand. Tondar und Keldi gingen breitbeinig, Hurdin und Archon etwas zurückhaltender, Furka wie immer zwischen Spiel und Ernst.
Sie fanden die Taverne schnell:
Der Alte Pirat – wettergegerbt, mit einem echten Walrossschädel über der Tür.
Drinnen war es dunkel, warm, mit dem Duft von Fischsuppe, Rauch und Salz. Der Wirt war stämmig, jovial – aber nicht aufdringlich. Er maß Althea mit einem kurzen Blick und schmunzelte. Vielleicht war es ihr Lächeln. Vielleicht ihr Auftreten. Vielleicht auch die Tatsache, dass nur wenige Gruppen so gemischt und doch so selbstverständlich wirkten wie diese.
„Zweites Haus an der Brücke“, sagte er, als Althea nach Jurge Thorfinsson fragte. „Hat euch der alte Isleif geschickt? Dann solltet ihr ihn nicht warten lassen.“
---
Das Haus war schlicht, aber gepflegt. Althea hob den Stab und klopfte zweimal – hart, aber nicht fordernd. Ein Moment Stille. Dann öffnete sich die Tür.
Jurge war jünger, als sie erwartet hatte – kaum älter als sie selbst. Groß gewachsen, mit klaren Augen und einem Blick, der sich nicht senken ließ. Seine Kleidung war schlicht, aber sein Auftreten hatte etwas von einem Mann, der nicht gehorcht, sondern überzeugt. Althea spürte es sofort – kein Gegner, aber auch kein Untergebener.
Sie nannte den Namen des Hetmanns. Zeigte das Empfehlungsschreiben. Ein kurzer Moment des Zögerns – dann ein Nicken, und ein Lächeln, das sich langsam in sein Gesicht schlich.
„Dann kommt herein.“
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Der Raum war einfach, aber in den Regalen stapelten sich Karten, Schriftrollen, kleine geschnitzte Holzmodelle. Jurge sprach klar, mit der Sicherheit eines Mannes, der weiß, was er weiß.
Er kannte die Namen, die sie suchten:
– Yasma Thinmarsdotter, in Thoss
– Ragna Firunjasdotter, in Vidsand
– Swafnild Egilsdotter, auf See
– Algrid Trondesdotter, in Hjalsingor
Und dann – das Unerwartete:
Ein weiteres Fragment der Karte.
Althea nahm es mit beiden Händen, ehrfürchtig, als wäre es mehr als Pergament. Jurge beobachtete sie dabei.
„Grüßt den Hetmann von mir“, sagte er am Ende. Dieselben Worte wie der Kapitän der Skjaldbrud.
Althea lächelte.
Skjal. Wenn nicht hier – wo dann?
---
Als sie wieder auf die Straße traten, legte sich für einen Moment die Stille über die Gruppe.
Sie hatten nicht nur Informationen erhalten –
sie hatten Haltung gefunden.
Einen Ort, der sie ernst nahm.
Eine Stimme, die nicht fragte, ob sie Helden waren.
Sondern ihnen einfach zuhörte.
Skjal war kein Zufall.
Skjal war ein Schritt in Richtung Geschichte.
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Unterwegs mit Zwergen #21 – Hafen der Begegnungen
Es war später Vormittag, als die Gruppe Prem erreichte. Der Küstensegler hatte mit straffer Segelstellung das Meer durchpflügt und bog nun um die schroffen Klippen der Trebaner Halbinsel, die wie ein Wellenbrecher in den Golf von Prem ragten. Hoch über ihnen thronte die Trutzburg, das Wahrzeichen der Stadt – mit ihren Zinnen, dem Tempel der Rondra in der Bastion und einem vorgelagerten Swafnirdom, der über die See wachte. Von dessen Kuppel schoss zu jeder vollen Stunde eine Fontäne in den Himmel – ein Gruß an den Gottwal und ein Zeichen für alle Seefahrer, dass sie unter seinem Schutz standen.
Prem war kleiner als Thorwal, aber geschäftiger, weltoffener. Während Thorwal den Eindruck einer stolzen, ruhenden Hauptstadt vermittelte, vibrierte Prem wie eine Drehscheibe – für Handel, für Geschichten, für Zufälle. Schon beim Anlegen fiel Althea auf, dass man sich in Prem mehr beobachtete, einander einschätzte. Nicht mit Misstrauen, sondern mit Neugier.
Sie schlenderten durch das untere Hafenviertel, über den breiten Markt, der zwischen Kai und Klippen lag. Es roch nach frischem Fisch, Gewürzen und kaltem Metall. Keldi und Hurdin ließen sich von einem Händler neuartiger Ballestras beraten, Furka streifte durch die Gassen auf der Suche nach etwas Essbarem, das weder gesalzen noch getrocknet war. Archon hatte nur ein Ziel – „Der Einbeinige“, ein berüchtigter Kräuterladen, versteckt in einem Nebengässchen. Dort erstand er mehrere Phiolen, und seine Augen funkelten wie bei einem Kind vor der Bescherung.
Althea aber blieb am Stand eines Händlers aus Khunchom stehen, ihre Finger strichen über einen Ballen purpurner Seide, und für einen Moment verlor sie sich in Erinnerungen an goldene Dächer, Marmorbögen und die warme Brise der Küstenstadt ihrer Jugend.
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Die geteilte Nacht
Am späten Nachmittag trennte sich die Gruppe. Althea, Archon und Hurdin wandten sich der Taverne „Bei Hjalskes“ zu – ein ruhiges Haus, etwas erhöht gelegen am Fuße der Klippen, wo sich die Straße nach Skjal in Serpentinen emporwand. Hier kehrten Kaufleute ein, hier wurde leise gesprochen, getrunken, diskutiert. Hurdin schien sich wohler zu fühlen als erwartet, nippte an einem Glas „Premer Feuer“, und als Althea die Harfe zückte, spürte selbst das Personal einen Hauch von Fernweh. Sie spielte eine Weise aus Tobrien, und das Publikum schwieg – andächtig, fast gerührt.
Zur gleichen Zeit tauchten Furka, Keldi und Tondar in den Lärm der „Alle Winde“ ein – eine Hafenkneipe, rau, voll, lebendig. Matrosen, Glücksritter, Händler – alle vereint im Klang von Krügen, Flüchen und Geschichten. Furka fand rasch Anschluss an ein Boltan-Spiel und gewann Runde um Runde, während Keldi und Tondar versuchten, zwischen dem Lärm Gespräche zu führen. Als der Abend kippte, kam es, wie es kommen musste: Streit am Spieltisch. Handgemenge. Tumult. Keldi packte Furka im richtigen Moment, Tondar hielt die Tür auf, und mit einem letzten Faustschlag gegen die Schulter eines übereifrigen Matrosen standen sie wieder draußen – zerzaust, aber stolz.
Die beiden Gruppen trafen sich vor der Herberge „Zur Trutz“, einem Gasthof innerhalb der Vorburg der Trutzburg, direkt neben dem Rondra-Tempel. Ein kurzer Blick, ein Nicken – keine Worte nötig. Nur Altheas leichtes Lallen verriet, dass auch „Bei Hjalskes“ nicht gänzlich alkoholfrei war.
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Reisepläne
Sie blieben zwei Tage in Prem. Die Stadt hatte sie eingefangen – mit ihrer Offenheit, ihren Gegensätzen. Doch dann, mit frischen Vorräten und wieder gefüllten Beuteln, suchten sie einen Fischer, der sie weiter entlang der Küste bringen konnte. Die nächste Etappe sollte sie zur Insel Runin bringen.
Furka Frage war „Was?“
und
„Was sollen wir denn da?“
Furka ließ sich zurück plumpsen, seufzte und murmelte: „Nächste Mal kaufe ich mir ein eigenes Schiff.“
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Unterwegs mit Zwergen #22 – Die Stille vor dem Sturm
Der Wind stand günstig, und das Wasser war glatt wie poliertes Glas, als der alte Fischer sein Boot ein weiteres Mal in die See stieß – diesmal mit der Trebaner Halbinsel im Rücken, die Gruppe fest an Bord. Aryn verblasste rasch, wie der Nachhall eines Gedankens, der sich beim Aufwachen verliert. Althea saß vorn an der Reeling, ihr Blick zum Horizont gerichtet, wo die dunkle Linie Runins schon zu erahnen war. Neben ihr ruhte Archon mit geschlossenen Augen – der salzige Wind schien ihm mehr zu geben als jede Tinktur.
Furka schnaufte. „Das war Aryn“, sagte er, als müsse er das Kapitel selbst beschließen. Und dann, eine Weile später, als das Meer sanft gluckerte: „Es kann nur besser werden.“ Niemand widersprach.
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Runinshaven – Der tiefste Punkt
Runinshaven lag wie eine funktionale Geste am nördlichen Zipfel der Insel. Kein Dorf, keine Straßen – nur Kai, Lagerhäuser, ein paar Karren. Und die Taverne. Furka, der sich beim Einlaufen des Bootes bereits misstrauisch vorbeugte, zuckte zusammen, als der Fischer erwähnte, dass es hier keine Herberge gäbe.
„Was?!“, kam es fassungslos. „Was ist das für ein Ort?!“
„Ein Ort, an dem man bleibt, solange das Schiff lädt“, entgegnete der Fischer trocken. Doch bevor Furka seinen Unmut in Worte fassen konnte, hatte Althea bereits den Golddukaten gewechselt – unauffällig, elegant – und der Fischer lächelte. „Ich warte. Aber nicht zu lange.“
Mit diesem Versprechen hellte sich Furkas Stimmung merklich auf. Und tatsächlich – der Hafen war in Bewegung. Ein Schiff hatte soeben entladen, ein anderes lag bereit zum Ablegen. Seeleute zogen fluchend und lachend in die Taverne, und ehe jemand reagieren konnte, war Furka Teil dieses Stroms – ein Tropfen in der Flut.
Die „Taverne zum Golf von Prem“ war laut, warm, überfüllt – aber lebendig. Furka saß bald mit einem halben Dutzend Seeleuten am Tisch, Würfel flogen, ein Becher nach dem anderen wurde geleert, und Keldi und Tondar mussten mehrfach ansetzen, um ihn aus einem sich anbahnenden Streit zu ziehen. Archon versuchte, dem Wirt Informationen über die Insel zu entlocken – doch es blieb bei losen Gerüchten und einem Achselzucken: „Runin? Da gibt’s nur den Leuchtturm. Und das, was dahinter liegt… geht euch nichts an.“
Als die Hafenwachen das letzte Schiff für die Nacht ausriefen und der Wirt die Taverne räumte, fanden sich alle wieder auf dem dunklen Kai ein. Der Fischer wartete unter einem Steg, die Laterne seines Bootes war das einzige Licht weit und breit.
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Leuchtturm Runin – Der Außenposten
Als sie aufwachten, hatten sie die halbe Insel umrundet. Der Fischer nickte ihnen zu, als sie aus den Decken krochen, und deutete stumm auf das Land voraus. Der Leuchtturm stand einsam auf einem windumtosten Felsen, das Meer der Sieben Winde rauschte dahinter, endlos, formlos. Es war der Rand der bekannten Welt – zumindest für Thorwaler Verhältnisse.
„Hier ist Endstation“, sagte der Fischer. „Ich fahr jetzt fischen.“
„Hütet euch vor dem Krakenmolch!“, rief Keldi ihm hinterher, halb im Spaß, halb in Erinnerung.
Die Gruppe stand da. Nur Wind. Nur Wellen. Nur Stein.
Althea war es, die als Erste die Stille brach. Sie kam aus einem kleinen Versorgungsschuppen zurück, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und ein Schimmer lag in ihren Augen.
„Der Händler dort… er hat es bestätigt. Garsviks Geschichte. Das alte Versteck. Die Piratenhöhle.“
Ein Innehalten. Die Luft knisterte.
„Irgendwo hier auf Runin“, sagte sie leise, „liegt etwas begraben, das nie hätte vergessen werden dürfen.“
Furka fuhr herum, der Wind zerzauste sein Haar. In seinen Augen: Licht. Kein Lachen. Kein Spott. Nur dieser eine Ausdruck: Jagdfieber.
„Na endlich.“
Und mit einem Mal war die Leere verflogen.
Vor ihnen lag die Insel.
Und irgendwo darin:
Die Dunkelheit der Vergangenheit.
Und das Versprechen von Gold.
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Unterwegs mit Zwergen #23 – Asche, Flammen, Finsternis
Runin war still. Der Wind strich kaum hörbar durch das spärliche Geäst, das den felsigen Höhenzug der Insel säumte. Als die Gruppe jenen dunklen Felsspalt erreichte, aus dem der Pfad nach unten führte, war da nicht das Gefühl von Entdeckung. Es war ein Sog. Kein Ruf, sondern ein Ziehen – nach unten, dorthin, wo der Stein nicht nur kalt, sondern... geprägt war.
Die ersten Räume schienen, wie erwartet, von Piraten genutzt worden zu sein. Truhen, Schlaflager, ein schmaler Aufenthaltsraum. Und doch war da dieses Flimmern im Hinterkopf. Dieses leichte Schwanken, als würde sich etwas unter der Oberfläche regen. Zwei Piraten versuchten, den Zugang tiefer in die Anlage zu versperren. Vergeblich. Doch Tondars Bemerkung blieb haften: *„Hier ist seit Langem keiner mehr lang.“*
Sie gingen weiter. Der Gang wurde enger, dann wieder weiter. Hallen taten sich auf – groß wie Schreine, aber leer. Grob behauene Stufen führten tiefer, dann ein kurviger Gang, übersät mit Fallen, deren Konstruktion älter wirkte als jede Piratenkunst. Am Ende ein Vorratsraum – Tränke, alchemistisch und unheimlich rein. Nicht aus dieser Zeit.
Und dann geschah es.
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Der Dämon
Die Halle war weit und voller Schatten. Zwei Augen leuchteten auf – ein schwarzes Gewand, ein zuckender Lichtblitz: Schwert und Peitsche. HESHTHOT, donnerte es in Altheas Verstand, ein Name, nicht ausgesprochen, sondern hineingebrannt.
Die Zwerge wichen instinktiv zurück. Althea trat vor. Ihre Faust schloss sich, der Zauber entfesselte sich. Der Dämon zerfiel – nicht einfach. Es war, als risse jemand ein Siegel auf. Das Schwert klirrte auf den Boden. Die Peitsche windete sich noch eine Weile.
Niemand rührte sie an.
*„Welche Piraten lassen sich mit Dämonen ein?“* Es blieb unbeantwortet.
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Die Alkoven
Dann kam der Gang.
Er war nicht breit, nicht lang – aber rechts und links: Nischen. Schatten. Stille. Doch als sie mittig schritten, wurde der Raum lebendig.
Ein Kratzen. Ein Zischen. Bandagen knisterten, Knochen ächzten. Mumien.
Sie kamen von allen Seiten. Furka drehte sich, Keldi wich zurück. Die Zwerge formten ein Quadrat, Rücken an Rücken. Die Dolche klirrten, Bolzen schlugen ein. Und inmitten der Flammen, Asche, Schreie – Althea.
Sie brannte.
Ein Flammenstrahl auf die Mumie vor Furka. Zwei weitere schossen an Archon vorbei, der sich hechtend zu Boden warf. Eine Phiole klirrte auf den Stein. Althea atmete stoßweise. Noch ein Strahl. Noch einer.
Eine Mumie ging brennend zu Boden. Dann war es still. Nur Rauch.
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Aber es war nicht vorbei.
Ein schleifendes Geräusch. Weitere Mumien schälten sich aus der Schwärze.
Althea warf sich vor Archon. Ein Flammenstrahl. Noch einer – über ihre Schulter. Die Umhüllung brannte, brannte hell, das Holz ihres Stabes glühte. Die Zwerge errichteten eine Linie, rangen mit bloßen Händen und klirrenden Klingen. Keldi wurde in die Enge gedrängt – *„Keldi!“*, schrie Althea. Und der letzte Strahl – der Letzte – verbrannte das Unheil.
Dann – nur noch ihre Stimme.
Nur noch Furkas Hände an ihren Schultern.
Und als Althea aufblickte, waren ihre Augen schwarz.
Nicht verletzt. Nicht verwundet. Nur leer – wie aus einem anderen Ort blickend.
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Die Basilika
Sie verließen den Gang. Die Luft war stickig, das Licht spärlich. Die große Halle vor ihnen: rau behauen, mit mächtigen Pfeilern. Eine Basilika – keine natürliche Höhle mehr. Archon sprach leise. *„Diese Alkoven... das war keine Piratenkunst. Das war Bannwerk.“*
Im Süden: Kammern. Hinterräume. Räume voller Moder. Und weitere Untote.
Zombies. Skelette. Mumien.
Welle um Welle.
Und diesmal war es anders.
Furka und Keldi warfen sich schützend vor Althea, die zurückhielt – gebrochen? Oder wachsam? Die Zwerge kämpften, formierten sich, das Echo ihrer Bolzen hallte wie Glockenschläge durch das Steinrund.
Keldi schwieg. Seit jenem Gang hatte sich etwas in ihm verändert. Archon zwang ihm Heilkräuter auf, doch seine Augen blieben starr – suchend.
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Der Abstieg
Ein letzter Raum. Eine weitere Kammer. Kämpfe, enge Gänge, der Geruch von alten Fellen und fauligem Stein.
Dann, eine Tür.
Althea war es, die sie als Erste sah. *„Dort…“*, hauchte sie.
Furka nickte.
Sie traten näher.
Eine Treppe.
Hinab.
Kein Wort. Nur Blicke. Nur das Wissen: *Nie wieder durch die Alkoven.*
Und die Gewissheit: Was sie bis hierher geführt hatte, war nicht mehr Gier. Nicht mehr Auftrag.
Es war die Erkenntnis, dass das, was unter ihnen lauerte, vielleicht… etwas war, das sie nie hätten wecken dürfen.
Aber jetzt waren sie da.
Und niemand wollte mehr umkehren.
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Unterwegs mit Zwergen #24 – Das letzte Licht von Runin
Sie hatten die Tiefe betreten in der Annahme, auf Piraten zu stoßen. Räuber, Halsabschneider, Gold. Vielleicht eine Falle oder zwei. Was sie fanden, war ein anderes Kapitel der Welt.
Es begann mit Schwefel.
Furka war der Erste, der es roch. „Riecht ihr das?“, hatte er gefragt, eher ungläubig als vorsichtig. Doch keiner antwortete, denn alle hörten es: Ein Rasseln, weit unten, wie Ketten auf Fels. Ein Klang, der sich in die Nerven schlich. Kein Klirren, sondern… Geduld.
Die Stufen, die sie dann hinabstiegen, wirkten wie aus einer anderen Zeit. Nicht wie Zwergenwerk, sondern wie etwas, das sich in Stein gebrannt hatte. Sie kamen in eine Höhle, deren Wände das eigene Licht zu schlucken schienen – bis der Raum selbst zu leuchten begann.
Furka war vorgelaufen. Aus Instinkt, aus Gier, aus Pflicht. Aber als er den Schatz sah, vergaß er zu atmen. Es war nicht das Gold. Nicht die Phiolen. Nicht einmal die seltenen Edelsteine, die selbst einen Zwergenmeister hätten weinen lassen. Es war das Wesen, das darauf ruhte.
Ein Drache.
Nicht in Glanz und Zorn. Sondern in Dunkelheit und Würde.
Nicht aus Märchen. Sondern aus Geschichte.
Die Gruppe kam hinzu, stumm. Althea war es, die das Schweigen durchbrach. Der Drache sprach. Und sie antwortete.
Ein Pakt.
Freiheit gegen Schlüssel.
Gnade gegen Mut.
Dann das Geräusch. Schritte. Stimmen. Flüche. Die Piraten, die ihn einst gefesselt hatten, kehrten zurück. Die Gruppe wartete in der Dunkelheit. Die Zwerge mit angehaltenem Atem, Althea mit einem Blick, der Funken trug.
Der Kampf war kurz. Brutal. Archon in den Schatten. Die Brüder in Linie. Althea inmitten der Flammen.
Dann war es vorbei.
Der Schlüssel…
Ein Klick, ein sirrendes Echo wie aus einer anderen Welt – und der Drache war frei.
Er sprach noch einmal. Von Dank. Von Wehmut. Und von Aufbruch. Dann entfaltete er seine Schwingen, erhob sich durch die Höhlendecke und verschwand in der Nacht. Nur der Glanz seines Schatzes blieb.
Die Gruppe blieb zurück.
Kein Weg durch die Decke.
Und… niemand wollte durch die Alkoven zurück.
Sie suchten. Stundenlang. Durchschritten jeden Winkel der Tiefe. Fanden schließlich eine Nische in der südlichen Wand, und eine Treppe, die nach oben führte. Jüngerer Bau, schwer verbarrikadiert. Sie drückten sich hindurch… Und fanden sich wieder:
Am Rand des Alkovenganges.
„Das ist doch der Gang zu den Alkoven!“, flüsterte Althea.
„Aber von dieser Seite“, antwortete Furka trocken.
Sie sahen sich an. Dann stemmten sich drei Zwergenrücken gegen die schweren Türflügel.
Ein Knarren, ein Dröhnen.
Althea trat vor, ritzte mit ihrem Stab ein Zeichen in das Holz. Ein Bann. Kein Schutz. Eine Warnung.
Niemand sollte je wieder hier eintreten.
Dann, Stufen. Grob gehauen. Und oben: fahles Mondlicht.
Sie verteilten Proviant, legten sich nieder.
Unruhiger Schlaf, voller Asche, voller Träume.
Sie verließen Runin am Morgen.
Müde.
Aber verändert.
Und weit hinter ihnen, verborgen im Dunkel, lag ein Tor, das sich nur mit Magie öffnen ließ. Und selbst dann – wer wollte es noch?
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Unterwegs mit Zwergen #25 – Trutzige Tage
Die glühende Kante der Sonne kroch über die Zinnen der Trutzburg, als Althea und die Zwerge nach langen Tagen auf See und dunklen Prüfungen in Runin endlich wieder festen Boden betraten. Prem empfing sie mit dem aufgeregten Puls einer Hafenstadt am Rand der Welt – schwer von Gerüchen, Stimmen, Gewürzen. Hoch über allem: der Dom des Swafnirtempels, dessen stündliche Wasserfontäne das Ankommen feierlich besiegelte.
Tag 1 – Der Aufstieg zur *Herberge Zur Trutz* war zäh, aber erhebend. Althea sprach wenig, lächelte nur sanft bei der Zimmerwahl. Furka bezahlte mit einem Beutel Gold, das noch nach Drachenatem roch. Die Zimmerflucht lag über dem Hafen, mit weitem Blick auf den Strom und die vorgelagerte See. Am Abend sammelte Althea schweigend die besonderen Fundstücke der Höhle ein – Runenstahl, Smaragdring, Kettenhemd. Ihre Augen glänzten im Halbdunkel, ihr Lächeln war geheimnisvoll.
Tag 2 – Während Althea hinter geschlossener Tür in ihre magische Arbeit versank, zogen die Zwerge in die Stadt. Der Verkauf der mundanen Beute ging schnell vonstatten – mit Keldi als Verhandlungsführer war auch der letzte Händler geneigt, die Preise zu „überdenken“. Danach zog es sie zur Rückseite der Taverne der Hjalkes – dorthin, wo Premer Feuer in Fässern verkauft wird. Zwergischer „Fabrikverkauf“, wie Tondar es nannte. Und dann: Zurück zur Trutz. Die erste Flasche wurde noch im Treppenhaus geöffnet.
Nächte 2–5 – Während draußen die Möwen krächzten und die Stadt langsam in die letzten Sommerwochen überging, verköstigten die Zwerge mit wachsender Leidenschaft das Premer Feuer. Furka bestand darauf, jede Flasche zu taufen, Hurdin schrieb eine Liste der „brennendsten Runden“, Keldi trank mit der Ruhe eines Priesters. Althea jedoch war nur ein Schatten. Sie trank abends einen kleinen Schluck Zaubertrank, wandte sich dann den Artefakten zu. Runen leuchteten unter ihrer Hand, ihre Finger strichen sanft über das Kettenhemd, als lausche sie. Der Alltag wurde seltsam zweigeteilt – draußen Schnaps und Anekdoten, drinnen Flüstern, Analyse, tiefe Stille.
Tag 6 – Das Premer Feuer war zur Neige gegangen. Die Stimmung in der Suite kippte ins Rastlose. Althea antwortete kaum noch, selbst Tondars Versuche, sie mit einem improvisierten Zwergenlied aus der Reserve zu locken, scheiterten. Schließlich packten die Zwerge wortlos ihre Sachen. Sie wussten, was zu tun war. Bergausrüstung wurde organisiert – Schaufeln, Helme, Hacken. Die Liste war lang, der Ehrgeiz größer. Nur Keldi murmelte beim Bezahlen etwas von „den Händen Ingerimms“.
Nacht 6 – Althea, noch immer in ihrer Welt, analysierte bis tief in die Nacht. Die Aura des Rings war ihr wie eine Melodie, das Schwert wie ein alter Schwur. Nur die Schatten in ihrem Zimmer wussten, dass sie in jener Nacht mit der Klinge tanzte – Harfe in der einen, Schwert in der anderen Hand.
Tag 7 – Es roch nach Metall, als Althea am Morgen endlich ihr Zimmer verließ. Die „Studierstube“, wie die Zwerge sie inzwischen nannten, lag hinter ihr. Vor ihr: Geschäftigkeit. Hurdin sortierte Werkzeuge, Tondar knüpfte Gurte, Keldi passte Furka den Helm an. „Kommst du mit?“ fragte er schließlich – mit einem Grinsen, das nichts Gutes verhieß. Althea blinzelte, gähnte. „Wohin mit?“ „Der Stollen. Am Fluss. Der gehört doch wohl uns.“
Nacht 7 – Althea saß bei Kerzenlicht, die Ergebnisse ihrer Analyse sorgfältig niederschreibend – der Gürtel, der stärkt. Das Kettenhemd, das schützt. Der Ring, der schweigt. Sie sah auf. Die Zwerge schliefen bereits in voller Montur. Etwas in ihr war erwacht. Vielleicht war es der Sog der Neugier. Vielleicht war es das Schwert.
Tag 8 – Die Stadt Prem war in goldenes Licht getaucht, als die Gruppe aufbrach. Althea, halb wach, halb bereit. Keldi voran. Zielstrebig, als wäre es eine heilige Pflicht, überquerten sie Brücken und Straßen, Märkte und Wege – bis zum westlichen Flussufer, wo der alte, verfluchte Stollen wartete. Vielleicht ein Gerücht. Vielleicht eine Falle. Aber sicher: ein Abenteuer.
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Unterwegs mit Zwergen #26 – Nachklang in Prem
Vierzehn Tage lagen hinter ihnen. Zwei Wochen zwischen dem Erbe des Drachen und dem Blick auf das, was vor ihnen lag. Prem hatte sie empfangen wie ein alter Freund: mit offenen Armen, gutem Essen, festen Betten – und der Ahnung, dass das Leben auch anders sein konnte als kalte Gänge, alte Hallen und finstere Höhlen.
Doch die Zwergenruhe war trügerisch. Als Althea sich weiter in ihre Studien vertiefte – Stunde um Stunde, Tag um Tag – wuchs bei den Zwergen der Drang nach Bewegung. Und so war es Keldi, der schließlich sagte, was alle dachten: „Wenn wir jetzt nicht bald etwas tun, wächst uns noch Moos am Bart.“
Am Ufer des Isleif, dort, wo sich das Land weitete und die Stadt in die Vororte überging, lag ein verlassener Stollen. Die wenigen Planken am Eingang wirkten eher wie Einladung denn wie Warnung. Hurdin musterte die Verstrebungen fachmännisch, brummte anerkennend. Dann verschwanden sie in der Dunkelheit.
Es war, wie Furka es später ausdrückte, ein Abenteuer „fürs Gefühl“. Immer wieder endeten Gänge abrupt oder waren von Erde verschüttet. Dann griffen Schaufel, Hacke und Zwergengeist ein. Dass dabei gelegentlich weitere Gänge einstürzten, wurde eher mit einem schnaubenden Lachen quittiert als mit Sorge. Nur Althea seufzte einmal hörbar – „Zwerge“ – und konzentrierte sich weiter auf ihre Rolle am Rand.
Als sie in die tiefere Kammer vordrangen, die Hurdin ehrfürchtig „die innere Mine“ nannte, wurde das mit Premer Feuer begossen – natürlich. Selbst der Umstand, dass der ehemalige Aufenthaltsraum samt Skeletten nur ein paar verrostete Werkzeuge hergab, konnte die Stimmung nicht trüben. Man hatte es getan. Man hatte sich durchgekämpft. Das war, was zählte.
Zwei Tage später verließen sie den Stollen. Die Zwerge lachten, schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, Althea blickte wortlos auf den nächtlichen Himmel über Prem. Die Monde standen über der Trutzburg wie zwei Wächter über einer Stadt, die ihnen all das geschenkt hatte – Ruhe, Müßiggang, Erkenntnis.
Althea zog sich für zwei weitere Nächte zurück. In ihrer Kammer, die inzwischen niemand mehr betrat ohne anzuklopfen, bereitete sie sich vor. Die Runen auf ihrem Stab leuchteten schwach, als sie den dritten Stabzauber band – ein uraltes Ritual, mit ruhiger Hand und klarer Absicht. Währenddessen verkauften die Zwerge die Ausrüstung aus der Mine, versetzten die Grubenhelme und Schaufeln, tranken einen letzten Becher Premer Feuer auf dem Markt, wo Archon lächelnd den Wurfdolch an sich nahm.
Der Gürtel und das Schwert blieben bei Althea. Noch. Der Ring und das Kettenhemd – zu wenig von Nutzen – wurden versilbert. Das Gold wurde aufgeteilt, aber niemand zählte genau. Prem war nicht Ort des Gewinns gewesen, sondern Ort der Genesung.
Am letzten Tag stand die Gruppe noch einmal auf dem Marktplatz. Archon kehrte mit einem kleinen Päckchen Kräuter zurück – kostspielig, aber notwendig. Althea hob nur eine Braue und murmelte: „Ich hoffe, das sündhaft teure Zeug hält, was es verspricht…“
Dann, am Morgen des fünfzehnten Tages, schulterten sie ihr Gepäck. Der Weg führte hinab, durch vertraute Gassen, am Swafnirdom vorbei, wo der Springbrunnen noch einmal hochstieß, als wollte er sie segnen. Im Hafen wartete ein Seelenverkäufer – 115 Stunden nach Thorwal. Ein Lächeln huschte über ihre Gesichter.
„Das ist doch ein Zeichen“, sagte Tondar.
Althea blickte über den Golf von Prem, als wollte sie ihn ein letztes Mal ganz in sich aufnehmen. Dann trat sie an Bord. Der Weg ging weiter.
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Unterwegs mit Zwergen #27 – Der Tag, der einfach war
Der 5. Travia 15 Hal begann mit dem leisen Grollen alter Schiffsbalken, das langsam in den Erinnerungen der Nacht verklang. Noch war die Gischt des Krakenmolchs nicht aus dem Gedächtnis gewaschen, noch hallte Furkas röchelndes „Kein Fluch, wie…“ in den Köpfen nach – doch der neue Tag in Thorwal ließ all das langsam verblassen.
Während die Zwerge ihren Erholungspflichten nachgingen – Vorräte auffüllen, die Seebeine sortieren, dampfende Frühstücke verschlingen – war Althea schon auf dem Weg. Ihr Umhang umspielte sie wie eine Erinnerung an etwas Leichtes, Freies. Der Weg führte sie bergab durch Thorwals wuchtige Straßen, hinunter zum alten Stoerrebrandt-Kontor, wo sie ihre Schulden tilgte. Silber klirrte, und das Gold des Drachen fand seinen Weg in eine eiserne Kiste – nicht aus Gier, sondern mit der Stimme ihres Vaters im Hinterkopf: "Für Notfälle."
Ein sanftes Licht fiel durch die hohen Fenster des Tsa-Tempels, als Althea später in der Kühle der Steinhalle saß. Zwischen Friesen und duftenden Kräuterbecken verweilte sie, verlor sich in Gedanken, die niemand sehen konnte. Die Geweihten sahen sie kommen – nicht gebrochen, nicht kämpferisch. Gewachsen. Das Mädchen, das einst ihre Mutter am Arm hielt, war noch in ihr, aber sie blickte jetzt anders.
Später trat sie durch die Nebentür in die Taverne des Hotel Vier Winde. Vormittagslicht tanzte auf Pergamenten. Althea saß allein am Fenster, die Finger suchten nach alten Einträgen im Reisetagebuch, nach Linien auf Karten, nach Logik in einer Welt, die ihr immer wieder Rätsel aufgab. Es war still, so angenehm still.
Als sich der Gastraum zu füllen begann, zog sie sich zum Kamin zurück. Dort, in einem Licht-Schatten-Spiel aus Glut, goldenem Haar und angedeutetem Lächeln, nahm sie ihre Harfe. Der Klang war leise, intim – nicht für die Zuhörer gespielt, sondern für sie selbst. Doch der Raum hörte zu. Immer mehr.
Und dann kamen sie. Die Zwerge. Ihre Stiefel polterten weniger als sonst. Keldi ließ sich zuerst nieder. Der Tisch in der Ecke, erhöht, abgeschirmt – ein Kommandozentrum in friedlicher Mission. Bierhumpen kamen, heiß. Dokumente wurden ausgerollt. "Keine Schiffe mehr", sagte Keldi. Und alle nickten.
Über Karten hinweg, zwischen dampfenden Schüsseln und dichten Rauchschwaden, wurde entschieden: Es geht nach Norden. Nach Thoss. Über Berge. Natürlich über Berge.
Und als sie gegen Mitternacht die Stufen zur Herberge hinaufstiegen, war etwas beschlossen worden, das größer war als ein nächstes Ziel: Althea hatte sich gefunden. Für einen Tag lang. Und vielleicht war das alles, was sie wirklich brauchte.
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Unterwegs mit Zwergen #28 – Herbstwind über dem Golf von Prem
Es war der Morgen des 6. Travia 15 Hal, als Althea und die Zwerge die Tore Thorwals hinter sich ließen. Zwei Nächte im „Vier Winde“ hatten ihre Spuren der Seereise verwischt, der Klang der Harfe hatte die Schatten des Krakenmolchs vertrieben. Nun lockte die Straße – und das unbekannte Land dahinter.
Der Herbst lag in der Luft, doch der Sommer hielt noch stand. Zur Linken funkelte immer wieder das Meer zwischen den Bäumen, zur Rechten leuchteten Felder in sattem Grün. Ein stiller, klarer Tag, an dem die Welt größer schien als sonst.
Die erste Rast kam früh – ein Wäldchen nahe der Küste bot Schutz für die Nacht. Am nächsten Morgen erreichten sie Vaermhag, wo sie sich noch einmal stärkten, um am dritten Tag die Herberge "Golfblick" hoch über der Küste anzusteuern. Es war ein guter Ort, ein freundlicher Ort – vielleicht der letzte dieser Art auf dieser Route.
In Varnheim füllten sie ihre Vorräte auf. Heilkräuter fanden sie, aber keine Bolzen. Die Stirnen der Zwerge legten sich in Sorgenfalten, doch es musste reichen. „Thorwaler“, brummelte Keldi missbilligend. „Alles Jäger. Kein Kriegervolk.“
Althea schwieg – aber sie merkte sich den Mangel.
Der Weg nach Norden wurde rauer. Als sie Daspota erreichten – oder besser, die Aussicht darauf – berieten sie sich kurz und entschieden dann, die verfluchte Stadt weiträumig zu umgehen. Kein unnötiges Risiko. Kein Stolz, der den Verstand trübte. Nur der gerade Weg, und das Überleben.
In einem Wäldchen westlich des Flusses Rybossl verbrachten sie eine Nacht, weit abseits aller Siedlungen, unter einem Dach aus Sternen.
Der nächste Tag brachte Veränderung:
Die Bäume traten zurück, das Land stieg an, und die Hjaldorberge wuchsen vor ihnen empor, ein Bollwerk aus Stein und Eis, das den Himmel zu stützen schien.
Und dann: die Begegnung mit der sterbenden Abenteurerin.
Ihr flüchtiger Bericht von einem Schatz, von Fallen und Tod, hallte noch in Altheas Gedanken nach, als sie sie am Hang beerdigten.
Ein Schwert als Grabstein. Ein stilles Versprechen an einen Geist, der nicht umsonst gefallen sein sollte.
Schließlich erreichten sie Rybon – einen geisterhaften Ort, der mit Einbruch der Dunkelheit in sich selbst verkroch. Aber der Wirt der kleinen Herberge hatte ein Herz für Altheas Lächeln, und so fanden sie doch noch ein warmes Lager für die Nacht.
Am nächsten Morgen – heute – standen sie an der Schwelle.
Vor ihnen nur noch Pfade, Geröll, Schneefelder.
Und vielleicht, irgendwo da draußen, ein Schatz, der einer verlorenen Seele den Frieden bringen würde.
Doch all das war Zukunft.
Jetzt zählte nur, dass sie gemeinsam hier standen.
Und dass sie bereit waren, weiterzugehen.
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Unterwegs mit Zwergen #29
(Rybon–Thoss: Abschnitt 1 – Das Geheimnis der Berge)
Sie waren aufgebrochen bei erstem Licht,
das silberne Band der Rybossl stets an ihrer Seite.
Bäume wurden seltener,
die Felsen griffen nach ihnen,
und in der Kühle des beginnenden Herbstes
zogen sie tiefer hinein in das wilde Herz der Hjaldorberge.
Dann —
eine Entdeckung, fast übersehen:
Ein gewebtes Geflecht aus Weidenruten,
schlecht verborgen zwischen Stein und Wurzel.
Ein versteckter Zugang, der abseits des rauen Passes lag.
Altheas Stab tauchte die Dunkelheit in fahles Licht,
und einer nach dem anderen traten sie ein
in das, was unter der Erde lauerte.
Kaum hatten sie die erste Biegung genommen,
stürzten drei Piraten aus einer Nische auf sie zu,
verzweifelt, roh, aber schlecht vorbereitet.
Der erste Schlag, die erste Salve,
und die Stille kehrte zurück.
Hinter dem ersten Widerstand:
Wohnbereiche, Vorratskammern, eine Waffenkammer,
die von einem Leben zeugten, das sich im Verborgenen eingerichtet hatte.
Gerüche von altem Bier, feuchtem Stein und kaltem Eisen lagen in der Luft.
Sie stießen auf weitere Grüppchen —
völlig unkoordiniert,
überrascht von der Entschlossenheit der Eindringlinge.
Furka vorneweg,
Keldi und Tondar an den Flanken,
Althea in der Mitte,
Archon wie ein Schatten in ihrem Rücken,
Hurdin, das Bollwerk.
Dann:
Türen, schwer und verriegelt,
Fallen, die mit geübtem Blick entschärft wurden,
oder, wo nötig, mit sanfter Magie bezwungen.
Ein weiteres Gefecht, eine weitere Hürde.
Eine Treppe, die in die Tiefe führte —
und dort, eine Fallgrube mit aufragenden Speeren.
Nicht alle entgingen ihr;
Hurdin musste aus dem Abgrund gezogen werden,
sein knurrendes Fluchen war lange nicht zu überhören.
In einem großen Raum schließlich,
wartete die wahre Prüfung:
Ein Piratenkapitän, breitschultrig und wettergegerbt,
und seine besten Männer.
Es dauerte nicht lange.
Altheas Magie, Archons blitzender Dolch,
und der Kreuzfeuerhagel der Zwerge
machten der Sache ein schnelles Ende.
Der Schatz —
ein feines Kettenhemd, Gold, starke Tränke,
und ein Betrag, der die Mühen mehr als lohnte.
Doch der Weg hinaus war kein Triumphzug:
Weitere versprengte Piraten,
eine eingekesselte Keilerei,
blitzende Dolche, grimmige Gesichter.
Und als sie endlich, in Hast, den Ausgang wieder erreichten,
der Wind ihnen frische Luft ins Gesicht blies,
wussten sie:
Dies war nur der erste Schritt über die Hjaldorberge gewesen.
Und hinter ihnen —
lag eine Tiefe,
die sie nicht so schnell vergessen würden.
(Unterwegs über den Rybon-Thoss-Pass – Abschnitt 2)
Nachdem sie den Schatz von Daspota geborgen und die heimliche Höhle verlassen hatten, stieg der Pfad rasch steiler in die Berge.
Die bewaldeten Hänge, die ihnen bisher noch Schatten gespendet hatten, wichen langsam nacktem Fels und staubiger Erde.
Der Pfad schlängelte sich, mal nach links, mal nach rechts, schmiegte sich an schroffe Wände, führte über schmale Kämme, wo ein falscher Tritt den Absturz bedeutete.
Irgendwann erreichten sie ein gewaltiges Geröllfeld – ein toter Ort, in dem nur der Wind zwischen den steinernen Brocken spielte.
Der Weg war hier völlig verschwunden, und sie mussten sich Tondars scharfem Blick anvertrauen, der eine Passage suchte, wo kaum eine war.
Stein für Stein, Schritt für Schritt, arbeiteten sie sich hindurch, bis sie jenseits des Gerölls wieder etwas wie einen erkennbaren Pfad fanden.
Am Rand einer Felsformation, geschützt vor dem schlimmsten Wind, schlugen sie ihr Lager auf.
Der Hunger nagte, und Tondar gelang ein seltener Fang: eine Bergziege, die er von einer Anhöhe erlegte.
Hurdin stieg den steilen Hang hinab, barg die Beute und brachte sie ins Lager.
Am Feuer, unter dem kalten Sternenhimmel, brieten sie das Fleisch – und für einen Abend schien der entbehrungsreiche Aufstieg fast vergessen.
Am nächsten Morgen wurde der Pfad freundlicher.
Die Steigung ließ nach, der Weg führte stetig bergab.
Am späten Nachmittag entdeckten sie eine Berghütte – windschief zwar, doch trocken, am Ufer eines klaren, kleinen Bergsees gelegen, umgeben von ersten grünen Wiesen.
Althea, der die schroffen Nächte an die Substanz gegangen waren, war sichtlich erleichtert, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben.
Nach einer Nacht ruhigen Schlafs setzten sie ihren Abstieg fort.
Sie seilten sich an einer Klamm über einen reißenden Gebirgsbach ab – einen der Quellarme der Thossel, die weit unter ihnen zwischen Felsen und Moos dahinbrauste.
Am Oberlauf der Thossel angelangt, folgten sie dem jungen Fluss, der sie weiter talwärts führen würde.
An einer breiten Stelle, wo große Steine das Wasser bremsten, rasteten sie erneut.
Tondar meinte schmunzelnd, dass hier zur rechten Zeit des Jahres die Lachse förmlich aus dem Wasser sprängen – doch es war zu früh im Jahr, und so blieb ihnen nur der Anblick.
Die Landschaft öffnete sich zusehends.
Das Tal wurde breiter, die Berghänge zur Rechten und Linken fielen in dichten Wald zurück.
Ein letzter Rastplatz am bewaldeten Ufer, dann, am späten Nachmittag des nächsten Tages, endlich:
Die ersten Häuser von Thoss.
Ein kleines, lebendiges Dorf am Fluss, umgeben von Wäldern und den schützenden Armen der Berge, empfing sie –
und mit ihm ein Gefühl, dass das Schlimmste der Überquerung hinter ihnen lag.
(Abschnitt 3: Über die Hjaldorberge nach Thoss – und der Ruf der Berge)
Es war der 18. Travia, als sich endlich die Lichter von Thoss im Tal der Thossel zeigten.
Nach den endlosen, kargen Hängen, nach dem mühsamen Pfad durch Geröll und über flache Felskuppen, nach kalten Nächten unter offenen Sternen war der Anblick der kleinen Stadt eine Wohltat für Herz und Augen.
Die Gruppe kam erschöpft an, aber die Stimmung im Ort war... lebendig.
Nicht wie in Rybon, wo sich nach Sonnenuntergang jedes Fenster verschlossen hatte.
Hier strömten die Menschen noch spät am Abend aus den beiden Tavernen, Lachen und Stimmen lagen über den Gassen.
Furka ließ keinen Zweifel daran, wo ihr nächstes Ziel lag – und so fanden sie sich wenig später bei Bier und deftigem Eintopf in einer der Tavernen wieder.
Die Geschichten der Einheimischen drehten sich um Fischfänge, um Tjanset am Hjaldingolf, um Orvil als größeres Handelszentrum – aber auch, leiser, um Rybon und den Pass, den sie gerade bewältigt hatten.
Und mittendrin fiel ein Name, der sie aufhorchen ließ: Yasma Thinmarsdotter.
Am nächsten Morgen, mit schweren Gliedern aber neuer Entschlossenheit, machte sich Althea auf den Weg.
Sie fand das richtige Haus gegenüber der Herberge – ein schief stehendes, leicht verfallenes Gebäude.
Mit einem kurzen Griff richtete sie ihren Umhang, zog die Kapuze zurück und klopfte an.
Fast fühlte es sich an wie damals, in Felsteyn, bei Isleif Olgardsson.
Yasma war eine Frau in den besten Jahren, mit einem offenen Gesicht, das von Sorgenfalten durchzogen war.
Sie kam, so berichtete sie, aus Clanegh. Das Chaos des Umzugs war noch überall sichtbar, aber sie war bereit, zu reden.
In der kleinen Stube fanden Althea, Furka, Keldi, Tondar, Hurdin und Archon Platz, wenn auch etwas verstreut und improvisiert.
Und Yasma erzählte:
Ihr Vater hatte zwei Kartenteile in Händen gehabt, die auf Hyggeliks Schatz deuteten.
Doch eines war vor kurzem gestohlen worden – von einem gewissen Schurken und seinen Leuten, die sich bei einer alten Ruine in den Bergen verschanzten.
Das zweite Teil sei in den Händen eines gewissen Hjore Ahrensson aus Ottarje.
Vielleicht könnte auch der alte Umbrik aus Orvil mehr sagen. Der kenne fast alles, was diese Lande betraf.
Althea spürte, wie sich ein neues Netz spann – neue Namen, neue Wege.
Aber vor allem: Zurück in die Berge.
Noch ehe die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, verabschiedete sich die Gruppe.
Ein kurzer Imbiss, letzte Wasserschläuche aufgefüllt – dann Aufbruch.
Zurück in die Berge.
Furka grinste, als hätte er es schon geahnt, Keldi rückte seine Rüstung zurecht, und Tondar führte sie sicher aus dem Ort hinaus.
Sie verließen die Thossel, der sie bislang gefolgt waren, und schlugen einen schmalen Seitenpfad ein, der sich in die grünen Hügel schlängelte.
Mit jedem Schritt wuchs die Wildheit der Umgebung, wurde das Land steiler, rauer.
Kaum jemand war hier unterwegs.
Dann – Harpyien.
Der Überfall kam plötzlich, aus den Wolken, ein abgestimmter Angriff.
Kampf, Krallen, Klingen, Federn und Schmerz.
Aber sie standen zusammen – Zwerge, Althea, Archon – ein Kreis aus Entschlossenheit gegen die wütenden Kreaturen des Gebirges.
Wunden, Flüche, Atemlosigkeit – doch am Ende siegten sie.
Und in der Nacht ein weiteres Ungemach – ein Rudel von Raubkatzen, die durch den Geruch ihrer Lagerstelle angelockt worden waren.
Ein wüstes Handgemenge in Dunkelheit und Flammenschein, zerrissene Mäntel, schimmernde Klingen.
Aber auch hier – Sieg, wenn auch auf wankenden Füßen.
Am nächsten Morgen, müde, mit geschärften Sinnen und gezogenem Dolch, erreichten sie schließlich den höchsten Punkt.
Vor ihnen öffnete sich eine breite Mulde.
Zwischen Gebüsch und Gras stachen die Ruinen einer alten, verfallenen Burg empor.
Ein einzelner Turm ragte stolz gegen den Himmel.
Das Ziel, das Yasma ihnen gewiesen hatte – ein Ort, an dem sich vielleicht Antworten fanden.
Oder Tod.
Althea sog die kühle Herbstluft tief ein, schloss einen Moment die Augen.
Es gab keinen anderen Weg.
(Abschnitt 4 – Die Schwarzmagierruine)
Der Pass hatte sie weit in die Berge geführt, als sie, abseits des eigentlichen Weges, auf ein Relikt aus dunkleren Zeiten stießen:
Die zerfallene Burgruine lag schweigend unter dem grauen Himmel. Nur der alte Turm trotzte noch Wind und Wetter – oder das, was in seinem Inneren lauerte.
Im Inneren breitete sich eine dunkle Halle aus, weit größer als der Turm vermuten ließ. Ihr Licht verlor sich in der Weite.
Die Schritte hallten auf dem nackten Stein, und aus der Dunkelheit stürzten plötzlich orkische Wachen auf sie zu.
Gut ausgerüstet, diszipliniert – keine Plünderer, sondern Soldaten eines dunklen Herrn.
Die Gruppe schlug sie nieder, doch die Begegnung ließ keinen Zweifel: Hier unten war mehr verborgen.
Eine versteckte Falltür führte sie in die Tiefe, wo Furka, der kleine, unbeugsame Fallensteller, auf Stufe 4 aufstieg.
Das Labyrinth darunter war ein verzerrtes Spiegelbild der Oberwelt – verwirrende Gänge, tückische Wände, Geheimnisse, die nur auf scharfe Augen und ruhige Hände warteten.
In diesen dunklen Korridoren stellte sich ihnen der erste feindliche Zauberer entgegen.
Althea, noch jung in ihrer Macht, schleuderte die Flammen direkt aus ihrer Seele und ließ ihn in Rauch aufgehen.
Weiter unten, tiefer im Gewirr, ein zweiter Kampf: Diesmal ein schneller Zauberwechsel, ein Schutzschild aus purer Entschlossenheit – der Feind flüchtete, nur um Archons tödlicher Klinge zu erliegen.
Dann die letzte Kammer:
Der wahre Schwarzmagier, mit leuchtenden Augen und dem Hass vergessener Jahrhunderte.
Seine Magie schleuderte Althea auf die Knie, doch sie erhob sich –
und sandte brennende Gerechtigkeit aus.
Die Zwerge stürzten sich auf ihn – ein wildes, schmutziges Handgemenge aus Faustschlägen, Dolchstichen und donnerndem Willen.
Der Schwarzmagier fiel.
Was blieb, war Reichtum:
Ein weiteres Kartenstück, 500 Dukaten – schweres, schimmerndes Gold.
Und das stille Wissen: Sie hatten überlebt.
Doch Furkas Unachtsamkeit beim Durchsuchen eines alchemistischen Labors löste eine Katastrophe aus:
Flammen, Rauch, giftiger Dunst.
Sie rannten, keuchend, blindlings durch das Labyrinth, während ihnen die giftige Wolke im Nacken saß.
Treppen, Hallen, Echos ihrer fliehenden Schritte.
Althea brach zusammen, doch Hurdin und Archon trugen sie weiter.
Der Burghof, der freie Himmel, der eiskalte Wind – ein Schrei aus rauen Kehlen, als sie sich aus dem würgenden Qualm retten.
Auf dem Hang unterhalb der Ruine, während die Überreste des Turmes eine letzte Rauchwolke in den Himmel schickten,
kamen sie zu Atem.
Archon kochte Wirselkraut, die Zwerge tranken schweigend, und Althea, blass aber lebendig, öffnete langsam wieder die Augen.
Sie hatten die Schwarzmagierruine bezwungen.
Und das Tal der Thossel – und die kleine Stadt Thoss – lag wieder vor ihnen
(abschluß)
Am Abend des 20. Travia saßen sie erneut in der vertrauten Taverne von Thoss,
schwiegen, tranken, aßen.
Kein großer Jubel, kein Ausbruch von Übermut.
Nur dieses stille Wissen:
Sie hatten den Rybon–Thoss-Pass bezwungen.
Hatten Geheimnisse gehoben, Reichtum errungen, Feinde besiegt – und sich selbst wieder ein Stück neu gefunden.
Sie verließen Thoss einen Tag später, am 21. Travia.
Der Herbst hatte Einzug gehalten,
die Nächte wurden frischer
und die Bäume an den Hängen der Hjaldorberge begannen sich rot und gold zu färben...
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Unterwegs mit Zwergen #30 – Die Hügel von Orvil
Die spätsommerlichen Hjaldorberge lagen hinter ihnen, und mit jedem Tag auf der Straße, die sich nördlich der Berge von Thoss aus nach Westen und dann langsam nach Südwesten wand, senkte sich der Herbst deutlicher auf das Land. Die Hänge färbten sich in warmen Rot- und Goldtönen, das Licht schien weicher, fast als würde es sich durch ein dünnes Tuch brechen. Noch war es angenehm kühl, aber der Wind roch bereits nach Wandel. Die Gruppe war in guter Stimmung. Die Reise verlief ruhig, das Wetter war freundlich und die Gespräche, besonders beim abendlichen Lagerfeuer, drehten sich wieder öfter um Vergangenes, Pläne und Träume – ein sicheres Zeichen dafür, dass sich der Druck der letzten Wochen etwas gelöst hatte.
Der Weg führte sie über bewaldete Hänge, durchsetzt von moosbedeckten Steinen, vorbei an einzelnen, längst verlassenen Schutzhütten. Sie passierten das kleine Holzfällernest Ala – nicht viel mehr als ein paar blockige Häuser, ein armseliger Schankraum, eine rauchende Holzsägerei. Die Leute dort wirkten reserviert, aber nicht unfreundlich. Niemand hatte etwas Konkretes zu berichten, aber die Blicke, die sie der Gruppe hinterherwarfen, blieben hängen. So, als wüsste man mehr, als man sagen wollte.
Hinter Ala begann sich die Stimmung zu wandeln. Die Bäume standen dichter, das Licht war gedämpfter, schien irgendwie fahler. Geräusche trugen sich seltsam durch die Luft – Vogelrufe klangen weit entfernt, das Rauschen der Blätter zu laut, das eigene Atmen zu deutlich. Irgendetwas lag in der Luft. Die Natur wirkte schwer atmend, als würde sie etwas verbergen.
Als sie an einem kühlen, klaren Bachlauf rasteten, kam es zum Angriff. Tondar war gerade damit beschäftigt, seine Beute zu verschnüren, als er das Knacken von Zweigen hörte. Er hob den Kopf – zu spät. Eine Meute wilder Hunde stürzte aus dem Gebüsch.
Chaos brach aus.
Althea stürmte vor, zu weit, Furka an ihrer Seite. Hurdin brüllte eine Warnung und drehte sich zur linken Flanke, wo weitere Tiere durchs Dickicht brachen. Tondar warf die Beute beiseite, zog seinen Dolch, während Keldi bereits den Bogen hob. Einer der Hunde sprang Althea an – sie drehte sich, riss den Stab hoch, ein Flammenstrahl zuckte auf, der Angreifer kreischte und fiel. Doch die Flammenlanze war versiegt.
Ein zweiter Hund brach durch die Linien – Archon war da, sein Dolch ein kurzer Lichtblitz. Althea wurde erneut angesprungen, duckte sich, prügelte mit dem Stab auf das Tier ein, das sich auf Furka stürzte. Hurdin und Keldi deckten den rechten Flügel ab, Tondar kämpfte sich durch, bis sie schließlich die Oberhand gewannen. Es war kurz, brutal – und vor allem: unnatürlich.
"Das ist kein normales Verhalten," keuchte Keldi. "Nicht zu dieser Jahreszeit."
Tondar stieß den Kadaver mit der Stiefelspitze an. "Was auch immer das war, irgendetwas treibt sie."
Am nächsten Morgen erreichten sie nach kurzer Strecke den Punkt, an dem die Straße einen kleinen Bach querte – hier begann der Abstieg nach Orvil. Der Wald lichtete sich, die Zeichen von Holzschlag verschwanden. Der Weg wurde offener, doch die bedrückende Stimmung blieb. Dann, kurz vor dem Ort, begegneten sie einem Reiter – ein Mann mittleren Alters, sauber gekleidet, auf einem kräftigen Pferd. Der Austausch war höflich, doch der Mann sprach mit Bedacht.
"Man sagt, etwas treibt die Tiere hier um. Ein alter Zirkel vielleicht. Oder schlimmeres. Wenn ihr mehr wissen wollt – der Siebenstein in Orvil hat ein Ohr für solche Dinge."
Dann ritt er weiter, ließ die Gruppe nachdenklich zurück.
Als sie den Ortsrand von Orvil erreichten, war da dieser Moment. Keine Menschenseele war zu sehen. Der kleine nördliche Platz lag still und seltsam entrückt in der Nachmittagssonne, als sei ein Schleier darübergelegt. Kein Laut, keine Bewegung. Die Gruppe spürte das – stand einen Moment lang still, als hielte die Welt den Atem an. Und dann, wie auf einen Schlag, trat das Leben zurück in den Ort. Kinderlachen, Marktgerufe, der Klang von Hämmern und Gesprächen.
Sie traten weiter vor und fanden sich auf dem Hauptplatz von Orvil wieder – voller Leben. Tavernen, Händlerstände, der Travia-Tempel, der auf die Brücke zum Fjord hinausblickte. Ein charmanter kleiner Ort, wie aus einem anderen Buch. Die Dunkelheit lauerte vielleicht in den Hügeln, aber hier – hier war Licht. Noch.
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Unterwegs mit Zwergen #31 – Der Schatten von Orvil
Der Herbst war gekommen, leuchtend und wachsam, als die Gruppe aus den Hjaldorbergen ins Hügelland von Orvil trat. Die Landschaft war schön, doch irgendetwas stimmte nicht – als würde das Land selbst flach atmen. In Ala noch schien alles ruhig, doch hinter dem kleinen Holzfällernest wurde das Licht fahler, die Wälder stiller, der Wind seltsam suchend.
Dann, ein Überfall: Ein Rudel wilder Hunde stürzte sich auf die Gruppe, ohne Hunger, ohne Angst. Die Zwerge formierten sich, Althea trat vor, Flammen in den Händen. Die Hunde wichen nicht. Als der Kampf vorüber war, schwieg der Wald umso mehr. Etwas stimmte hier nicht.
In Orvil selbst erlebten sie diesen Moment noch einmal – anders. Beim Eintritt in den Ort lag ein seltsamer Schleier über allem, als sei die Stadt für einen Moment in ein anderes Licht getaucht. Dann: Stimmen, Lachen, Gerüche. Der Marktplatz, voller Leben. Orvil war da. Und doch: irgendetwas lauerte draußen.
Umbrik Siebenstein war barsch. Hilfsbereit, ja – aber nicht aus Überzeugung. Ein Runenknochen sei es, was die Gruppe ihm bringen solle, aus den Hügeln. Von einem gewissen Gorah, einem finsteren Druiden. Mehr nicht. Kein Dank, kein Vertrauen. Nur die Aufgabe.
Also verteilten sie sich. Suchten Hinweise, Meinungen, Stimmungen. Furka würfelte sich durch die Taverne, Keldi sprach mit den Händlern, Hurdin mit dem Schmied, Archon mit dem Heiler. Althea ging zum Tempel. Überall dieselbe Ahnung: Das Land war nicht mehr im Gleichgewicht.
Sie brachen nach Rovik auf – ein Umweg, aber kein vergeblicher. Der Wind wehte schärfer am Golf von Prem, die Menschen dort wortkarg. In einem Seitental trafen sie auf einen Schäfer, von Wölfen überfallen. Es war keine gewöhnliche Jagd. Die Tiere flohen erst, als Gorahs Name fiel. Die Richtung war klar.
Zurück in Orvil, und dann hinaus – Richtung Süden. Weißdorn war es, der den Ort markierte. Gorah war vorbereitet. Der Kampf tobte zwischen Wölfen, Harpyien und Feuer. Archon brachte den finsteren Mann zu Fall – doch nicht ohne Preis. Althea wurde vergiftet, taumelte, sank. Erst Archons Kräuterkunst – und ein altes, sündhaft teures Heilmittel – retteten sie.
Eine Welle ging durch die Lichtung, wie ein tiefer Atemzug des Landes. Die Wölfe flohen. Die Schatten zogen sich zurück.
Mit dem Runenknochen kehrten sie nach Orvil zurück. Umbrik nahm ihn schweigend entgegen. Und dennoch: Es war getan.
Ein Tag verging. Dann zwei. Und dann kamen sie – Bürger, Händler, die Geweihte. Sie baten die Gruppe, nach draußen zu treten. Der Marktplatz war voller als je zuvor. Es war der 1. Boron – und der Schatten war gewichen. Der Jubel war laut, das Bier stark, die Worte warm. Furka war längst mitten unter den Feiernden, und als die Harfe erklang, wurde Orvil für einen Abend ein Ort der Geschichten.
Sie blieben noch einen Tag. Dann rüsteten sie sich. Die Wälder färbten sich, die Nächte wurden kalt. Die Berge riefen. Und Oberorken wartete.
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Unterwegs mit Zwergen #32 – Schatten über Stein und Pfote
3. Boron, 15 Hal – der Tag, an dem sich das Licht über Orvil veränderte. Die Sonne ließ die von Efeu umrankten Mauern des Wohnviertels warm aufleuchten, während sich hinter der Gruppe die Spuren ihres Tuns schlossen. Das Land war leichter geworden, die Luft klarer, der Blick weiter. Die Ernte war eingebracht, der Schatten gebannt – doch ihre Reise führte weiter. Der Goldene Herbst lag hinter ihnen, das Blätterdach wurde braun, und der Wind trug nun jenen Ton, der mehr versprach als nur Regen. Sie zogen aus – den Zufluss des Rovikfjords entlang, hinein in die südöstlichen Ausläufer der Hjaldorberge.
Der Pfad war schmaler, unmittelbarer als der, den sie einst zwischen Rybon und Thoss beschritten hatten. Steil zog er sich hinauf zwischen grauem Gestein und herbstmüden Bäumen, und während der Aufstieg sie verlangte, begann sich das Land zu wandeln. Wo einst Schatten lasteten, lag jetzt nur Stille. Doch gerade in der Stille verbarg sich manchmal das letzte Echo eines alten Rufes.
Tondar und Keldi führten, gefolgt von Althea und Furka, dahinter Hurdin und Archon, wie ein Gedanke, der sich nie ganz greifen ließ. Die Gespräche waren spärlich, der Blick meist nach vorn gerichtet, nur ab und an schweifte Altheas Blick zurück auf das friedlich liegende Orvil in der Ferne. Dort unten war die Ernte eingebracht. Hier oben begann ein anderes Kapitel.
Am frühen Nachmittag erreichten sie den Scheitel des Passes, wo der Wind bereits den Ton von Winter trug. Der Weg wurde wieder sanfter, ein schmaler, geschwungener Pfad, der sich zwischen Fels und Buschwerk hindurchwand. Es war dort, wo Tondar plötzlich die Hand hob und auf eine Spur wies. „Geröll“, sagte Keldi knapp. Tondar schüttelte den Kopf. „Eine Fährte.“ Eine, die nicht von diesem Morgen war, aber auch nicht alt genug, um vergessen zu werden.
Abseits des Weges fanden sie ein kleines, verstecktes Tal, wo sich eine Quelle sammelte. Dahinter – eine Öffnung im Gestein. Niedrig, aber tief atmend. Es roch nach Fell und altem Blut. „Das riecht nach Wölfen“, murmelte Tondar. „Wir mögen aber keine Wölfe“, kam es trocken von Furka, während er die Armbrust spannte.
Altheas Stab erhellte den Eingang, flackerte an feuchten Wänden empor. Ein grollendes Knurren antwortete aus der Tiefe. Die Formation war schnell bezogen: Tondar und Furka an der Spitze, dahinter die schwereren Kämpfer, Althea beschützt im Zentrum. Archon glitt seitlich wie ein Schatten.
Die Wölfe, die ihnen begegneten, waren nicht wie die, die einst die Rast unterhalb Orvils gestört hatten. Diese hier waren hungrig, aber matt – als hätte etwas sie zurückgelassen, nicht mehr gebraucht. Die Kämpfe waren schnell, aber nicht mühelos. Die Zwerge bildeten eine schlagkräftige Linie, während Altheas Zauber in kurzen, konzentrierten Ausstößen Licht und Flammen brachte. Hurdin hielt die Linie, Archon stieß immer wieder tief in die Schattenräume vor.
Tiefer im Bau fanden sie, was sie unbewusst erwartet hatten: eine Kammer, erfüllt vom süßlichen Gestank des Todes. Reste von Kleidung, zerschlissene Taschen, ausgeleerte Proviantbeutel – menschliche Überreste. Tondar stand lange vor einem blutigen Mantelzipfel. „Hier begann es“, sagte er leise. „Das war ihr Ursprung. Das war das Rudel.“
Es folgten weitere Kammern, weitere Wölfe – kein Rudel mehr, nur noch versprengte Schatten. Die Magie war zerbrochen, das Band gerissen. Archon murmelte etwas über gebrochene Bindungen, über den langsamen Zerfall eines verfluchten Willens.
In einer versteckten Nische fanden sie schließlich das, was geblieben war: ein Silberhelm, einige Münzen, ein verbogenes Messer – Zeichen von Wanderern, die es nicht geschafft hatten. Keldi betrachtete den Helm lange, dann legte er ihn schweigend beiseite.
Als sie schließlich aus der Höhle traten, hatte sich der Himmel gewandelt. Die Sonne verschwand hinter den Gipfeln, und das Abendlicht färbte die Felsen bernsteinfarben. Der Schatten war auch hier gewichen, still, ohne Worte, aber spürbar.
Und die Gruppe? Sie sagte nichts. Manchmal ist das Schweigen das deutlichste Zeichen, dass etwas abgeschlossen wurde.
Als die Gruppe wieder ins Freie trat, verschwand gerade die Sonne hinter den Gipfeln, und sie setzten ihren Weg auf dem Pfad fort.
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