(14.11.2011, 19:16)Rabenaas schrieb: Der bekannte Blogger Jörg Kantel ist wegen Blasphemie angezeigt worden.
(14.11.2011, 19:57)Wolverine schrieb: Klingt aber schon klasse, wegen Blasphemie vor dem Richter zu stehen.
(14.11.2011, 22:36)Wolverine schrieb: Ich mag mich täuschen, aber ich vermute die Forenbeschränkung auf nichtreligiöse Themen hat auch etwas damit zu tun, dass viele Menschen in Glaubensfragen sehr sensibel reagieren. Da kann man schnell jemanden beleidigen, ohne es zu wollen oder zu merken. Nicht zuletzt deshalb genießt der Glaube in Deutschland einen höheren Schutz und nicht zuletzt deshalb gibt es wohl diesen anachronistisch anmutenden Paragraphen zur Blasphemie.Um mal mit einer übertreibenden Darstellung aufzuräumen: Es gibt in Deutschland keinen Straftatbestand der "Blasphemie". Das wird nur in den Medien so kolportiert. Konkret geht es um § 166 StGB (Lektüre empfohlen!), der das Beschimpfen (!) "des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer" (Abs. 1) oder einer Kirche und ihrer Gebräuche (Abs. 2) unter Strafe stellt, (nur) wenn dadurch der öffentliche Friede gestört werden kann. Und das auch nur, wenn dies durch Verbreitung von Schriften erfolgt (also nicht mündlich). Das ist weit entfernt von dem, was man in der Umgangssprache als Blasphemie bezeichnet. Es erfaßt nur die schlimmsten Formen der Blasphemie.
Es wäre - aus Sicht der Kirche - in höchstem Maße blasphemisch, wenn man behauptete, ihr Heiland sei nur der Einfall eines verwirrten Magiers gewesen oder es gäbe nicht einen, sondern zwölf oder dreizehn Götter, die auch noch untereinander streiten. Gleichwohl steht diese Behauptung nicht unter Strafe, sie ist vielmehr selbst (wenn ernst gemeint) von der Religions- und Weltanschauungsfreiheit geschützt.
Unter Strafe steht nur das Beschimpfen, also letztlich das öffentliche Beleidigen religiöser Inhalte. Die Norm steht in Gesellschaft von Vorschriften, die die Störung von Gottesdiensten, Bestattungsfeiern und der Totenruhe unter Strafe stellen ( § § 167 ff.). Das sind aber doch Dinge, die man von jedem zivilisierten Menschen im normalen Umgang miteinander erwarten darf. Das ist eine Frage des Respekts und der Toleranz anderen gegenüber, nicht der eigenen Gefolgschaft eines bestimmten Glaubens. Und daher kann ich an dieser Vorschrift nun wahrlich nichts "Anachronistisches" finden. Denn ein gebührliches Verhalten Andersgläubigen gegenüber sollte heute nicht weniger modern sein, als im Jahre 1871, in dem unser StGB entstanden ist.
Zudem ist Schutzgut dieses angeblichen "Blasphemieparagraphen" gar nicht so sehr die Glaubensfreiheit anderer, als vielmehr der öffentliche Friede. Das sieht man daran, daß es als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet ist. Ohne daß die Tathandlung konkret geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden, steht sie nicht unter Strafe. Hetzschriften im Internet in einem vielfrequentierten Forum können dazu schon geeignet sein. Aber Hetzreden muß ja auch niemand führen. Die Meinungsfreiheit ist ein Fundament unserer freiheitlichen Gesellschaft, sie ist aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern findet dort ihre Grenze, (u.a.) wo die Rechte anderer (zu tief) verletzt werden, gehe es um den persönlichen Ehranspruch oder auch die ungestörte Religionsausübung, oder wo andere gegeneinander aufgewiegelt werden.
"Haut die Säbel auffe Schnäbel."